Alexander L. Cues

Die Ketzer von Antiochia


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von ihnen ab, der Magistrat könne jetzt neue Untersuchungen veranlassen, denn das hätte die bevorstehende Entlassung Simons im letzten Moment doch noch gefährden können. Mit Andacht verfolgten die Christianer die Taufe der neuen Glieder ihrer Gemeinschaft, bei der die Frauen und Kinder nach ihrer Salbung zuerst ins Wasser stiegen. Alexander nahm ihnen das Versprechen ab, dem Teufel zu entsagen, und taufte zusammen mit der Prophetin die ganze Gruppe. Nachdem sie zum zweiten Mal gesalbt worden waren, stiegen Menachem und seine Sklaven ins Wasser. Auf dem Arm trug er seinen jüngeren Bruder Dror. Alexander nahm auch dem Freund das Versprechen ab, dem Bösen zu entsagen, ehe er die Taufformel sprach: „Ich taufe dich auf den Namen Jesu, den Gott zum Christus erwählt hat.“ Dann taufte er auch die Männer und den Knaben. Die Prophetin sprach daraufhin ein Dankgebet im Namen aller, denn Gott hatte seinen Geist ausgegossen über Judäer und die Völker. Sie waren ein neues Volk, eine Familia Dei, berufen dazu, dieser Welt das Kommen des Reiches Gottes zu verkündigen. Der Ratsherr Basilios hatte mit großer Aufmerksamkeit verfolgt, was hier geschah. Sein Sklave hatte ihm schon vorab davon berichtet, dass alle Christusgläubigen sich als Brüder und Schwestern betrachteten, seien sie Sklaven oder Freie, Männer oder Frauen. Auch hatte Euodius ihm erzählt, dass Kinder bei ihnen als Geschenke Gottes angesehen wurden, die man mit Liebe und Ehrfurcht behandeln müsse. Von der Krankenpflege und der Armenspeisung unter der Leitung Berenikes hatte er schon im Magistrat erfahren. Die guten Taten erachtete er als wertvollen und selbstlosen Beitrag, sie weckten große Sympathien für die Christusanhänger bei ihm. Wenn sie nur nicht den Glauben an nur einen Gott predigen würden! Dass sie – wie die Judäer - auch dem Kaiser nicht opfern wollten, machte sie darüber hinaus umso verdächtiger. Aber waren sie denn überhaupt Judäer? Ließen sie sich beschneiden? Gewiss, sie feierten den Sabbat, trafen sich in ihrer Synagoge und zahlten die Tempelsteuer für den Tempel in Jerusalem. Obwohl – das Letztere wusste man auch nicht so genau! Und außerdem durften Judäer keine Proselyten machen. Deshalb verbüßte ja ihr Vorsteher Simon seine Kerkerhaft. Es war nicht einfach mit ihnen. Er wusste nicht genau, was er von ihnen halten sollte, obwohl sie doch offenbar gute Bürger Antiochias waren. Vermutlich waren sie eine jüdische Philosophenschule, der auch der kaiserliche Architekt Menachem Celer angehörte. Interessant, dass auch er den Glauben an den Gesalbten Gottes teilte, wo er doch ein Gebildeter war, der in Rom studiert hatte und dem Ritterstand angehörte. Aber auch sein eigener Sklave Euodius, der doch die Philosophen Griechenlands kannte, hatte sich ja taufen lassen. Diese zwiespältigen Gedanken bewegten den Ratsherrn Basilios, als er an diesem Morgen den Taufen beiwohnte. Menachem kam auf ihn zu: „Wir haben mit großer Freude gehört, dass Simon freikommen soll. Wir haben Grund, Euch zu danken, dass Ihr dabei geholfen habt.“ Basilios gratulierte ihm zunächst zu seiner Taufe, ehe er auf die Frage einging: „Der Untersuchungsrichter muss Gründe dafür haben, die mir nicht bekannt sind. Ich habe in der Angelegenheit zweimal mit ihm gesprochen, aber weiter keinen Einfluss genommen. Ich freue mich für euch und hoffe, dass euer Vorsteher wohlauf ist.“ Damit endete das Gespräch über Simon. Der Ratsherr erkundigte sich bei Menachem noch danach, wann die Läden und Wohnungen in den Kolonnaden bezogen werden könnten. Nachdem er eine zufriedenstellende Antwort erhalten hatte, ging man freundlich auseinander. Menachem feierte an diesem Tag mit seiner Familie ausgiebig seine Taufe. Der Glaube an den Gesalbten Gottes verband ihn durch den feierlichen Akt noch enger mit Berenike, die ihrer Freude darüber freien Lauf ließ. Er fühlte große Dankbarkeit, denn sein Weg war nun gesegnet. Die Schatten der Vergangenheit, die auf ihnen lasteten, schienen endlich den so ersehnten Lichtblicken zu weichen.

      XIV Berenike und Menachem konnten nun endlich ihre Hochzeit planen, die sie schon zweimal verschieben mussten. Außerdem wollten sie nach einem Haus am Hang des Silpios sehen, um es zu kaufen. Zur allgemeinen Freude, aber zu einem für die beiden ungünstigen Zeitpunkt, rief Ummidius Quadratus nach Fertigstellung des Theaters zu Ehren der Götter die Olympischen Spiele Antiochias aus, die Kaiser Claudius begründet hatte. Sie waren bei der Bevölkerung sehr beliebt und vergrößerten den Ruhm Antiochias im ganzen römischen Reich. Jetzt war Menachem auch hier wieder gefordert, weshalb er abermals die Hochzeit mit Berenike um ein weiteres halbes Jahr verschieben musste. Gleichzeitig gab er ihr aber das Versprechen: „Danach wird nichts mehr unsere Hochzeit hindern. Dann muss selbst der Kaiser warten.“ Jetzt kam es aber für ihn erst einmal darauf an, die Sportanlagen herzurichten, Quartiere für die Wettkämpfer bereitzustellen und die vielen Besucher, die zu dem Großereignis erwartet wurden, in der Stadt unterzubringen. Bei den Christianern waren die Spiele umstritten, war doch der Spruch Platons in aller Welt bekannt: „Die Götter sind die Freunde der Kampfspiele.“ Die Spiele wurden immer mit einer opulenten Opferzeremonie eröffnet, und am letzten Tag gab es eine eindrucksvolle Prozession der Sieger zum Tempel des Apollo in Daphne. Es war unmöglich, sich diesem Geschehen, dem viele entgegenfieberten und das die ganze Stadt beherrschte, zu entziehen. Viele der Wettkämpfer bezogen schon Monate vor Beginn der Spiele ein Trainingslager am Olympiakon, dem olympischen Stadion in Daphne. Für Tausende von Besuchern errichtete man ein großes Zeltlager außerhalb der Stadt in der Nähe des Brückentores. Händler, Gaukler, die Betreiber von Garküchen und Restaurants freuten sich auf gute Geschäfte. Schauspieler probten griechische Dramen und Lustspiele. Für die Sicherheit wurden zwei Manipel Legionäre aufgeboten, ein drittes lag in Bereitschaft neben dem Zeltlager der Besucher. Für diese galt die Regel Olympias, dass nur freie Männer und unverheiratete Frauen den Spielen als Zuschauer beiwohnen durften. Unter den Letzteren befanden sich immer viele Dirnen, denen es an Kundschaft nicht mangelte. Auch unter den Christusanhängern gab es viele, die sich von den Spielen einen ertragreichen Verdienst erhofften. Die Kolonnadenstraße war gerade noch rechtzeitig kurz vor Beginn der Spiele fertiggestellt worden. Läden und Wohnungen waren bezogen. Mit den Besuchern kamen Aufträge und Geld in die Stadt. Demetrios, der Färber, eröffnete mit seiner Frau einen Stoffladen. Sie verkaufte Stoffe dort, die er zuvor besonders schön eingefärbt hatte mit Purpur, Indigo und Safran. Auch Rahel ließ die Tradition der Familie wieder aufleben und mietete dort einen Laden, wo sie Decken und Mäntel aus Schaf- und Ziegenfellen anbot. Lavinia, die kurz vorher durch eine Urkunde ihrer Herrin freigelassen worden war, eröffnete mit ihrer Hilfe einen kleinen Laden, in dem sie Lederwaren anbot: Schuhe und Gürtel, Geldbeutel und Wassersäcke konnten hier erworben werden. Sie war sehr glücklich über ihre Freilassung, auch wenn ihr diese nur ein minderes Bürgerrecht bescherte. Sie war zwar frei zu ihren Lebzeiten, aber weiterhin ihrer Patronin verpflichtet. Auch fiel ihr Vermögen nach ihrem Tod wieder an diese oder deren Erben. Aus allen Teilen des Römischen Reiches waren Gäste nach Antiochia gekommen. Die Synagoge der Christianer war in diesen Wochen kurzerhand zu einer Herberge umgewandelt worden. Ihre Nutzung als Unterkunft für die Gäste verbesserte die Kassenlage der Gemeinde. Berenike hatte einige Helfer um sich versammelt, mit denen sie sich um die Fremden kümmerte. Manche waren mit Schiffen gekommen, andere hatten einen beschwerlichen Reiseweg zu Lande auf sich genommen. Am ersten Vollmond nach der Sommersonnenwende wurden die Spiele feierlich eröffnet. Die Opferzeremonie zu Beginn fand in Anwesenheit aller Wettkämpfer und Kampfrichter vor dem Tempel des Apollo in Daphne statt. Auf der Ehrentribüne saßen der Legat und die Honoratiores, unter ihnen auch Menachem Celer. Die Zuschauer vermochte keiner mehr zu zählen, als die Athleten den heiligen Eid ablegten. Sie versprachen, den Frieden der Spiele und die Regeln des Wettkampfs zu achten. Am Nachmittag des ersten Wettkampftages begannen im Olympiakon die Laufwettbewerbe. Fünfzehn junge Männer starteten beim Kurzstreckenlauf, der über ein Stadion ging. Dann folgte der Doppellauf, bei dem die Wettkämpfer nach halber Distanz um eine Stange wenden mussten. Zum Abschluss dieses Tages fand der beschwerliche Hoplitenlauf statt, bei dem mit angelegter Waffenrüstung über zwei Stadien gelaufen wurde. Sieger von Kurzstrecken- und Doppellauf wurden zur Begeisterung der Zuschauer junge Männer, die aus Antiochia stammten. Viele Zuschauer kannten sie, weil sie ihr Training auf der Laufbahn schon viele Monate lang verfolgt hatten. Den Hoplitenlauf gewann ein Athlet aus Cappadocia. Die Begeisterung war groß, als der Legat die Sieger ehrte. Mit Stolz trugen sie ihr Stirnband und den heiligen Kranz aus Olivenzweigen. Sie durften sich feiern lassen in Erwartung weiterer Ehrungen in ihren Heimatstädten, die ihnen Steuerbefreiung, bürgerliche Ehrenrechte oder auch große Begräbnisse in Aussicht stellten. Alle anderen Wettkämpfer gingen leer aus. Als nächste Disziplin stand am folgenden Tag das bei den Zuschauern sehr