Gabriela Hofer

Der Burgenmörder


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Erstaunt drehte sich Felicitas zu Maria um. Diese meinte lächelnd: „Felicitas, Du bist nicht mehr in der Lage selbst zu fahren. Urs und ich bringen Deine Wagen dann später runter. Keine Angst, wir stellen ihn nur ab und gehen gleich wieder. Du brauchst jetzt unbedingt Schlaf. Wie auch Hanna, kann ich warten bis morgen, um näheres zu erfahren.“ Tränen traten Felicitas in die Augen: „Wie habe ich nur so eine gute Freundin verdient?“ Ein leichter bitterer Klang lag in der Stimme Marias als sie antwortete: „Bin ich das? Ich hoffe Du denkst auch später noch so.“ Ein durchdringender Blick traf Maria: „Wie meinst du das?“ Doch Maria schüttelte nur den Kopf.

      Kapitel 4

      „Bitte setzen Sie sich alle!“ Die laute Stimme des Einsatzleiters übertönte das Getuschel der anwesenden Fahnder. Heute standen drei Morde an in der Abteilung „Leib und Leben“ der Kantonspolizei Zürich. Die sich setzenden Fahnder bekamen durch den Einsatzleiter ihre Arbeiten zugeteilt. Die beiden Fahnder Marius Rötlin und Roland Pfeiffer warteten gespannt darauf ihren Fall zu bekommen. Schon Aufgaben für zwei der drei Morde waren vergeben worden und noch immer sassen sie auf ihren Stühlen. Ächzend verlagerte Marius seinen Schwerpunkt. Für einen 1.95m grossen Mann waren diese kleinen Stühle einfach nicht gebaut. Zum x-ten Mal strich er sich eine schwarze, sich selbständig machende Haarsträhne aus der Stirn. Sein Freund und Partner Roland Pfeiffer hatte es da schon besser. Er war um einiges kleiner. Seine sanften braunen Augen sprühten vor Lebensfreude. Er flüsterte Marius leise zu: „Wir bekommen sicher diesen Provinzmord zugeteilt. Na wenigstens müssen wir uns da nicht überarbeiten. Dort sind wir schnell im Dorf durch.“ Er handelte sich einen mahnenden Blick des Einsatzleiters ein. Ein zu nettes Lächeln erschien auf dessen Gesicht: „Herr Pfeiffer und Herr Rötlin, genau sie beide brauche ich für die Zeugenbefragung im letzten zu bearbeitenden Mordfall. Gestern Nachmittag wurde eine weibliche Leiche bei der Ruine Liebenberg aufgefunden. Es handelt sich dabei um eine Frau Magdalena Schwarz, fünfzig jährig. Sie wurde erschlagen“, der Einsatzleiter warf einen Blick in die vor ihm liegenden Akten, „die Tatwaffe war ein grosser Stein. Todeszeitpunkt war vorgestern Nacht, der genaue Zeitpunkt ist noch nicht klar. Die Leiche befindet sich im Moment in der Rechtsmedizin, Frau Dr. Furrer ist dafür zuständig. Gefunden wurde sie von einer Frau Dr. Felicitas Moser, ihres Zeichens Tierärztin.“ Er räusperte sich, bevor er – leicht lächelnd – weiterfuhr: „Die kriminaltechnische Untersuchung könnte sich etwas verzögern, denn diese Dr. Moser hatte eine kurze Zeit auf der Leiche gelegen.“ Nun setzte sich Marius gerade hin. Der Fall begann ihn zu fesseln. Eine Zeugin die auf der Leiche lag?“ Sein Fragender Blick traf auf des Einsatzleiters lächelnden. Dieser fuhr fort: „Hat also doch etwas Ihre Aufmerksamkeit geweckt, Herr Rötlin? Beim Fundort muss es ziemlich steil sein, diese Tierärztin rutschte aus und wumms, lag sie auf der toten Frau Schwarz, scheint gestern ganz und gar nicht der Tag von Dr. Moser gewesen zu sein. Also, geht zuerst bei ihr vorbei. Sie hatte die Tote auf jeden Fall gekannt, vielleicht war sie eine Kundin.“ Er rief die beiden Fahnder zu sich, gab ihnen die Akte und wünschte ihnen viel Glück. Zusammen verliessen die beiden ungleichen Männer das Zimmer. Kurz darauf waren sie bereits auf dem Weg Richtung Rikon im Tösstal, dem Tatort des Geschehens. Hinter dem Steuer sass Marius, er war der ältere und fuhr meistens. Roland studierte währenddessen schonmal die Akte. Eine gute halbe Stunde später hielten sie vor der Praxis von Dr. Moser. Sie stiegen aus, Marius etwas langsamer als Roland. Er war allgemein der ruhigere von beiden. Zusammen betraten sie die Praxis. Hanna hatte gerade ihr Gespräch mit Felicitas beendet. Diese hatte noch einen auswärtigen Termin. Die ersten Patienten wurden erst in etwa einer Stunde erwartet. Deshalb traf die beiden Fahnder ein etwas überraschter Blick: „Kann ich etwas für Sie tun?“ fragte Hanna freundlich. Marius und Roland traten an den Tresen: „Guten Tag. Ist Dr. Moser hier?“ Roland lächelte Hanna zu. – „Nein, tut mir leid, Dr. Moser hat einen auswärtigen Termin.“ Suchend schaute sie sich nach einem kranken oder verletzten Tier um, doch da war keines. Leicht irritiert fragte sie deshalb: „Ist es dringend? Um was für ein Tier handelt es sich denn?“ „Um gar kein Tier, entschuldigen Sie bitte, wir sind Fahnder von der Kantonspolizei Zürich. Wir sind von der Abteilung Leib und Leben. Ich bin Marius Rötlin und dies hier ist mein Partner Roland Pfeiffer.“ Marius hatte während dem Sprechen seinen Ausweis hervor geholt und zeigte ihn nun Hanna. „Können Sie uns sagen, wo wir Dr. Moser finden?“ – „Möchten Sie nicht lieber hier im Wartezimmer auf sie warten? Der Bauernhof liegt ziemlich abseits und ist schwer zu finden wenn man den Weg nicht kennt, Dr. Moser wird sicher bald hier sein.“ Bedauernd schüttelte Roland den Kopf: „Wir werden ihn schon aufspüren. Vielleicht können Sie uns ja eine Skizze anfertigen. Na hallo, wen haben wir denn hier?“ Roland ging in die Knie. „Das ist Romeo, der Hund von Dr. Moser.“ Hanna hatte nach einem Blatt Papier gegriffen und versuchte nun den Weg so gut wie möglich auf zu zeichnen. Roland streichelte Romeo hinter den Ohren, „Romeo heisst Du also, ein toller Name.“ „Natürlich ist mein Name toll. Du bist also einer von den guten Menschen und dieser andere da? Er sieht aus, als ob er Angst vor mir hätte, schnüffel, schnüffel, er riecht auch so, dabei ist er so ein baumlanger Kerl. Mmh, genau meine Lieblingsstelle. Also Du bist mir sehr sympathisch, der andere, na ich weiss noch nicht so recht. Schliesslich muss ich auf mein Frauchen acht geben nach dem gestrigen Unglück. Sie braucht mich nun unbedingt. Doch nun gehe ich wieder auf meinen Schlafplatz, gähn, noch ein bisschen mich ausruhen, bevor der Stress wieder los geht, wenn Frauchen zurück ist.“ Roland erhob sich wieder. Mit hoch gezogenen Augenbrauen betrachtete er Marius, der, nachdem Romeo wieder verschwunden war, seinen dezenten Rückzug rückgängig machte und zurück an den Tresen trat. Es stimmte, Marius hatte Angst vor Hunden und deshalb mochte er sie auch nicht. Er war als Kind mal ziemlich heftig gebissen worden, von einem Streuner in Italien, damals war er gerade mal fünf Jahre alt. Seither ging er Hunden aus dem Weg. Unterdessen hatte Hanna ihr Kunstwerk beendet: „So, ich hoffe, Sie können mit meinem Gekritzel etwas anfangen.“ Sie schob das Blatt zu Marius hin. Die beiden Fahnder beugten ihre Köpfe darüber und studierten es genau, dann meinte Marius: „Das ist klar genug. Wir werden den Hof sicher finden. Herzlichen Dank.“ – „Gerne geschehen, aber ich muss Sie noch warnen, es ist nicht sehr sauber dort.“ „Ach das macht nichts, wir sind einiges gewohnt.“ Beide Fahnder gaben Hanna die Hand zum Abschied, dann verliessen sie die Praxis. Grinsend schaute Hanna den beiden so modisch gekleideten Männern nach: „Oh ja, ich glaube Euch, dass ihr einiges gewohnt seit, doch ganz sicher nicht das, was Euch dort erwartet.“

      „Verflixt, Roland, schon wieder diese Holzbiege. Wir fahren dauernd im Kreis. Gib mir mal die Skizze.“ Marius stellte den Motor ab. Ein kurzer Blick auf die Zeichnung und er meinte ironisch: „Unser Top Kartenleser war wieder mal am Werk! Ich hätte es wissen müssen! Du würdest Dich selbst dann noch verlaufen, wenn man Dich lotsen würde. Hier, siehst Du? Kein Wunder landen wir immer wieder hier. Der Hof liegt hinter diesem Wäldchen. Wir müssen dem vor uns liegenden Waldweg folgen.“ Marius drückte Roland den Zettel in die Hand, startete den Wagen, wendete und fuhr langsam einen mit Schlaglöchern übersäten Weg entlang. Sie wurden gehörig durchgeschüttelt, so klang Rolands Stimme etwas holprig als er sich zu rechtfertigen suchte: „Wie schön, dass Du keine Fehler hast. Sag mal, wer hat hier Angst gehabt vor diesem kleinen Hund?“ Dies trug ihm einen finsteren Blick Marius’ ein. „Ich habe keine Angst gehabt! Ich mag Hunde einfach nicht und ganz besonders nicht so ein hässliches, sabberndes, monsterähnliches Etwas.“ Da musste Roland doch lachen: “Die Beschreibung passt. Doch macht gerade diese Hässlichkeit diese Englischen Bulldoggen interessant.“ Marius schüttelte sich: “Na ja, über Geschmack lässt sich nicht streiten. He, sieh mal, da ist ja dieser Hof. Endlich… ach… Du meine Güte! Nicht sehr sauber, also wirklich!“ Sie hatten den Vorplatz erreicht und den Wagen abgestellt. Angeekelt blieben sie sitzen. Ihre Blicke wanderten über den dreckigsten Bauernhof, den sie je gesehen hatten. Vor ihnen lag das Wohnhaus, die Farbe blätterte ab, die Fensterläden konnten wieder mal einen Anstrich gebrauchen und der angrenzende Schuppen machte den Eindruck als würde er nächstens in sich zusammen fallen. Direkt gegenüber stand ein lang gezogener flacher Bau, der dem Geruch nach zu folgen Schweine beherbergte. Die Ausläufe davor waren im Moment leer, doch zeugten die riesigen eingepferchten Schlammlöcher davon, dass die Bewohner nicht sehr weit sein konnten. Roland schnüffelte und seufzte laut auf: „Warum müssen wir immer d i e s e Fälle bekommen?“ Da Marius darauf keine Antwort wusste, öffnete