Hans Ulrich Süss

Der Aufstieg des Karl Ernst Schober


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hörte dieses Lob gerne, zu häufig kam sowas nicht vor.

      Als er am Abend nach Hause kam, war Schober voller Überschwang: "Elsbeth, das musst Du Dir jetzt sofort anhören", rief er schon in der Tür. Elsbeth war nicht sofort bereit für seinen Bericht, sie rief: "Lass mich Jasmin gerade noch zu Bett bringen, dann komm ich gleich! Willst Du sie denn nicht nochmal sehen?"

      "Nein, heute nicht", war Schobers kurze Antwort. Er zog seine Straßenschuhe aus und wartete ungeduldig. Als Elsbeth endlich erschien war selbst sein Begrüßungskuss nur angedeutet. Er begann sofort voller Euphorie zu erzählen: "Du kannst Dir nicht vorstellen, was das für ein Ding wird", begann er. "Die letzten Resultate sind richtig gut, eine höhere Ausbeute, die etwas her macht. Damit lässt sich der Durchsatz ohne große Kosten deutlich steigern, da sparen wir Investitionskosten. Und alles, weil die Seifried sich gelangweilt hat und den Versuchsplan einfach mit dem Zusatz von TBH nochmal wiederholt hat."

      lsbeth war nicht begeistert: "Ach, Du redest von Deiner Forschung, ich hab' erwartet es geht auch um uns."

      Schober ignorierte den Einwand, diese Frau konnte schon nerven, wenn sie immer auf sich selbst hinwies! Er holte Luft und begann seine Vorstellungen zu entwickeln: "Da werde ich ein Patent anmelden. Nach dem Arbeitnehmer-Erfindergesetz kann das richtig Kohle bedeuten. Ich muss nur dafür sorgen, dass alle unsere Anlagen mit dieser Modifikation arbeiten." Er dachte kurz nach und fuhr fort: "Das krieg ich hin, wenn ich den Heumann als Miterfinder benenne. Dann hat der auch Interesse an der Anwendung."

      Seine Frau sah ihn an und meinte: "Wenn ich Dich eben richtig verstanden habe, hatte doch die Frau Seifried die Idee. Ist die dann nicht die Erfinderin?"

      Schober war kurz irritiert und meinte dann: "Ach was. Eine Laborantin erfindet doch nichts." Das war das falsche Argument, Elsbeth wurde sauer: "Also ich bin, das heißt, ich war, auch Laborantin, warum soll ich nichts erfinden können?"

      Schober wollte keinen Ärger mit seiner Elsbeth, er lenkte ein: "Nun ja, vielleicht hast Du Recht. Du kannst sicher etwas erfinden, etwas ganz besonderes, sicher. Außerdem werde ich einfach Frau Seifried mit in das Patent aufnehmen. Diese Erfindungen sehen wir, soweit ich weiß, als einen zusammenhängenden Komplex an, bei dem auch der ursprüngliche Aufgabensteller beteiligt ist. Deshalb kann auch der Heumann damit rechnen, dass er auf dem Patent mit drauf ist. Das ist immer gut, auch den obersten Chef einzubeziehen."

      Elsbeth setzte nochmal nach: "Und die Frau Seifried ebenfalls, das ist doch wohl klar." Schober entlockte das ein: "Selbstverständlich."

      Für die Vorbereitung der Präsentation dieser Resultate vor den Kollegen und dem Heumann nahm sich Schober Zeit, er wusste, es kam nicht auf Geschwindigkeit oder Genauigkeit an, sondern auf eine gelungene Darstellung. Er zeigte seine Ergebnisse auf bunten overhead-Folien, mit viel schmückendem Beiwerk, Literaturreferenzen und pointierter Überhöhung der erzielten Verbesserung. Der Seminarbesuch hatte sich gelohnt. Die Verbesserung von Ausbeute und Durchsatz ließ sich einfach extrapolieren. Da es sich um ein Verfahren handelte, das schon eingesetzt wurde, konnte er die potentielle Verbesserung auf alle vorhandenen Anlagen der Firma umlegen. Dadurch wurde der Effekt zu einem sehr sichtbaren Gewinn in barer Münze. Ohne Investition deutlich mehr zu produzieren, das sparte Kosten.

      Schober blickte in die Runde und bemerkte, sogar der sonst desinteressierte Bauer hatte zugehört. Heumann war richtig entzückt: "Schober", sagte er, "das ist es genau, was ich für meine nächste Darstellung zur Effizienz unserer Forschung beim Vorstand brauche. Wir müssen dort einfach öfter zeigen, wie toll wir arbeiten. Geben Sie mir doch mal die wichtigsten Folien, aber lassen Sie bitte diese wissenschaftlichen Details weg, die versteht sowieso keiner. Der Unterholzer tut zwar immer so, als wäre er noch voll drin in der Chemie, aber das glaubt der nur. Stellen Sie sich vor, als wir vor kurzem über eine physikalisch unmögliche Reaktion diskutierten, da wollte der doch glatt, dass wir 'die Natur überlisten'. Der glaubt, weil er unser Vorstand ist, kann er sich von uns ein perpetuum mobile bauen lassen und den zweiten Hauptsatz der Thermodynamik auf den Kopf stellen! Aber die Erfolgstory, die er unbedingt will, die soll er hiermit bekommen! Damit sichern wir uns unser Budget für das nächste Jahr, trotz dieser schwierigen Zeiten!"

      Drei Tage später sprach Thiele Schober auf dem Gang an: "Mir ist da noch etwas eingefallen. Bei den Versuchen, die Sie gemacht haben, ist der Durchsatz ja richtig in die Höhe geschossen. Haben Sie da keinen Effekt auf die Produktqualität gesehen?"

      Schober hatte diese Frage schon beim der Präsentation erwartet, deshalb war er vorbereitet: "Eine leicht erhöhte Menge von Nebenprodukt haben wir gefunden. Aber nichts, was im üblichen Aufbereitungsprozess nicht beseitigt werden könnte. Man muss diesen Schritt nur konsequent betreiben." Thiele schien erstaunt, war aber zufrieden mit der Antwort. Schober dachte, es ist wirklich total einfach mit Halbwahrheiten durchzukommen, man stellt etwas einfach in den Raum und keiner stellt es in Frage, das ist schön!

      Von seiner Besprechung mit Vorstand Unterholzer kehrte Heumann freudig zurück. Er kam direkt in Schobers Büro. "Das hat wirklich gut geklappt", meinte er zu Schober: "der hat die Folien und die Botschaft komplett und glatt geschluckt, es war ganz einfach! Nicht mal die üblichen Bedenken hat er geäußert. Ich hab's gewusst, mit solchen Daten und Folien kann man auch den Unterholzer überzeugen! Der Unterholzer glaubt wieder daran, das Geld für unsere Forschungsabteilung ist genau richtig ausgegeben, ich muß diese Kosten jetzt erst mal nicht ständig rechtfertigen."

      Schober schrieb ein Patent zur Verfahrensvariante und meldete als Erfinder seinen Chef Bauer, den Heumann, sich selbst und, in einer großzügigen Geste, auch seine Laborantin Seifried. Das brachte Pluspunkte beim Leiter der Forschung. Heumann lobte Schobers soziale Kompetenz, als dieser den Bogen mit der Erfindungsmeldung in seinem Büro vorbei brachte. "Das machen Sie ganz richtig, Schober," meinte er, "binden Sie Ihre Mitarbeiter ein, wir müssen den Teamgeist fördern, schließlich sitzen wir doch alle im selben Boot, nicht wahr!".

      "Da haben Sie wirklich Recht, Herr Dr. Heumann", antwortete Schober höflich, "wir dürfen aber diese Nähe nicht übertreiben. Ich habe vor, bei der Gewährung von freien Tagen zum Gleitzeitausgleich strengere Maßstäbe anzulegen. Nach meinem Gefühl wurde das bisher viel zu großzügig gehandhabt, um nicht zu sagen: lasch. Wenn ein Mitarbeiter jeden Monat einen kompleten Tag zuhause bleibt und zudem freitags ziemlich früh geht, scheint mir das zu weit zu gehen!"

      Heumann strahlte: "Genau was ich schon immer sage, diese Regeln, die mit dem Betriebsrat vereinbart wurden, sie gehen einfach zu weit! Das gefällt mit, Schober, bleiben Sie dran! Lassen Sie sich aber nicht hinreißen, offen gegen die Vereinbarung zu agieren, das geht schief, da fällt Ihnen der Standortchef in den Rücken! Aber man darf durchaus den Interpretationsspielraum nutzen und restriktiver vorgehen. Ich finde, das macht keinen guten Eindruck, wenn freitags am Nachmittag das Labor leer steht. Selbst unter der Woche finde ich bei meinem Rundgang nach fünf Uhr niemanden!"

      Schober ging, gestärkt durch den gefühlten Rückenwind von Heumann, umgehend in sein Labor und erklärte seinen Mitarbeitern die neue Interpretation der Gleitzeitregeln.

      "Unser oberster Chef wünscht sich mehr Anwesenheit im Labor", verkündete er, "ich stimme ihm dabei in vollem Umfang zu. Es sieht einfach sehr schlecht aus, wenn man am Freitag ab 13 Uhr nur noch leere Laborräume vorfindet."

      Frau Seifried verstand die Konsequenz als erste. Sie sagte: "Wenn wir freitags länger bleiben müssen, dann haben wir am Monatsende noch mehr Stunden auf dem Konto. Dürfen wir dann jeden Monat einen Gleittag zum Zeitausgleich nehmen?"

      Dies hatte Schober nicht bedacht. Er war irritiert und antwortete spontan: "Nein, natürlich nicht. Die Anzahl der Gleittage soll nicht steigen. Sie sollten am Morgen später kommen."

      Frau Seifried gab nicht klein bei: "Das verstehe ich nicht. Die Gleitzeitregelung erlaubt es doch früh zu kommen. Wenn die Uhr am Morgen ab 6 Uhr unsere Zeit zählt, dann darf ich doch schon anwesend sein, oder? Und meine Arbeitszeit von 40 Stunden pro Woche, das sind acht pro Tag, ist selbst mit der Frühstücks- und der Mittagspause schon um viertel vor drei erreicht. Ich gehe meistens um halb vier, das ergibt jeden Tag eine dreiviertel Stunde mehr, als erforderlich. Um die Versuchsprogramme zügig durchzuführen, ist das auch sinnvoll."

      Schober