Carsten Hoop

Caspar rund das Meer spricht Englisch


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von meinem Plan erzählte, Jacob nachhause zu holen. Zumal es seine letzte große Seefahrt werden sollte. Sehr gerne hätte ich Simon auf die Reise mitgenommen. Doch zuvor entschied er sich, seiner großen Liebe zu Nathalie Dubois nachzugeben. Inzwischen wissen wir, dass er richtigerweise auf sein Herz gehört hatte. Ich arrangierte noch vorher seine Überfahrt auf der Nantes, die bereits im Frühjahr 1756 geplant war. Jan, der Ältere, sollte wieder als Bootsmann mitfahren und wir schworen ihm diesmal, keinen weiteren Seemann namens Jan mitzunehmen. Die Sylter und Hamburger Matrosen sagten fast komplett zu. Melchior, mein treuer Begleiter und Matrose der Konstanze, sowie Hilfskoch der Nantes, erlag den Folgen seines Kanuunfalls in Amerika. Er verstarb im Frühjahr 1756 auf Sylt bei seiner Familie an einer Lungenentzündung. Er hatte sich nach dem Vorfall am Alleghenyfluss nie wieder richtig erholt. Hinzu kamen zur Mannschaft der Konstanze noch der Harpunier Jonni und der Speckschneider Jens-Olaf, beide aus Oldenburg in Ostfriesland. Sie heuerten bereits einige Male in Hamburg an. Bereits vorher sammelten sie einige Erfahrungen auf holländischen und dänischen Schiffen. Ohne mir große Hoffnungen zu machen, fragte ich auch Hannes, den ehemaligen Kanonier der Hamburger Stadtwache, der es bis zum Waffenmeister brachte. Er hatte geschworen, niemals mehr ein Schiff zu betreten. Mein treuer Gefährte Hannes und ich setzten damals als die Ersten der Mannschaft nach der Rückkehr einen Fuß auf heimatlichen Boden. Doch unser Abenteuer in Amerika hatte Hannes sehr beflügelt. Seine träge wirkende gesetzte Art, mit der er oft zu Werke ging, löste sich nach unserer Reise in Wohlgefallen auf. Wollte er sich doch eigentlich schon längst zur Ruhe gesetzt haben. Doch sein Können als Waffenspezialist verdiente nochmals beansprucht zu werden, sowie bei der ersten Walfangfahrt im Sommer vor 2 Jahren. Er war ein echter Kamerad, auch wenn er immer so tat, als ginge ihn das alles nichts an. Wir entschieden uns ohne einen Schiffsarzt fahren zu wollen, nachdem Dr. Voigt uns aus Altersgründen nicht mehr zur Verfügung stand. Aus dem gleichen Grund wird auch Heinrich Grote, der Schiffszimmerer nicht mitfahren. Doch unser Matrose Cord könnte seine Rolle an Bord übernehmen, nachdem er bei Hein Grote sich manches abgeschaut hatte.

      5. Fishbones Welt

      Ein paar Tage später liefen wir in London mit unserem Walfänger Konstanze ein. Nach etlichen Kontrollen auf der Themse und erstaunten Gesichtern der Zöllner, die selten einen Walfänger mit Leinenballen als Fracht sahen. Peter Fishbone, von Fishbone & Sons, nahm uns in Empfang. Peter war der Mittlere von drei Söhnen der alt eingesessenen Kaufmannsfamilie. Er breitete seine großen sommersprossigen Arme aus, sobald er uns erkennen konnte. Wollte er das ganze Schiff umklammern? Peter entging nicht, dass wir mit einem Walfänger gekommen waren. Sein fragender Gesichtsausdruck verriet uns seine skeptischen Gedanken, die denen der Zöllner ähnlich waren. Sollten etwa auf dem hässlich gestrichenen Walfänger meine Leinenballen aus Schlesien sein?

      „Wo sollen wir den Waltran abladen, Peter?“, hörte er auch prompt und die Mannschaft der Konstanze übertraf sich gegeneinander im Grinsen, Feixen und Pusten.

      „Ich glaub dir das nicht, Caspar! Wo sind meine schlesischen Leinenballen?“, antwortete er und kratzte sich den rotblonden lockigen Schopf, der seinen ratlosen Gesichtsausdruck großzügig umhüllte.

      „Das klärt sich alles auf“, beschwichtigte Kapitän Broder, der mit seiner krächzenden Stimme kaum zu hören war. Mister Fishbone sprang auf das Deck und öffnete eilig eine Luke, die einen Blick auf die Ladung zuließ. Er sah, was er sehen wollte, und schmunzelte den bekannten Gesichtern von Hinrich und mir zu.

      „Sind euch die passenden Schiffe ausgegangen oder wollt ihr ins Eismeer segeln?“, überspielte er die für ihn knifflige Situation.

      Schon bald saßen Peter Fishbone, Kapitän Broder, Hinrich und ich in einem Wirtshaus und tranken das berühmte Londoner Schwarzbier. Leider verdarben die Briten ihr Bier mit exotischen Gewürzen aus Ostindien. Immer neue Rezepte änderten nichts an den Grausamkeiten, die sie ihrem Bier antaten. Zum Glück konnten wir auch das Bier ohne Veredelung bestellen. Ich erzählte ihm von meinen Plänen und Peters alles einnehmenden, buschigen Augenbrauen bewegten sich zur Stirn und wieder zurück. Die weit aufgerissenen Augen sorgten unterstützend für einen staunend überraschten Gesichtsausdruck. Er witterte zu Unrecht eine neue Falle und durchleuchtete unsere Gesichter.

      „Du kommst auf Ideen, Caspar! Klar, dass ich dir helfe - irgendwie zumindest. Doch ich muss, genauso wie ihr es machen würdet, mit meinem Vater sprechen. Da ein Teil der Leinenballen sowieso nach Boston geht und wir dort gute Kontakte haben, müssten wir euch helfen können. Aber wieso haben euch meine Landsleute beschossen, mit eurer Hamburger Flagge an Bord dürfte so etwas doch nie passieren, oder?“

      „Weil wir mit vollen Laderäumen kurz vor Neufundland waren und man befürchtete, wir würden Neufrankreich anlaufen wollen“, antwortete Kapitän Broder knapp, nachdem er Pfefferkörner aus seinem Krug gefischt hatte.

      „Es war also ein fataler Irrtum meiner Landsleute, euch zu beschießen!“, stellte Peter schnell fest.

      „Eigentlich dürfte man im Zweifel nicht schießen“, fand Hinrich streng.

      „Dann wären wir wahrscheinlich nicht in Quebec angekommen und die Walfangfahrt hätte einen anderen Verlauf genommen …!“, antwortete ich.

      „Wir müssen an die Zukunft denken, meine Herren!“, ermahnte Broder. Wir tranken unser Bier und Peter sicherte uns zu, noch abends mit seinem Vater, Mortimer Fishbone, zu sprechen.

      Am nächsten Morgen kam Peter zur frühen Stunde auf die Konstanze. Gespannt warteten wir auf seine Nachricht.

      „Wie ist es gelaufen, was sagt dein Vater, Peter?“, fragte ich ganz ungeduldig und sofort versammelte sich das ganze Schiffsvolk an Deck.

      „Ihr könnt den Waltran“, er lachte, „die vorgesehenen Ballen für Boston auf dem Schiff belassen, wenn ihr noch zusätzlich Werkzeuge und Getreide für Boston mitnehmt“, antwortete er kraftvoll und offenbar voller Freude“. Wenn ihr wollt, komme ich auch mit und werde euch bei der Suche nach Jacob und seinen Freunden helfen!“

      „Das ist ja wunderbar, Peter! Wann können wir los? Wie hast du das hingekriegt?“, überschlug ich mich vor Enthusiasmus.

      „Die Leute in Boston sind Fremden gegenüber sehr misstrauisch und du brauchst für dein Vorhaben viel Hilfe. Soviel steht fest. Zumal wir Hilfe von unbekannten Dritten benötigen, die nicht vor Ort sein werden, sondern in Maine, New York oder sonst wo. Das Sankt-Lorenz-Tal liegt schließlich nicht gleich um die Ecke. Mein Vater hatte erst vor ungefähr einem Monat gesagt, dass einer von uns unbedingt einmal zu den Kolonien mitsegeln solle. Einerseits müssen wir unsere bestehenden Kontakte pflegen, andererseits Neue knüpfen. Doch das ist noch nicht alles, Caspar: Das frei gewordene Schiff wird anderweitig benötigt, weil ihr nun die Ladung nach Boston bringt. Denn wir haben wegen des Krieges viele Aufträge und könnten noch ein paar andere Schiffe losschicken, wenn welche verfügbar wären.“

      „Wann können wir auslaufen?“, fragte Hinrich, der ebenso begeistert war, genau wie die um uns versammelte Mannschaft. Sie fieberten alle mit, obwohl sie an der eigentlichen Suche auf dem Kontinent nicht beteiligt sein würden. Das unfreiwillige Abenteuer anno 1755 hatte uns zusammen wachsen lassen. Es war eine unbeschwerte Verbindung unter uns entstanden, die Rang unabhängig bestand und die jedem Kraft gab, fest an das Erreichen unserer Ziele zu glauben.

      „Mittags kommt die Ladung an Bord und abends können wir mit der Flut auslaufen, wenn ihr wollt“, fügte Peter an, indem er seine buschigen Augenbrauen nochmals athletisch streckte. Er wendete sich dabei zum Kapitän, um die Regeln der christlichen Seefahrt einzuhalten. Broder nickte milde, schließlich wollte auch er keine Zeit verlieren und diesmal die volle Fangzeit im Eismeer nutzen. Er hatte sich deswegen so manchen Vorwurf im Heimathafen anhören müssen. Wie er denn dazu käme, erst im Sommer auszulaufen. Doch er sagte allen und besonders denen, die am lautesten schrien, dass ungewöhnliche Situationen manchmal ungewöhnliche Maßnahmen erforderlich machten und nur der Erfolg schließlich zählt. So einige der Schreihälse kamen ohne Fang nachhause, obwohl sie pünktlich im März ausgelaufen waren und scheinbar alle Zeit der Welt hatten.

      In der Folge bescheinigte uns die gesamte