Hans Ulrich Süss

Der Aufstieg des Karl Ernst Schober


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Elsbeth sagte Schober am Abend: "Ich bin der richtige Mann für den Vorstand, das ist mir jetzt völlig klar." Elsbeth sah ihn erstaunt an: "Wieso denn?"

      "Diese Typen sind ein Witz. So trivial und gleichzeitig so von sich und ihrer Wichtigkeit überzeugt, es ist nicht zu glauben."

      "Kannst Du mir das erklären?" Elsbeth war nicht bereit, einfach 'ja' zu sagen.

      "Der Hohlenberger hat doch tatsächlichen einen Appell zum Sparen gemacht, mit der Betonung auf Papier und Bleistiften."

      "Das ist doch gut für die Umwelt, wenn man weniger Papier verbraucht wird", Elsbeth erschloss sich Schobers Sicht noch nicht.

      "Aber es ist ziemlich kleinkariert, die Verbesserung der Geschäftslage beim Sparen von Papier und Bleistiften festzumachen. Ich sage Dir, diese hohen Herren kochen alle nur mit Wasser, so wie die kann ich es auch, nein, sogar viel besser. Und ich hätte wenigstens den Sparappell besser formuliert. Da gibt es andere Sachen, da ist wirklich mehr Potential zum Sparen drin! Da kann ich ja noch von Glück sagen, dass die mich eingestellt haben, bei dieser schlechten Lage."

      Das leuchtete Elsbeth ein: "Wenn Du mir beim Haushalt wirklich mal helfen würdest, dann würde ich Dir das mit dem Wasser kochen gern glauben. Du kannst kochen, das weiß ich vom Studium. Aber am liebsten kochst Du mit Pilzheizhaube und Rundkolben. Reicht das für die Vorstandsarbeit, mein Karlchen?"

      Schober seufzte, diese Frau hatte manchmal doch lästige Kommentare. Er wollte das letzte Wort haben und wiederholte deshalb: "So gut wie die bin ich allemal, sehr wahrscheinlich sogar besser!"

      Schober fand Gefallen am patentieren, deshalb beschrieb er weitere Verbesserungen, Varianten und Modifikationen. Das machte Eindruck, denn Patente wecken bei Menschen die Vorstelllung von hoher Kreativität, vielleicht sogar Genialität. Dr. Lippert von der Patentabteilung hatte dazu allerdings eine andere Meinung. "Was in einem Patent steht, muss nicht so funktionieren, wie es beschrieben ist. Das Patentamt prüft nicht, ob etwas geht, das Amt prüft nur, ob es neu ist. Sie sollten diese Patente besser bündeln, Herr Schober, das macht dann weniger Arbeit und verursacht geringere Kosten."

      Auf Schober hatte dieser Hinweis einen gegenteiligen Effekt. Er dachte sich, wenn ein Patent nicht wahr sein muss, dann kann ich meine Ansprüche auf Patentschutz noch lockerer und breiter formulieren. Hauptsache neu! Es machte sich einfach zu schön, wenn er beim internen Seminar wieder einmal sagen konnte: "Auch diese Verbesserung werden wir beim Patentamt einreichen." Sollten die Kollegen doch über andere Synthesewege oder neuartige Verfahren diskutieren, er machte Patente.

      So entstand fast jeden Monat ein neues Patent, bis ihn Heumann zu sich rief. Er eierte erst mal herum: "Also Schober, ich finde das phantastisch, wie kreativ Sie sind. Es ist ja inzwischen schon fast vorhersagbar, wann Sie mit einer weiteren Erfindung zu mir kommen. Ich glaube, es sind jetzt schon zehn Verfahrens- und Prozessverbesserungen, die Sie hier entwickelt haben …"

      Schober unterbrach ihn: "Um genau zu sein, ich habe in den knapp zwei Jahren in Ihrem Bereich inzwischen zwölf Verbesserungen zur Anmeldung zum Patent bei unserer internen Abteilung eingereicht, zwei Patente sind bereits erteilt."

      "Ja, das ist wirklich schön, wie viele interessante Einfälle Sie haben", antwortete Heumann, "aber da gibt es doch ein kleines Problem. Wissen Sie, diese Patente sind letztlich richtig teuer. Wenn wir die Kosten einer weltweiten Anmeldung rechnen, kommen da schon mal 10.000 bis 20.000 Mark zusammen. Von den laufenden Kosten zur Aufrechterhaltung will ich erst mal nicht reden. Unsere Ausgaben für Patente sind im vergangenen Jahr erheblich gestiegen und ich muss das aus dem laufenden Budget bezahlen."

      "Aber Sie sagten doch, Innovation sei vom Vorstand gefordert worden und Patente wären dabei ein wichtiger Maßstab", erwiderte Schober.

      "Das ist durchaus korrekt, der Vorstand fordert Patente, aber er fordert auch eine Kostenkontrolle. Wir sind erheblich unter Druck, die Kosten auf allen Ebenen zu vermindern", war Heumanns Antwort. "Der Vorstand hat uns aufgefordert, die Kosten zu senken, was bleibt uns anderes, als darauf zu reagieren? Ein consultant wurde vom Vorstand gebeten, eine Studie über Einsparmöglichkeiten zu erstellen, ich befürchte, das führt auch in unserem zukunftsorientierten Forschungsbereich zu einiger Veränderung."

      Schober beschloss, erst mal den Mund zu halten, bevor er etwas Falsches von sich gab. Also machte er ein interessiertes Gesicht und wartete ab. Heumann hatte auch schon einen Vorschlag: "ich weiß, Sie werden überrascht sein, wenn ich Sie jetzt innerhalb der Forschung versetze, gerade, wo Sie so erfolgreich Patent an Patent reihen. Aber jetzt wird Ihre kreative Intelligenz an anderer Stelle gebraucht. Mein Mitarbeiter, Prof. Krauth, entwickelt ein strategisches Projekt, er benötigt dringend Unterstützung."

      Bevor Schober antworten konnte, fuhr Heumann fort: "Wie Sie sicher gehört habe, gibt es beim BMFT, dem Bundesministerium für Forschung und Technologie, ein Programm zur Zukunftssicherung unseres Hochtechnologielandes Deutschland. Da sind nachwachsende Rohstoffe und sanfte Chemie ein Riesenthema. Prof. Krauth hatte da eine tolle Idee. Weil wir aber nicht sicher sind, ob wir damit wirklich Geld verdienen können, hatte der Vorstand das Projekt schon beerdigt. Aber als BMFT-Projekt entwickelt das Ganze richtigen Charme. Da übernimmt das BMFT glatt die Hälfte der Kosten. Das entlastet unser Forschungsbudget deutlich. Stellen Sie sich vor, 20 Millionen vom Bund und nur zwanzig von unserem Vorstand, das ist doch was!?"

      Heumann machte eine Pause, er dachte daran, wie toll sich dies alles zusammenfügte. Der Krauth hatte wieder Arbeit für seine Mitarbeiter, die wären sonst ohne Projekt. Da hätte ohne das BMFT vielleicht sogar ein Personalabbau gedroht. Er selbst war zwar den Schober los, aber mit ihm auch dessen Kosten. Die Diskussionen wegen dessen Patentierungswut dürfte künftig der Krauth führen.

      Im Kopf hatte Heumann die positive Botschaft für den Vorstand schon fertig: Wir sparen sofort und deutlich! Gleichzeitig würde er beim Gespräch mit Vorstand Unterholzer mächtig auf die Tränendrüse drücken und den personellen Aderlass durch Schobers Versetzung als drohenden Verzicht auf künftigen Umsatz durch den Wegfall kreativer Forschungsarbeit bezeichnen. Dort hatte der Unterholzer eine Schwachstelle, denn er konnte sich schlecht vorwerfen lassen, er riskiere mit überzogenem Sparen die Zukunft des Unternehmens. Das würde Heumann helfen, einen weiteren Abbau der Mitarbeiteranzahl zu verhindern und damit seine Position festigen! Heumann war sehr zufrieden mit sich. Personalabbau schon, keine Frage, aber doch nicht in seinem Bereich, der war viel zu wichtig!

      Schober zeigte sich der Situation gewachsen: "Wenn ich mich mit meiner Leistung bei Prof. Krauth einbringen darf, dann ehrt mich das sehr." Natürlich fragte er nach: "Darf ich davon ausgehen, die neue Position ist entsprechend besser dotiert und mein Verantwortungsbereich weitet sich aus?"

      Heumann zögerte, das ging ihm zu schnell zu weit, er antwortete: "Darüber werde ich mit Prof. Krauth umgehend reden, diese Gruppe wird sicher neu formiert, da bestehen Möglichkeiten zum Aufstieg." Das würde ein etwas schwieriger Anruf werden, denn Professor Krauth war ein von sich und seiner Wichtigkeit überzeugter Mensch, der seinen Wert für das Unternehmen sehr hoch einschätzte und sich in seine Planung ungern hineinreden ließ. Formal stand er unter Heumann, aber der hatte keinen Professorentitel. Krauth war zwar kein 'echter' Professor, aber das machte seinem Selbstbewusstsein nichts aus. Gegen eine passende Spende zur Förderung der Wissenschaft verleihen Universitäten gerne den Titel "Honorarprofessor", diesen trug Krauth. Er hatte im Semester zwei, drei Vorlesungen zu halten und dürfte den Titel ohne Nennung eines diskriminierenden Zusatzes, wie honoris causa, führen. Das war schon angenehmer als bei den h.c. Doktortiteln.

      Heumann überlegte, für den Gruppenleiter in der Forschung ist Professor ein schöner Titel, ob es dem Unternehmen nützt, ist fraglich. Aber die Uni hat mehr Geld zum Forschen und das Ego des Herrn Krauth eine hübsche Stütze. Das Projekt mit dem BMFT befreite ihn von direktem finanziellem Druck. Die andere Hälfte der Finanzierung vom Vorstand zu erhalten ist einfach und kein Geschäftsgebiet redet ihn in seine Pläne hinein. 'Strategische' Forschung befreit vom regelmäßigen Rechtfertigungsdruck für die entstehenden Kosten. Aber, dachte Heumann, er war und blieb der oberste Forschungsleiter, obwohl er selbst 'nur' den rer. nat. vorweisen konnte! Da lässt sich die Kröte mit Krauths Titel schlucken, der Krauth soll ruhig mit seinem Professortitel hausieren gehen, er,