Hans Ulrich Süss

Der Aufstieg des Karl Ernst Schober


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Glück konnte ich einspringen und die Schwierigkeiten beseitigen. Mit Personalproblemen und Menschen, da kann ich gut. Das ist eine meiner Stärken."

      "Das bringt mich auf eine Position, die bei uns bald besetzt werden soll", sagte Seeberger zu diesem statement Schobers, "wie ich gehört habe, möchten der Unterholzer vom Vorstand und der Geschäftsgebietsleiter Pfleiderer die Nachfolge von meinem obersten Chef sehr frühzeitig regeln. Dem Unterholzer ist aufgefallen, allzu dick ist die Personaldecke nach den Abbauaktionen nicht mehr und strategisch ist unser Bereich ganz wichtig."

      "Also eigentlich bin ich ja mindestens zwei Jahre hier", antwortete Schober, "ich bin nicht sicher, ob das sinnvoll ist, jetzt schon nach etwas anderem zu suchen?"

      "Vielleicht sollten Sie sich trotzdem bewerben", schlug Seeberger vor, "wenn Sie gerne mit Personal arbeiten und strategisch planen wollen, dann wäre das vielleicht etwas."

      Wegen seines noch schlechten Gewissens lud Schober Elsbeth nach Paris ein. Der Frühsommer war passend, Töchterchen Jasmin durfte mitkommen. Er begann mit den üblichen Besichtigungen, nur um rasch zu erkennen, der Louvre und die Tullerien waren nicht sehr spannend für Kindergartenbesucher. Elsbeth schlug als bessere Alternative für den nächsten Tag den Besuch von Disney World vor. Für Jasmin war das genau richtig, sie amüsierte sich hervorragend. Schober langweilte sich mächtig. Nach einem guten halben Tag schützte er einen wichtigen Anruf vor und verschwand ins Büro. Elsbeth war darüber sogar glücklich, denn sein langes Gesicht drückte mächtig auf die Stimmung.

      Am Abend kam es zu einer unerwarteten Begegnung. Schober hatte für Elsbeth und Jasmin eine Überraschung fürs Abendessen, man fuhr mit dem Schiff, einem der bateaux-mouches, auf der Seine. Es war eine gelungene Bootsfahrt bis ihm zwei Tische weiter Jeanette ins Auge fiel, die dort mit einem Herrn saß, der ihm den Rücken zuwendete. Zum Glück schien sie ihn nicht zu beachten. Im wurde heiß und kalt und er sah etwas zu oft hinüber, Jasmin fiel es auf.

      Sie fragte: "Papa, kennst Du die Frau da drüben?" Daraufhin drehte sich Elsbeth um und blickte in die Richtung: "Welche Frau meinst Du, Jasmin?"

      Jasmin meinte: "Na, die da drüber mit der komischen Frisur und dem kurzen Kleid! Die hat ganz hohe Schuhe an."

      Elsbeth versuchte unauffällig über ihre Schulter zu sehen, was ihr nicht gelang.

      Schober wollte schon heftig verneinen. Dann besann er sich und versuchte eine Vorwärtsstrategie: "Ich kenne sie nicht, aber sie erinnert mich an die Frau eines unserer amerikanischen Kunden, die von Mr. Bishop. Deshalb hab ich immer wieder hingesehen und überlegt, ob sie es ist der nicht. Aber das kann ja überhaupt nicht sein, der Bishop ist schon wieder in den USA!" Zum Glück wollte Jasmin ein großes Eis zum Nachtisch, das genügte um Elsbeth abzulenken.

      Da das Bewirten und Bootfahren auf Dauer ziemlich langweilig wurde, erschien Schober die Zeit in Paris bald mehr als Leerzeit, denn als Lehrzeit. Schober brütete nicht lange über die Option sich für die Stelle in Seebergers Bereich zu bewerben. Erstens hatte er bei Unterholzer vermutlich einen guten Ruf als Folge seiner schnellen Aufräumaktion beim Personalabbau und zweitens wurde ihm die Vermittlung beim Einführen neuer, einheitlicher Standards langweilig. Das Ende war abzusehen, viel gab es nicht mehr zu tun. Er beschloss, sich mit dem Argument zu bewerben: 'Arbeit erledigt, möchte mich nicht auf Kosten der Firma langweilen, suche deshalb neue Aufgabe mit Herausforderung'.

      Er lernte Details zur der offenen Stelle beim Gespräch mit Pfleiderer und Lübmüller. Es war nicht wirkliche eine vakante Stelle, eher eine weitere Warteposition. Für die Karriere war es wichtig, seinen Auslandsaufenthalt in der Personalakte dokumentiert zu haben. Der war kein Wert an sich, es genügte eine Position durchlaufen zu haben. Schober war sich sicher, in der Zentrale hatte er jede Menge Gelegenheit die gewonnenen Kontakte, zum Beispiel zu Unterholzer oder Hohlenberger, zu nutzen und weiter auszubauen.

      Elsbeth erklärte er die Vorteile: "In der Zentrale, da treffen sich alle, besonders, wenn es um Entscheidungen für Karrieren und für Investitionen geht. Wer dort zur richtigen Zeit gesehen wird, ist fast schon befördert."

      "Aber dafür hast Du dann einen deutlich weiteren Weg von zuhause zur Arbeit", Elsbeth erkannte die Nachteile.

      "Das spielt überhaupt keine Rolle. Du musste das Positive sehen, ich werde nicht mehr nur am Wochenende zuhause sein, sondern praktisch jede Nacht! Schließlich kann ich mit der Bahn fahren. Wenn ich erst meinen Firmenwagen hab, sind die paar Kilometer sind mit dem Auto doch ein Klacks!"

      Schober dachte an die vielen internen Veranstaltungen, bei denen er Präsenz zeigen konnte. In der ersten oder zweiten Reihe konnte er sitzen, gesehen werden und durch klug gestellte Fragen auffallen. So wie früher, bei den Seminaren der Forschung. Nicht zuletzt konnte er versuchen, Hohlenberger auf den Gängen des Vorstandsbereiches 'zufällig' begegnen. Den Aufhänger 'Jagd' konnte er immer einsetzen, um selbst auf der Treppe ein gutes Gespräch zur Profilierung zu starten. Es war völlig sekundär, welche Aufgabe er in der Zentrale wahrnahm, Hauptsache war, seine Anwesenheit wurde registriert.

      Eines aber änderte er noch, bevor er spät im Herbst in der Zentrale begann. Er kaufte sich neue Schuhe mit dicken Sohlen und neue Anzüge. Mit den nunmehr über 1,70 Metern startete er in die neue Aufgabe mit einem deutlich gehobenen Selbstwertgefühl! Für neue Anzüge gab es einen weiteren guten Grund, die alten spannten über dem Bauch. Sal appétit vorace!

      4. Kaufmännische Verantwortung

      Lübmüller, Schobers neuer Chef trug Verantwortung für ein größeres Arbeitsgebiet, er würde wahrscheinlich noch weitere fünf Jahre bis zu seinem Ruhestand bleiben. Deshalb bot die neue Aufgabe zunächst nur eine zeitlich entfernte Aufstiegschance. Bei seinem ersten Gespräch mit Lübmüller hatte dieser einen umgänglichen Eindruck gemacht. Er meinte, Schober sollte zunächst mal den Bereich kennen lernen und danach in Teilbereichen eigenverantwortlich Aufgaben übernehmen.

      Schober gab am Abend nur gute Nachrichten an Elsbeth: "Das war ein richtig cooler Start heute morgen. Ich bin ziemlich sicher, der Lübmüller frisst mir aus der Hand. Der ist so zahm, ich glaube, der schickt Fliegen eine Warnung, bevor er nur mit der Fliegenklatsche wedelt. Der hat mir gesagt, ich soll mir in aller Ruhe mal alle Bereiche, Aufgabengebiete und Produktionsstätten ansehen, alleine dafür würde ich ein halber Jahr brauchen. Eines scheint sicher, Stress wie bei Krauth werde ich hier wohl kaum haben."

      "Aber da wird doch sicher auch viel verlangt, auf der kaufmännischen Seite, die kennst Du doch noch nicht? Das kann doch nicht so einfach sein?" Elsbeth hatte Zweifel.

      "Klar, das Ergebnis muss stimmen. Aber das plant der Lübmüller offenbar selbst, dem lässt der Pfleiderer wohl freie Hand. Der hat anscheinend auch keinen Druck von Unterholzer, der macht lieber in Forschung. Das hat mir früher schon mal der Heumann erzählt. Der meinte, im Grunde ist der Unterholzer zwar im Vorstand, aber im Geiste forscht der noch. Der hat 'ne Riesenfreude daran Elektronenpaare herum zu schieben und Reaktionen zu skizzieren."

      "Aber Du hast doch gesagt, es werden strenge Zielvorgaben gemacht?"

      "Mir hat der Lübmüller erzählt, er würde sehr konservativ planen und seine Chefs immer mit einem Ergebnis deutlich über Plan überraschen und erfreuen. Der Lübmüller scheint gerne auf der sicheren Seite zu agieren. Er vergibt Lizenzen für unsere Technologie und argumentiert, 'eine Lizenz bringt garantierte Erlöse, ein neues Geschäft aufbauen, birgt Risiken'. Damit kommt er wohl durch bei Pfleiderer und Unterholzer."

      "Wieso ist das schlecht, Geld mit Lizenzen zu verdienen?"

      "Schlecht ist das nicht. Es nur sehr wahrscheinlich mehr zu verdienen, wenn man ein Geschäft selbst macht. Also eigentlich verschwendet der Lübmüller Ressourcen. Aber viel eigenartiger ist die Geschichte mit der Gewinnerwartung. Erst tiefstapeln und dann gefeiert zu werden, wenn das Ergebnis besser ist, als geplant, das finde ich, ist schon einen Witz. Das zeigt doch nur, die Planung war falsch!"

      "Da gibt es sicher was zu tun für Dich, Karlchen", beendete Elsbeth das Gespräch. "Heute hat Jasmin ein Lob aus der Vorschule mitgebracht. Sie hat das beste Bild von allen gezeichnet!"

      Schober