bereits im 16. Jahrhundert und hieß – aus gutem Grund – Hurengasse. Hundert Jahre später bekam die Straße ihren derzeitigen Namen, der damals immer noch den gleichen Sachverhalt – nur sanfter und spielerischer – beschrieb. Die Straße hatte auch danach einen Sinn, denn in der Weimarer Zeit fuhr dort, in der dicht bebauten, von den sozialistischen Stadtplanern zu jener Zeit noch nicht zerstückelten Gegend des Alexanderplatzes, immerhin eine Straßenbahn.
Anfang März 1943 passierte etwas Einmaliges und auch im Nachhinein Unglaubliches in der Rosenstraße. Eine Woche lang demonstrierten nichtjüdische Mütter und Ehefrauen für die Freilassung ihrer jüdischen Söhne und Ehemänner vor dem ehemaligen Wohlfahrtsgebäude der Jüdischen Gemeinde. Die Protestierenden sind heil davongekommen, die Gefangenen wurden freigelassen, sogar die von ihnen bereits nach Auschwitz Deportierten zurückgeholt.
Bis vor einigen Jahren setzte man einen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem als unmöglich erscheinenden Protest und der überraschenden Freilassung voraus. Neuere Forschungen und Dokumente widerlegten diese Annahme – wenn auch nicht die Adjektive.
Die Nazis begannen Ende Februar 1943 die noch nicht verschleppten Juden einzusammeln und zu deportieren. Diesbezügliche Verordnungen belegen jedoch, dass für die in »Mischehen« lebenden Juden lediglich eine Registrierung vorgesehen war. Warum sollte man jene registrieren, die bereits ohnehin aufgelistet waren? Welche Rolle spielte die Demonstration dabei, dass sie nicht verschleppt wurden? Waren jene, die von ihnen nach Auschwitz mussten, irrtümlich abtransportiert?
Man kann nur raten. Nach Goebbels Tagebuch war für die Naziführung die Stimmung der Berliner Bevölkerung, besonders nach den Bombenangriffen auf die Stadt, nicht völlig gleichgültig. Die Demonstration der Frauen in der Rosenstraße als einzigartiger Akt des öffentlichen Protestes im Dritten Reich stellt eine wichtige Frage nach den Möglichkeiten des Widerstandes in der NS-Zeit und lässt sie zugleich ohne eine schlüssige Antwort.
Johann-Gottfried Schadow
Hans Joachim von Zieten, 1794
Wilhelmplatz/Mohrenstraße
Der kleine General
Der Name von Johann Gottfried Schadow ist heutzutage nicht unbedingt ein Begriff für das breite Publikum, obwohl eines seiner Werke auf der ganzen Welt bekannt ist. Auch über die Berliner Bildhauerei des ausgehenden 18. und des 19. Jahrhunderts kann man nicht sprechen, ohne an ihn erinnert zu werden.
Anstelle des berühmten Werkes, des zweirädrigen römischen Viergespanns auf dem Brandenburger Tor aus dem Jahre 1793, charakterisiert seine Kunst vielmehr diese, nur ein Jahr später aufgestellte Statue. Schadow ging auf dem Weg konsequent weiter, den sein Lehrer, Jean Pierre Antoine Tassaert, eingeschlagen hatte: Vergleicht man die Figur des Generals Hans Joachim von Zieten auf dem nach ihm benannten Platz mit den bereits behandelten Statuen Tassaerts, fällt zunächst das Fehlen der dort noch vorhandenen würdevollen Haltung auf.
Der General des Siebenjährigen oder dritten Schlesischen Krieges steht durchaus menschlich vor uns: Sein Gesicht spricht über einen Charakter, den der Hohn und die Zurücksetzung in seiner Jugend wegen seiner angeborenen Eigenschaften gestählt hatten: »ist gar klein und von schwacher Stimme für das Commandiren«, schrieb der spätere Feldmarschall Schwerin 1722 dem Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. über ihn. Zieten zeichnete sich aber bereits im ersten Schlesischen Krieg an der Spitze seines Regimentes, bestehend aus Berliner und Litauer Husaren, aus. In dem Moment, in dem Schadow ihn hier darstellt, sinnt er höchstwahrscheinlich über eine neue Kriegslist nach, wodurch er die verflixten Österreicher irreführen könnte.
In einer Zeit wie unsere, die dem Begriff des Kunstwerkes keine Grenzen setzen möchte, hört sich das künstlerische Credo Schadows mindestens anachronistisch oder geradezu haarsträubend an: Er sah »die wahre Kunst gerade in der Wiedergabe der Wirklichkeit«. Wie bereits erwähnt, ist es Tassaert zu verdanken, die Generäle aus ihrer barocken Haltung und römischen Gewändern befreit zu haben. Schadows Verdienst ist es aber, dass die zeitgenössische Kleidung sowie die individuelle und naturalistische Darstellung zum Programm erhoben wurden.
Sein strenger Naturalismus, seine Weigerung, Preußens Helden zu glorifizieren, entsprach später immer weniger dem Zeitgeist und der Auffassung der höfischen Auftraggeber. Zu seinen Kritikern gehörte auch Goethe, der den nüchternen Berliner Realismus gering schätzte. Die Antipathie entbehrte nicht den persönlichen Hintergrund. Als der Bildhauer ihn in Weimar besuchte, fand der große Dichter seinen Wunsch, nämlich für die geplante Büste zuerst und unverzüglich seinen Kopf vermessen zu dürfen, unhöflich und unangebracht. Die zwanzig Jahre später doch angefertigte Büste widerspiegelt vielleicht auch die Rache des Künstlers: »Die Wiedergabe der Wirklichkeit« besteht diesmal darin, dass er den in anderen Darstellungen vergötterten Dichter eingezwängt in seine Uniform und damit in sein Leben als Hofrat zeigt.
Hans Uhlmann
Freiplastik Hansaviertel, 1958
Hansaplatz, Grünanlage Bartningallee/Altonaer Straße
Erster Anlauf
Die Arbeit Hans Uhlmanns steht auf dem Hansaplatz, als Beispiel für die ersten Ufos der modernen Kunst nach dem Weltkrieg im öffentlichen Raum, für »die Invasion aus dem Atelier«, wie diesen Prozess Walter Grasskamp nannte. Es ist ein Platz, der seine Konturen nicht findet, der nicht weiß, wo er beginnt und endet. Eher eine Kreuzung, umgeben von launenhaft verstreuten Grünstreifen, Wohnhäusern, die mit ihren Ecken auf breite Straßen zeigen, sowie von Gemeinschaftseinrichtungen.
Der Hansaplatz ist das Zentrum des Hansaviertels, das in der zweiten Hälfte der fünfziger Jahre die Antwort West-Berlins war auf die Stalinallee, das vom Stalin-Barock geprägte Prestigeprojekt Ost-Berlins. So hätte der ganze Westteil der Stadt ausgesehen, wären nach dem Weltkrieg die Pläne Hans Sharouns und seiner Kollegen Wirklichkeit geworden.
Die geistige Quelle des Hansaviertels ist die Charta von Athen, das Kommunistische Manifest des Wohnungsbaus. Keine Frage: Der Autor dieser Verlautbarung, die große Gestalt der klassischen Moderne der Architektur, reagierte auf einen unhaltbaren Zustand, das Massenelend der durch die Industrialisierung angeschwollenen Großstädte. Die nach seinem Sinne modernen Wohnviertel haben jedoch die unmenschliche Grausamkeit durch komfortables Grauen abgelöst. Damals haben wir, da drüben, gedacht, dass die Platte, die uniformierte Enge, der adäquate Wohnort des Sozialismus wäre. Das war es ja auch, aber schließlich doch nur eine Kopie: Auch diese Utopie entstand im Westen, und man musste deren Folgen so richtig im Osten ausbaden.
Die Losung der kommunistischen Utopie ist die Gleichheit, die der Charta von Athen das menschliche Maß. Corbusier hat es ausgerechnet: Es war, in Innenhöhe ausgedrückt, zwei Meter sechsundzwanzig. Warum gerade so hoch? Damals, die Menschen waren noch kleiner, hätten auch zwei Meter ausgereicht, sogar noch weniger, denn in einer Wohnung sitzt oder liegt man normalerweise. Sich aufzurichten hat man doch genug Gelegenheit auf dem Weg zur Arbeit. Man hätte dadurch wahnsinnig viel Energie sparen können.
Die Ingenieure der Stadt übertrugen die Prinzipien des Industriebetriebes – Rationalität und Funktionalität – auf die Architektur. Wie die Arbeit im Betrieb, mussten auch die Lebensfunktionen aufgeteilt werden: hier der Wohnort, dort die Arbeit und wieder anderswo die Freizeitbeschäftigung. Wie Laufbänder transportierten die Untergrundbahnen und die Schnellstraßen die funktionalisierten Menschen.
1995 wurde das ganze Viertel zum Denkmal erklärt. An seiner Planung beteiligte sich beinahe jeder, der damals in der modernen Architektur einen Namen hatte. Und wie angesichts des neuen Potsdamer Platzes kann auch hier festgestellt werden: Man wollte hoch fliegen und hat doch flach gelandet.