Alexander L. Cues

Die Ketzer von Antiochia


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sondern auch die Vergabe von Konzessionen für die Wasservergabe an Privathaushalte. Für den Bau von Wohnungen stand ihm das Heer der Sklaven zur Verfügung, von denen die meisten allerdings erst angeleitet werden mussten. Dreißig von ihnen, die Kenntnisse in der Herstellung von Betonmauern besaßen, ernannte er zu Bauleitern. Sie ließen für den Bau der mehrgeschossigen Wohnhäuser hölzerne Schalwände errichten, die mit einem Gemenge aus Bruchsteinen und Mörtel aufgefüllt wurden. Das so entstandene Gussmauerwerk wurde verputzt oder mit Ziegeln verblendet. Mit diesem Verfahren konnten die Bauleute stabile drei- und viergeschossige Häuser errichten. In den Erdgeschossen dieser Häuser befanden sich Läden und Werkstätten, in denen Handel und Gewerbe aller Art einen neuen Platz finden sollten. Die darüber liegenden Zwischengeschosse dienten der Gewinnung von Wohnräumen. Menachem ordnete an, aus Gründen des Brandschutzes diesen Wohnungen Arkaden vorzulagern. Der zweite Stock dieser neuen Gebäude wies jeweils fünf großzügige, nebeneinander liegende Räume auf, die durch ein Flurzimmer auf der Vorderseite des Hauses miteinander verbunden wurden. Auf der dritten Etage wiederum waren drei nebeneinander liegende, kleine Räume im rechten Winkel zur Fassade angeordnet. Ein häufig vorhandener vierter Stock wies eine ähnliche Raumaufteilung auf wie der dritte. In den oberen Stockwerken mussten die Wände aus Kostengründen leichter gebaut werden als darunter. Menachem konnte aber verhindern, dass hier lediglich Holz verbaut wurde, was für den Brandschutz von größter Bedeutung war. Es kostete ihn viel Mühe, seine Vorstellungen umzusetzen und den Magistrat davon zu überzeugen, dass Brandschneisen und öffentliche Plätze ebenso wichtig waren wie neuer Wohnraum. Dafür musste aber zusätzlicher Platz geschaffen werden, der dann wiederum für neue Wohnungen nicht mehr zur Verfügung stand. Die pekuniären Interessen von Senatsmitgliedern aus Rom und vornehmer Familien aus Antiochia standen dem Brandschutzgedanken ebenfalls des Öfteren im Wege, was Menachems Arbeit unnötig erschwerte. Dass die Pläne trotz dieser Schwierigkeiten umgesetzt werden konnten, war einmal mehr der Autorität des alten Porphyrios zu verdanken, der Menachem energisch zur Seite stand und sich gegen solchen Widerstand durchsetzen konnte. Der Name des kaiserlichen Architekten war bald in aller Munde. Er nannte sich jetzt – nach seinem berühmten Lehrer in Rom – Menachem Celer. Sein Ruf bekam noch einen besonderen Glanz, als Maler und Bildhauer, die mit dem letzten Schiff gekommen waren, die Tempel und Bäder der Stadt mit Kunstwerken von außerordentlicher Schönheit wiederherstellten. Reiche Männer des antiochenischen Adels überboten sich aus Prestigegründen darin, für die Kunstwerke zu spenden. Mosaikböden in den Bädern des Agrippa zeigten die griechischen Götter Soteria und Apolausis, den Duft einer Blume genießend. Beiden Gottheiten wurde die Macht zugesprochen, die Menschen vor Krankheiten zu schützen und solche zu heilen, die krank waren und Schmerzen erlitten. Landschaftsmaler ließen an den Wänden des kaiserlichen Palastes und der Bäder phantasievolle Gärten entstehen, in denen sich Löwen und bunte Vögel zeigten. Andere wiederum schufen Bilder des weintrinkenden Dionysos und der schaumgeborenen Aphrodite, an der Seite ihren sterblichen Adonis mit seinem Jagdhund. Als die umfassenden Arbeiten nach drei Jahren fast abgeschlossen waren, beauftragte der Legat seinen Architekten, die Erinnerung an die Elefanten zu bewahren, die beim Aufbau der Stadt so großartig geholfen hatten. Menachem unterbreitete ihm daraufhin den Vorschlag, das Tetrapylon-Tor mit zwei Elefanten-Statuen einzurahmen, so dass jeder, der sich dem Palast näherte, an diesen Statuen vorbeiging und sie bestaunen konnte. Die Mauer, die Seleukos I. mehr als dreihundert Jahre zuvor entlang des Orontes errichtet hatte, schützte nun wieder die Stadt nach Westen hin, und auch die mächtigen Steine des Daphne-Tores wurden übereinander geschichtet und mit einem neuen Bogen geschmückt. Die Zahl der Sitzplätze des Dionysos-Theaters, gelegen am Hang des Silpios-Berges, wurde verdoppelt. Ein Teil von ihnen wurde außerdem mit einem Dach versehen, um die gut betuchten Besucher vor der Witterung zu schützen. Menachem hatte Wort gehalten und die Wasserversorgung der Bevölkerung gesichert. Auch war es ihm gelungen, die Voraussetzungen zu schaffen für glanzvolle Olympische Spiele, die einmal in Antiochia stattfinden sollten. Damit sicherte er sich die Anerkennung des Legaten, der seinen eigenen Ruhm mehren konnte und seinen Baumeister vorbehaltlos unterstützte.

      XIII Menachem hatte mit seinen Helfern schier Unglaubliches geleistet. Sein Ruhm in der Stadt wuchs täglich. Jetzt, fast drei Jahre nach seiner Rückkehr aus Rom, hatte er endlich Zeit, sich bei den Christianern um die Taufe zu bewerben. Den Taufunterricht erteilte nach wie vor die Syrerin, die alle „die Prophetin“ nannten, hatte sie doch die Gabe der Lehre. Sie hatte inzwischen den judäischen Namen Deborah angenommen. „Menachem, Sohn des Arie aus Kedesh“, begrüßte sie ihn, „ich freue mich, dass Ihr auf den Namen Jesu, des Gesalbten Gottes, getauft werden wollt. Eure Väter waren zu Hause in Kedesh wie Barak. Wisst Ihr, dass er auf Geheiß der Prophetin Deborah zehntausend Männer aus Sebulon und Naftali versammelte und zum Berg Tabor zog, um die Kanaaniter zu schlagen?“ „Wir haben als Kinder davon gehört“, entgegnete Menachem, „die Großeltern haben uns diese Geschichte erzählt.“ „Der Herr Zebaoth war es, der das Volk Gottes führte. Wir werden siegreich sein wie sie, wenn wir nur auf ihn hören. Ich heiße Deborah, weil mir Gott die Gabe gegeben hat, seinen Willen zu erkennen. Er lässt Euch sagen, dass Ihr wie Barak sein werdet. Ihr seid Menachem, der Tröster. Ihr werdet sein Volk führen in dieser Stadt.“ Verwundert und nachdenklich verließ der junge Baumeister an diesem Abend die Syrerin mit dem hebräischen Namen. Sie hatte ihn daran erinnert, wo seine Wurzeln waren. Er dachte immer noch mit Wehmut an die Jahre seiner Kindheit in Galiläa, und den Glauben der Väter trug er wie einen Schatz in seinem Herzen. Als Menachem Berenike und seiner Mutter von dieser ersten Begegnung mit Deborah erzählte, schienen die Frauen davon nicht sonderlich überrascht zu sein, sondern begrüßten die Ankündigung der Prophetin: „Sie ist gesegnet mit dem Geist der Lehre. Aus ihr spricht der Kyrios, der bald kommen wird in Herrlichkeit,“ meinte Rahel, die sich schon freute auf die Taufe ihres berühmten Sohnes. Sie konnte es kaum erwarten, zusammen mit ihm und den anderen Kindern ins Wasser zu steigen und sich taufen zu lassen. Den Taufunterricht, der immer im Anschluss an den Gottesdienst am Abend nach dem Sabbat stattfand, besuchte Menachem regelmäßig gemeinsam mit seiner Mutter und seinen Sklaven. Sie lauschten auch jetzt der klangvollen Stimme von Deborah, die erklärte, wie Gott sein Werk in seinem Gesalbten an den Menschen getan hatte: „Er hat Kranke und von Dämonen Besessene geheilt und den Anbruch des Reiches Gottes verkündigt.“ Jesus von Nazareth wurde ihnen zum Vorbild. Rahel fragte die Prophetin: „Wird Gott uns auch mit den Gaben segnen, die ihn ausgezeichnet haben? Werden wir auch heilen und die Menschen von seiner Nähe überzeugen können?“ Deborah antwortete sicher und voller Überzeugung: „Auch ihr werdet Kranke heilen können.“ Apollonios und Meleagros fragten: „Wenn der Kyrios bald wiederkommt – was für einen Platz werden wir dann einnehmen in Gottes Reich?“ Sie ließen erkennen, dass sie sich die Wiederkehr des Goldenen Zeitalters erhofften. Die Taufe erschien ihnen wie Tod und Neugeburt zu immer währendem Leben. Der nächste Sabbatmorgen hätte schöner nicht sein können. Der Himmel trug ein strahlendes Blau, und die Frische des Tages beflügelte die Gefühle der Menschen an diesem Morgen. Zusammen mit Menachem und seiner Familie sollte auch Lavinia mit ihrer Herrin Lydia getauft werden. Sie wurden begleitet von drei besonders anmutigen jungen Sklavinnen. Die Männer und Frauen, die sich in aller Frühe aus der Stadt hinausbegaben, um der Taufe beizuwohnen, waren glücklich und dankbar, dass Gott sie mit solch einem prachtvollen Tag belohnte. Simon, der schon viel zu lang inhaftierte Vorsteher der Synagoge der Christusanhänger, sollte nun endlich freigelassen werden gegen eine Zahlung von einhundert silbernen Denaren, die innerhalb von einem Monat an die Magistratskasse zu zahlen waren. Dass diese Summe in keinem Verhältnis stand zur noch zu verbüßenden Strafzeit, gab Anlass zur Verwunderung. Sollte der Sklave Euodius tatsächlich mehr erreicht haben, als man zu hoffen wagte? Was auch immer zu diesem unerwarteten Geschenk führte, es war für alle ein Beweis für das Wirken Gottes, der sein Volk segnete und achtgab auf seinem Weg. Als man zur Taufstelle am Orontes-Ufer gelangte, traf man dort auf Euodius, der seinen Herrn Basilios begleitete. Dies rief zunächst bei den Anwesenden einige Verunsicherung hervor, konnte man doch nicht wissen, in welcher Absicht er gekommen war. Er beruhigte sie jedoch mit den Worten: „Ich habe durch meinen Sklaven vom Glauben an Christus gehört und möchte miterleben, wie man Neulinge bei den Christusgläubigen aufnimmt. Ich habe lautere