Hans Bahmer

Vier Jahre Türkei


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ein gefährdetes, wie das längst ausgetrocknete Bachbett verdeutlicht. Auf dem extrem trockenen Vulkan existieren nur zwei Quellen. Wer hier Wasser benötigt, muss sich mit Schmelzwasser zufrieden geben, das Schneefelder liefern.

      Die an den Berghängen erwärmte Luft steigt im Laufe des Tages nach oben, kondensiert und bildet Wolken, die den Gipfel meistens verhüllen. Fertig ist der Heiligenschein des Noah-Berges. Am nächsten Tag erreichen wir unser Hochlager in 4175 Meter Höhe. Auf dem Weg dorthin leuchten Büschel von Glockenblumen, Vergissmeinnicht, Kamille, Steinbrech und Hornkraut aus den Geröllhalden hervor. Über uns hebt sich der vergletscherte Gipfel, jetzt schon in greifbarer Nähe, vom blauen Himmel ab. In einer von der Spitze herabführenden Schlucht donnern immer wieder Felsen unter Produktion großer Staubwolken und eines akustischen Feuerwerks ins Tal. In der Abendsonne leuchtet der Vulkankegel des benachbarten kleinen, 3925 Meter hohen, Ararat. Die Spitzen beider Berge liegen 13 Kilometer auseinander und sind durch einen Bergsattel miteinander verbunden, auf dem die Arche einst gestrandet sein soll. Friedrich Parrot, der den Ararat nach einem dreimaligen Anlauf am 27. September 1829 als erster Europäer bestieg, hielt den Gipfel aus naturwissenschaftlicher Sicht durchaus geeignet für die Landung von Noahs Boot. Er stellte ernsthafte Überlegungen an, wo der „Kasten“ aus der biblischen Geschichte gestrandet sein könnte. Die Eisschichten auf dem Ararat erschienen ihm dick genug, um die gesamte Arche zu verbergen. Die armenischen Christen glaubten dies schon immer, zumal ja der Klosterbruder Jacob zwar bei seinem Versuch den Berg zu besteigen, scheiterte, ihm der Herr aber für sein Beharrungsvermögen im Schlaf ein Stück Archenblanke in die Hand drückte. Hand des Mönchs und Holz der Arche landeten als Reliquie im Kloster Etschmiadsin. 1955 fanden Archeforscher in 4200 Meter Höhe einen von „Lavastaub im gefrorenen Moränen Schutt konservierten behauenen Holzbalken“, dessen Alter mit 5000 Jahren bestimmt wurde. Für die Arche-Anhänger natürlich ein neuer Beleg ihres Glaubens. War es einst für die Armenier geradezu ein Verbot ihrer Kirche, den Noahberg zu besteigen, ist die Gipfeltour inzwischen regelrecht zu einer Pilgerreise geworden. So finden wir auf dem Gipfel noch die Überreste des letzten Gottesdienstes. Ein beliebtes Mitbringsel der Armenier war Gletschereis vom Gipfel, das im Kloster zu einem begehrten, weil heiligen Wasser schmolz. Während Parrot und seine Gefährten den Gipfel nur durch mühsames Stufenschlagen in den Eismantel der Bergspitze erklimmen konnten, haben wir es mit Steigeisen eigentlich recht gemütlich. Über einen Ausrutscher schreibt Parrot: „..mein Weg, den ich fast besinnungslos zurücklegte, mochte wohl eine halbe Werst betragen haben und endete zwischen Lavatrümmern nicht weit vom Rande des Gletschers.“ Unachtsamkeit verzeiht der Berg aber heute natürlich ebenso wenig wie damals. Am Tag unserer Ankunft berichtet eine Zeitung von einem jungen Mann, dessen Leben in einer Gletscherspalte endete. Ihr Ende fanden ebenfalls zahlreiche Insekten, die sich aufmachten, den eisigen Berggipfel zu überfliegen. Im Gletschereis leuchten ihre bunten, tiefgefrorenen Tierleiber als winzige Mahnmale der Überheblichkeit. Parrots Team schleppte sich mit einem massiven Holzkreuz und einer allein 27 Pfund schweren Bleiplatte ab. Beides sollte auf dem Gipfel installiert werden und von fern und nah auf die Großtat und ihren Auftraggeber hinweisen. Auch da hat sich einiges verändert. Unsere türkischen Begleiter entfalten auf dem höchsten Berg der Türkei eine Fahne ihrer Firma, die Filter für Autos herstellt. Um die Kunde von der Besteigung zu verkünden, sind weder Bleiplatten noch Kreuz nötig, mit Handys wird die Botschaft vom Sieg über den Gipfel in alle Welt gejagt. Erst nach dem obligatorischen Gipfelphoto vor der türkischen Flagge schallen doch noch ein paar Allah-Rufe über das tief unten liegende Land. Parrot dagegen genehmigte sich auf dem Gipfel etwas Wein, der aus Trauben gekeltert wurde, deren Rebstockvorfahren Noah selbst angepflanzt haben soll.

      Selbstverständlich brachte er dem Urvater des Menschengeschlechts der laut Bibel nach der Sintflut an den Hängen des Berges zum Ackermann mutierte und die ersten Weinstöcke anpflanzte, ein Weinopfer dar. Der Berg, der einst als der höchste der bewohnten Welt galt, auf einer Landkarte von 1780 direkt neben dem Paradies eingezeichnet ist, „in der Mitte der Linie der größten Längenausdehnung der alten Welt, zwischen der Südspitze Afrikas und der Beringstraße liegt und zugleich den zentralen Knoten der afrikanisch-asiatischen Wüstenzone bildet“, der einst den Schiffern auf dem Kaspischen Meer der Orientierung diente, ist gerade mal zum höchsten Berg der Türkei zusammengeschrumpft. Selbst der Erstbesteiger musste Federn lassen, trägt der Gipfel doch nicht mehr seinen Namen, sondern den des Gründers der modernen Türkei. Nach der türkischen Ararat-Legende gibt es auf dem Gipfel des Ararat einen Brunnen, der in das Erdinnere hineinreicht. Aus diesem Brunnen haben die Menschen einst das erste Feuer gestohlen. Vom Berg bemerkt, wurden sie in Steine verwandelt, die seither die Abhänge bedecken. „Niemals hat der Ararat dem Vergeben, der seinen Gipfel bezwang“, heißt es in der Bergsage. Also wieder einmal Glück gehabt.

      Wer die Arche wirklich sehen will, muss nicht das Risiko einer Bergbesteigung auf sich nehmen. Ein paar Kilometer in Richtung iranischer Grenze hat man den Landungsort der Rettungsinsel aus der Bibel genau geortet: 39°26’4 nördlicher Breite und 44°15’3 östlicher Länge. Dort schaut man auf ein Gebilde, das von einem Bauern 1948 entdeckt wurde und die Form eines Schiffes aufweist. Was da zu sehen ist, sollen die Umrisse der Arche sein, die aus einem zementartigen Material bestand. Die Innenverkleidung aus Holz wurde später von Noah verheizt, denn während die Sommer hier knackig heiß sind, können die Winter lausig kalt sein.

      Von Noahs Arche hat man einen schönen Blick auf Noahs Berg, von dem Tournefot 1776 schreibt: „Dieser Berg, welcher zwischen Süd und Südost der drey Kirchen liegt, hat das traurigste und widrigste Ansehen, was in der Welt sein kann.“ Für den Besucher Wagner 1852 war es „eine grandiose Bergscenerie, die mit keiner anderen Landschaft in drei Erdteilen einen Vergleich aushält.“

      Vielleicht hängt die Einstellung einfach davon ab, wie viel man von Noahs Rebensaft konsumiert hat. Das biblische Flair der Landschaft jedenfalls hat sich wahrscheinlich nur wenig verändert, so dass es wohl niemand wundern würde, wenn dem mit Stroh beladenen, sich mühsam den unbefestigten Weg hinauf quälenden einachsigen Ochsengespann mit Holzscheiben als Räder, der vom Feld zurückkommende Urvater Noah entstiege.

       EIN BESUCH IM HAMAM

       Obwohl ich es immer wieder versucht habe, mich mit dieser für viele so beglückenden Einrichtung anzufreunden, bin ich kein Fan des türkischen Bades, da konnten auch vier Jahre Türkeiaufenthalt und zahlreichen Badebesuche nichts ändern. Nichts habe ich ausgelassen, was das Bad vorgibt, an Genüssen zu bieten. Aber weder an mir vollzogene Waschungen noch Massagen hinterließen eine positive Wirkung oder führten gar zu einer Einstellungsänderung. Nichts hat geholfen! Nach meiner ersten Kese gar hatte ich nicht das Gefühl der Sauberkeit, sondern ein brennendes Verlangen mich zu duschen, aber wo? Zu Hause natürlich, denn das klassische türkische Bad kennt diese moderne, praktische Erfindung der Dusche noch nicht. Auch die Massage war eine herbe Enttäuschung - danach ging es mir zwei Tage so schlecht, dass ich glaubte, das Ende sei nahe. Gesundheitlich waren das die schlimmsten Tage meiner gesamten Türkei-Zeit, und das will schon etwas heißen. Auch die Art der Kleidung, wie eine Mumie in ein Tuch gewickelt, erscheint mir eher hinderlich als besonders praktisch oder gar entspannend. So wird das Bad vermutlich nur noch von denjenigen genutzt, denen zu Hause geeignete Waschmöglichkeiten fehlen und natürlich von Touristen, denen man für den eigentlich billigen Spaß viel Geld abknöpft. Zur Ehrenrettung des Bades sei jedoch gesagt, ich habe auch Bekannte, die sind begeisterte Hamam-Besucher und schwören auf diese türkische Einrichtung, selbst dann, wenn sie am gesamten Körper schon von den verschiedensten Pilzen heimgesucht wurden. Worauf ihr Enthusiasmus zurückzuführen ist, habe ich bis heute nicht nachvollziehen können. Trotz meiner Abneigung, lasse ich mich doch immer wieder zu Besuchen verführen. Test it!

      Der Wind weht mir feinen Nieselregen ins Gesicht. Ich versuche den schweren, kalten, von den Dächern herunterfallenden Wassertropfen auszuweichen und dabei gleichzeitig die Wasserlachen auf der Straße im Auge zu behalten. Aus den Schornsteinen quillt Rauch und zieht wie Nebelfetzen durch die engen Straßenschluchten. Das Thermometer zeigt 5°C. Bonjour Tristesse! Ein Aprilmorgen in Istanbul.

      Ein Tag wie geschaffen für den Besuch des Hamams, des viel gerühmten und oft beschriebenen türkischen Schwitzbades. Ein Jungbrunnen, der nicht nur den Körper reinigt, sondern auch Geist