schweinsledernen Reisekoffer auszuräumen und seinen Inhalt im Wandschrank zu verstauen. Das Erlebnis des Nachmittags beschäftigte noch immer seine Gedanken, als es am frühen Abend plötzlich an seiner Türe klopfte.
»Mr. Miller«, sagte der Hoteldiener«, soeben brachte ein Bote zwei Eilbriefe.«
»Zwei?«
Verwundert nahm Mr. Miller die weißen Umschläge entgegen und durchsuchte seine Brieftasche nach einem Trinkgeld. »Das ist leider alles, was ich momentan an Bargeld besitze«, sagte er und übergab dem lächelnden Mann in der Tür seinen letzten Dollar.
»Danke, Sir. Einen schönen Abend wünsche ich Ihnen.«
»Ich Ihnen auch, William.«
Auf dem ersten Brief erkannte Mr. Miller seine eigene Handschrift, während der zweite eine Schrift offenbarte, die sowohl zu einem ausgekochten Detektiv, als auch zu einem schlitzohrigen Baseballspieler gehören mochte.
Lieber Mr. Miller,
schrieb Tracy,
ich hoffe, alles ist nach Plan
gelaufen. Deinen Brief
stecke ich sofort beim Postamt ein.
Ich habe meiner Tante Betty,
bei der ich wohne, von Dir erzählt.
Zuerst war sie dagegen, weil
du der Autor von »Die Ermordung
meiner Frau« bist, aber als ich ihr sagte,
dass Du so gut wie abgebrannt seiest,
hat sie sich einverstanden erklärt,
dich solange aufzunehmen,
bis Du wieder ein Buch geschrieben
hast. Vielleicht wirds ja ein
Bestseller! Haha!
Wir wohnen auf Tante Bettys Farm,
ganz in der Nähe von Woodstock.
3 Pferde, 17 Rinder, 12 Schweine,
etliche Gänse, Enten, Hühner
und ein Hund (Carter) leben ebenfalls hier.
Vergessen darf ich nicht unsere
alte Mary, die für uns kocht. Sie jagt
immerzu Fliegen und schickt diese
an einen deutschen Bischof. Näheres
könnte ich dir später erzählen.
Du könntest die Dachkammer
von Onkel Bill, der verduftet ist,
beziehen, wenn es dir nichts ausmacht,
vorher mit mir ein bisschen aufzuräumen.
So, genug für heute.
Die Adresse steht oben links. Denk
an das Buch! Ich hoffe,
bald von Dir zu hören!
Tschüs bis neulich!
Tracy.
Von seinem Fenster aus blickte Mr. Miller in den samtblauen Abendhimmel über New York. Guter Junge, dachte er, und er war zutiefst bewegt von der Schönheit dieses Augenblicks, für den allein sich die Reise nach Amerika gelohnt hatte. Wie wäre es, ein paar Tage unter netten Leuten auf einer Farm zu verbringen? Vielleicht würde er hier literarische Inspiration finden. Plötzlich erinnerte er sich an sein Vorhaben, bald mit der Arbeit für ein neues Buch mit Geschichten zu beginnen. Vielleicht wäre Die Schönheit der Augenblicke ein brauchbarer Titel, ging es ihm durch den Sinn.
Er nahm den verschlossenen Brief mit seiner Handschrift vom Tisch, lächelte, hielt ihn gegen das Licht der Nachttischlampe, erkannte die Konturen des grünen Flugtickets, zerriss den Umschlag mitsamt Inhalt und warf beides in den Abfallkorb. Als er sein Jackett überstreifte, hatte er plötzlich einen Einfall, den er, noch bevor er das Hotelzimmer verließ, auf der Rückseite von Tracys Brief notierte: Zweimal im Jahr, wenn Mr. Miller mit eiligen Schritten und buchstäblich in letzter Minute seine Maschine für den Flug Frankfurt - New York erreichte...
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