Claus Beese

Strandgut


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Platz führen.

      »Na, dann lass mal sehen, was ihr da aufgespürt habt«, lachte ich und folgte meinem Fräulein Tochter, die mich um etliche gute Angebote herum bis in die letzte Ecke des Grundstückes zog. Unter einem Berg von alten, zerschlissenen Planen schauten zwei Beine heraus, und man konnte undeutlich einige Laute der Verzückung vernehmen. Die Beine liefen unter der Plane hin und her, bis sie den Ausgang gefunden hatten.

      »Puh, schreckliche Hitze unter dem Ding! Aber d a s musst du dir ansehen! Ich glaube, d a s ist es!«

      Mit gewissen Zweifeln behaftet krabbelte ich unter die Gerüsttücher, die den Schatz, den mein holdes Eheweib mir versprach, verhüllten. Ich muss gestehen, dass sich meine Begeisterung in Grenzen hielt. Was ich da im Halbdunkel unter den Planen fand, war zwar noch nicht unbedingt ein Wrack, aber mit Sicherheit schon weit von einem fahrtüchtigen, gemütlichen Boot entfernt. Auf den ersten Blick schätzte ich, dass ich wohl ein Jahr konzentrierte Arbeit hineinstecken musste, um so ungefähr das zu bekommen, was ich mir vorstellte. Mit einem leisen »Blubb« verschwand der Wikinger vor meinem geistigen Auge, und das Letzte, was ich von ihm sah, war sein entsetztes Gesicht. Ich kletterte auf das Boot und schaute mir die Inneneinrichtung ein wenig gründlicher an. Das Schiff hatte keinen Motor, die Wanne, die den Außenborder aufnehmen sollte, war gähnend leer. Der Fahrstand war sehr unkomfortabel und spartanisch eingerichtet, die kleine Vorderkajüte eng und dunkel. Außerdem roch es, als läge der tote Bordhund noch irgendwo in einem der Schrankfächer. Leicht angewidert hielt ich mir die Nase zu.

      An der Bordwand tauchten die Köpfe meiner beiden Leichtmatrosen in Spe auf und ich half ihnen an Bord. Sollten die beiden sich das Elend doch selber ansehen, dann würden sie schon merken, dass...

      »Oh, wie niedlich!«, entfuhr es meiner besseren Hälfte. »Guck mal, Claudi, da können wir sogar mal drin schlafen. Und hier müssen der Kocher und die Spüle hin, und wenn du den Fahrersitz ein wenig anhebst, kann da drunter ein Chemieklo. Oh, ich hatte doch Recht, Schatz, nicht?«

      »Papa, Papa, kaufen wir das Boot jetzt?«

      »Nein! Ich bin doch nicht blöd«, entfuhr es mir in einem Anflug von Widerstand.

      »Uäh! Mama! Papa will unser Schiff nich kaufen, Claudi will das aber haben! Wääääh!«

      »Da siehst du, was du angerichtet hast! Du kannst einem aber auch jede Freude verderben! Warum willst du das tolle Boot denn nicht?«

      »Weil das ein Fass ohne Boden ist! Schau dich doch mal um! Kein Motor! Die Inneneinrichtung ist reif für den Müll! Der Aufbau des Fahrstandes ist aus fünf Zentimeter dickem Panzerglas und wiegt mindestens drei Zentner. Wenn du das Boot ins Wasser lässt, wird es auf der Stelle kentern und absaufen.«

      Ich lehnte mich erschüttert an die Persenning, die mit einem morschen »Ratsch!« nachgab. Ich kippte in Zeitlupe aus dem Boot und fand mich unversehens auf dem harten Platzbelag wieder. Oben auf dem Boot tauchten zwei blonde Wuschelköpfe mit besorgten Gesichtern über der Bordwand auf und schauten erschrocken und mitleidig zu mir herab. Vorsichtshalber blieb ich liegen und hob den Finger anklagend zum Himmel.

       »Und eine neue Persenning ist auch noch fällig«, versuchte ich ein letztes Gegenargument, ohne zu merken, dass ich nicht nur körperlich bereits am Boden lag. »Und neue Polster und eine neue Batterie und eine Reling und überhaupt...! Ich denke, ein Jahr Arbeit wird draufgehen, bevor wir damit fahren können. Dann lass uns doch lieber eines kaufen, dass ein wenig teurer, aber dafür fahrbereit ist!«

      »Ach, wenn du mal ein bisschen weniger zum Angeln kommst, ist das doch auch nicht so schlimm, oder? Denk an deine Dorsche! Und mal ein bisschen sinnvolle Beschäftigung am Feierabend tut dir auch ganz gut. Nicht?!«

      Also, was soll man denn dazu noch sagen? Wenn sich Frauen etwas in ihre hübschen Köpfchen setzen, dann schweigt die Vernunft. Also gingen wir ins Büro zu der Inhaberin des Yachthandels, in deren Augen ein gewisses Funkeln trat, als ich den Beschluss meiner beiden Frauen vortrug.

      »Kein Motor?«, sagte sie. »Kein Problem! Die sind nicht so teuer, die kriegen sie schon recht günstig!«

      »Der Hänger? Kein Problem! Der ist noch so gut, den kriegen sie immer durch den TÜV!«

      »Aufbauten zu schwer? Kein Problem, das können sie mit ein paar Handgriffen ändern. Bauen sie einfach aus Kunststoff einen neuen. Das geht schnell und kostet fast nichts!«

      »Kaputte Kajütscheiben? Kein Problem! Setzen sie neue Plexiglasscheiben ein, ich sag ihnen, wo sie die kriegen.«

      »Inneneinrichtung? Kein Problem, mit ein bisschen Holz ist das schnell gemacht. Na, man hat ja auch seinen eigenen Geschmack, und wenn sie es sich nett zurechtmachen, können sie es ja auch immer wieder gut verkaufen. Sie haben da eine echte Wertanlage!«

      Wir ahnten nicht, dass es diese Frau bereits an der ganzen Küste als »Miss No-Problem« zu einer gewissen Berühmtheit gebracht hatte. Hätte ich ihr gesagt, ich wollte mit dem Ding die Marskanäle befahren, wäre ihre Antwort gewesen: »Kein Problem. Ich hab da hinten in der Ecke noch ‘ne fast unbenutzte Saturn-Fünf-Rakete stehen. Gegen einen kleinen Aufpreis können sie die haben!«

      Auch sahen wir nicht, dass die ganze Belegschaft, nachdem wir den Vertrag unterzeichnet hatten, in der Bootshalle einen Freudentanz aufführte und Miss No-Problem unseren Scheck mehrfach küsste. Gewisse Zweifel keimten in mir erst an dem Tag auf, als ich mit Boot und Anhänger vom Hof der Yachtagentur rollte, und im Außenspiegel gerade noch sah, wie sich ein Verkäufer und ein Monteur der Firma vor Freude weinend in die Arme sanken, um dann blitzschnell hinter mir das Tor zu verriegeln. Vor meinem geistigen Auge erschien wieder der olle Wikinger, der mich breit angrinste.

      »Du wirst schon sehen, Söhnchen, ohne Mast, an dem du das Segel hochziehen kannst, taugen die Dinger nicht viel. Aber bitte, du hast es ja so gewollt. Mögen Thor und Odin mit dir sein!«

      Hammel, Steaks und Haifischflossen

      Bodo lümmelte an der Reling der »Treuenfels«, die vor Dubai auf Seereede lag. Wie üblich war der Hafen überfüllt und es gab keine Möglichkeit für den Frachter, seine Ladung schnell zu löschen. Einige der wartenden Seeschiffe wurden schon mit Schuten geleichtert, das heißt, die Fracht wurde mit den Bordkränen auf kleine Boote umgeladen, um sie dann im Hafen an kleineren Kais zu löschen.

      Der lang aufgeschossene Schlacks, der dem drohenden Dienst beim heimatlichen Militär dadurch entwischt war, dass er sich freiwillig zur Handelsmarine gemeldet hatte, tat an Bord des Schwergutfrachters Dienst als Messjunge. Seine Aufgabe war es, der Mannschaft und den Offizieren in der Bordmesse das Essen in einem ansprechenden Ambiente zu servieren. Und Bodo hatte seine Messe tipptopp in Schuss. Das schmutzige Geschirr war bereits abgewaschen und in die Schapps gestaut, Tische und Bänke erstklassig gesäubert. Auf den Tischen lagen Decken, was auf diesem Dampfer bisher nicht alltäglich gewesen war. Bodos Vorgänger an Bord hatte die Messe ganz schön verschlampen lassen, und als der Lange seinen Dienst antrat, war erst mal eine Grundrenovierung angesagt.

      Den Kapitän hatte fast der Schlag getroffen, als er die ellenlange Liste von benötigten Gegenständen erhielt, die der neue, spindeldürre Moses angefertigt hatte. In den Schränken war fast nichts mehr gewesen, es fehlten Bestecke, Geschirr, Tischdecken, Servietten, Gläser. Einfach alles, was der Schlacks für seine Arbeit benötigte, um den Seeleuten das Leben an Bord angenehm zu machen, musste ergänzt oder neu beschafft werden.

      »Wenn ich hier Dienst tun soll«, hatte der Lange schlicht gesagt, »dann brauche ich die Sachen. Sie fahren das Schiff doch auch nicht ohne Kompass, Käpten!«

      »Herr Kapitän heißt das«, schnauzte der Zahlmeister, der Bodos sagenhafte Eigenart noch nicht kannte, über gewisse Dinge einfach hinwegzuhören.

      »Also, Käpten, wat is nu?«

      Der ‚Alte‘ hatte gottergeben geseufzt, die Liste dann aber unterschrieben und sie dem Zahlmeister gereicht.

      »An den Schiffsausrüster«, hatte er gesagt. »Ich will die Sachen noch vor dem Auslaufen haben.«

      »Aye, aye, Kapitän!«