Hans Ulrich Süss

Der Aufstieg des Karl Ernst Schober


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seinem Bereich. Das Thema 'erfolgreich und rasch' wollte er deshalb nicht vertiefen; es könnte unangenehm für ihn selbst werden. Wenn der Unterholzer so weiter schwärmte, dann war möglicherweise die Frage nicht weit weg: 'Und wann sind Sie bei Schobers Kollegen endlich auch soweit?' Nein, das wäre unschön. Er hatte von Dr. Schwalbe schon wieder einen Kommentar zum Personalabbau und der Restrukturierung erhalten, der definitiv nicht gefallen hatte.

      Schwalbe hatte sich zu der Aussage verstiegen: "Mir ist das ganz klar, wir werden außer wertvoller Arbeitskraft im Labor nichts verlieren. Die Herren Direktoren wechseln höchsten Mal die Position. Das wird am Geldverschwenden kaum etwas ändern. Ob einer als Chef der Hauspost, der Dampferzeugung oder der Personalabteilung sein Geld verdient, ist unterm Strich doch egal. Das ist wie vor einer Voliere, man klatscht in die Hände, alle fliegen hoch, sitzen aber gleich wieder, nur möglichweise etwas mehr oben, oder links oder rechts! Man kann von Glück sagen, wenn mal einer tot von der Stange fällt. Dumm nur, selbst dann wird der meist sofort ersetzt."

      Heumann konnte sich den Hinweis nicht verkneifen: "Sie reden sich um Kopf und Kragen, mein lieber Schwalbe. Mässigen Sie sich bitte im Interesse unserer Abteilung!" Den Hinweis auf einen möglichen Schaden für Schwalbes Karriere verkniff er sich, er wusste so gut wie Schwalbe, da kommt nichts mehr, in seinem Alter. Heumann dachte, 'der hat's im Prinzip gut, der kann frei reden!'

      3. Ausland light

      Heumann fand den Schober langsam unheimlich. 'Den muss ich wegloben, sonst falle ich dem auch bald zum Opfer, der geht über Leichen', dachte er. Als er von einer freien Stelle bei der Tochtergesellschaft in Paris hörte, suchte er nach einem Vorwand, um die Idee des Transfers von Schober nach Frankreich bei Unterholzer zu lancieren.

      "Man könnte sagen, es sei zu früh", begann er, "andererseits hat die Effektivität von Schober gerade in Personaldingen gezeigt, er ist zu Führungsaufgaben prädestiniert. Da Auslandserfahrung ja eine Voraussetzung für die interne Karriere ist, denke ich, man sollte die Gelegenheit dieser Vakanz in Paris nutzen…." er senkte die Stimme und wartete auf eine Reaktion Unterholzers.

      Der war in Gedanken gerade ganz anders beschäftigt, er dachte an seinen nächsten Firmenwagen, es gab da den neuen Siebener, mal was anderes als immer nur Benz, deshalb antwortete er eher uninteressiert: "Ja, Auslandsaufenthalt, mhh, ja, nicht schlecht."

      "Dann kann ich davon ausgehen, Sie sind einverstanden?"

      Jetzt wurde Unterholzer wieder wach: "Was meinten Sie präzise?" fragte er nach.

      "Es erscheint mir eine gute Gelegenheit den Dr. Schober auf der freien Position in Paris Auslandserfahrung sammeln zu lassen, Sie haben doch eben positiv reagiert, oder nicht?"

      Unterholzer hatte schon einen anderen Kandidaten ins Auge gefasst, daran dachte er kurz. Gegenüber Heumann wollte er sich aber weder unkonzentriert, noch sich selbst widersprechend zeigen – das wäre ja noch schöner – deshalb stimmte er Heumann zu. "Ja, das ist ein guter Vorschlag, ich sagte ja selbst schon, der Schober hat das Zeug für höhere Aufgaben!"

      Schober war nicht sehr überrascht, als er von Heumann über die mögliche Versetzung informiert wurde, er hatte ja oft genug sein Interesse an einer Karriere außerhalb der Forschung laut geäußert. Die Aufgabe bei Krauth war sichtlich kaum geeignet sich zu profilieren, denn ohne das Geld vom BMFT wäre das Thema vermutlich schon als ziemlich aussichtslos beerdigt worden. Es war sinnvoll, zeitig die Kurve zu kratzen, denn es bestand die Gefahr, mit dem Misserfolg direkt in Verbindung gebracht zu werden. Überrascht war Schober nur über den Ort und die Aufgabe.

      "Paris ist nicht unbedingt der ideale Standort für mich. Ich hatte eher an die USA gedacht, dort haben wir Werke und eine Vertrieb, der könnte ich meine Englischkenntnisse weiter ausbauen. Französisch kann ich nicht. Das gab es bei uns in der Schule nicht", sagte er entschuldigend zu Heumann. Er hatte es abgewählt, um präzise zu sein. Sein Vater hatte ihm ein paar französische Zeilen vorgelesen und der Unterschied zwischen Schreibweise und Aussprache war ernüchternd groß. So etwas lernen, das ist eine Zumutung, hatte er gedacht.

      "Ach, das kann man lernen", meinte Heumann, "Außerdem, so wie ich es verstanden habe, ist Ihre Position wäre in erster Line eine Verbindungsaufgabe. Sie wissen, wir haben den Laden gerade übernommen und es ist wichtig, Verfahren und Qualitäten abzugleichen und die Analysenstandards zu vereinheitlichen. Ein wenig französisch müssen Sie reden, aber nichts schreiben. Sie haben dafür zu sorgen, dass die entsprechenden Kollegen zusammenkommen und das Prozedere dazu sich nicht allzu lange hinzieht. Gerade da sehe ich Sie hervorragend positioniert. Ihre rasche Auffassungsgabe und Ihre Dynamik werden dort gebraucht, um das Personal zu aktivieren!" Heumann war sich sicher, das hörte der Schober gern.

      Trotzdem sprach Schober sofort auch das Thema Umzug an: "Es gibt da ein kleines Problem. Wir haben gerade ein passendes Haus gekauft, um aus der Mietwohnung heraus zu kommen. Eingezogen sind wir noch nicht, es wird erst in fünf Monaten frei sein. So Anfang November. Meine Frau hätte sicher ein Problem mit dem Wechsel zu diesem Zeitpunkt."

      "Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie umziehen müssen, Paris ist doch um die Ecke. Sie können sicher alle zwei Wochen über das Wochenende heimfliegen. Ganz abgesehen davon, Ihre Koordinierungsaufgabe führt vermutlich sowieso zu vielen Reisen zwischen Paris und Frankfurt. Ich kann mir sehr gut vorstellen, Sie sind nahezu jedes Wochenende zuhause. Sie müssen doch nur Ihre Termine entsprechend legen." Heumann gab sich alle Mühe, die neue Aufgabe gut aussehen zu lassen. Er fuhr fort: "Sie sollten zunächst mal einen Kurs französisch belegen, fragen Sie mal bei unserer Mitarbeiterförderung nach. Die bieten Kurse mit drei oder vier Wochen Aufenthaltsdauer an der Côte d'Azur an. Das wird sicher sehr schön für Sie! Holen Sie zur letzten Woche doch Ihre Familie nach!"

      Schober fuhr in Gedanken nach Hause. Beinahe hätte er eine rote Fußgängerampel überfahren. Zum Glück trug die alte Schachtel, die ihr Fahrrad schob, so auffällig bunte Klamotten, dass sie ihm gerade noch auffiel. Als er mit quietschenden Reifen zum Stehen kam rief sie: "Rowdy!" Er war so perplex, er hob sogar entschuldigend die Hand. Nicht wie sonst, dachte er. Normalerweise hätte er zurückgeschimpft. 'Mit meinen wachsenden sozialen Status, kann ich in solchen kleinen Dingen jetzt hin und wieder Großzügigkeit zeigen', dachte er.

      Zu Elsbeth sagte er "Ich habe zwei interessante Nachrichten, welche willst Du zuerst hören?"

      "Die interessantere, natürlich", antwortete sie.

      "Das hängt jetzt davon ab, was Du für interessant hältst", Schober versuchte abzuwägen. Dann entschied er sich für seine Karriere und gegen den Umzug ins neue Haus in seiner Abwesenheit: "Also, ich mache den nächsten Sprung nach oben auf meiner Karriereleiter, ich gehe nach Paris in unsere neue Filiale."

      Elsbeth blieb die Spucke weg. "Willst Du mich aufziehen? Was soll denn das?"

      Schober sah sich genötigt, doch etwas mehr zu erklären: "Du wirst demnächst unter der Woche mit Jasmin öfter alleine sein. Ich mache den für meine Karriere unbedingt erforderlichen Auslandsaufenthalt nämlich in Paris. Deshalb kann ich jedes Wochenende zuhause sein."

      Elsbeth begann zu protestieren: "Wieso kommt das jetzt? Genau dann, wenn wir eigentlich ins eigene Haus ziehen wollen? Wer denkt sich denn so was aus?"

      Schober dachte, 'mein Gott, sieht sie denn nicht, das ist unumgänglich für meinen Aufstieg? Diese Frau ist einfach egozentrisch! Immer muss es nur um sie gehen. Wenn ich aufsteige, dann geht sie doch mit, sie steht direkt neben mir mit im Licht!'

      Er begann zu erklären: "Jetzt beruhig Dich erst mal. Das wird alles ganz toll. Es ist ein Kick für meine Karriere schon jetzt, nach nicht mal vier Jahren, ins Ausland zu gehen. Und Ausland heißt in diesem Fall nur Paris, das ist doch ganz nah. Ich soll im Oktober dort anfangen, das gibt uns viel Zeit noch etwas vorzubereiten. Wir können in unser Haus einziehen, wie geplant."

      "Ich finde trotzdem, das ist ein Witz. Warum sagt Dir das keiner vorher? Die haben eine Planung in Deiner Firma, unter aller Kanone!"

      "Also