allenfalls den Pilz holt und nach einer Massage reif für den Orthopäden ist, prophezeien die Skeptiker. Probieren geht über studieren, denke ich, als ich die Tür des Galatasaray Hamami öffne.
Im Kopf das berühmte Bild des französischen Malers Ingres, „Türkisches Frauenbad“ von 1859, auf dem in der Kulisse eines türkischen Bades nackte Frauen tanzen und sich räkeln, werde ich schnell von der nüchternen Realität eingeholt. Wer bisher geglaubt hat, ihm stehe vielleicht ein angenehmer Vormittag mit dem anderen Geschlecht bevor, wird gleich desillusioniert, denn im klassischen türkischen Bad herrscht strikte Geschlechtertrennung. Männer und Frauen benutzen verschiedene Eingänge sowie eigene Baderäume und werden jeweils von gleichgeschlechtlichem Personal betreut.
Lady Mary Wortley Montagu, die 1717 die Damenabteilung eines Hamams in Istanbul besuchte, machte folgende Beobachtungen: „Kein zügelloses Lächeln, keine lockere unanständige Gebärde... der Anblick so vieler schöner Frauenleiber in verschiedenen Stellungen.. Einige Damen plauderten; einige machten Handarbeiten, andere wieder tranken Kaffee und Sorbet oder lagen lässig auf ihren Polstern und ließen sich von Sklavinnen das Haar in verschiedenen Arten aufstecken. Kurz und gut, dies ist das Damenkaffeehaus, wo alle Stadtneuigkeiten besprochen, Skandalgeschichten erfunden werden usw.“.
In der Eingangshalle erwartete man mich bereits, ohne mir Zeit zu lassen, die Informationen an der Kasse zu verarbeiten oder die träge im Barockbrunnen herumschwimmenden Goldfische in Ruhe zu beobachten. Ehe man sich`s versieht, erfolgt schon die erste Dienstleistung. Man ist seine Schuhe los und schlurft in mehr oder weniger passenden Sandalen eine Treppe hinauf, wo man zu einer Umkleidekabine geführt wird - Teil zwei des Services. Dort legt man seine Kleidung ab und windet sich ein vom Bauchnabel bis fast zu den Knien reichendes Tuch um den Leib. Wer diesen Sichtschutz einfach an der Hüfte zusammenknotet wie einst Gunther Sachs, wenn er an den Stränden von St. Tropez auftauchte, hat sich bereits als Erstbesucher geoutet, was früher oder später sowieso passiert wäre. Die Beschreibungen des türkischen Bades verlieren sich nämlich meistens in allgemeinen, fast philosophischen Betrachtungen, die den Leser nur neugierig auf den Besuch dieser Badeeinrichtung machen, ohne ihm genau mitzuteilen, was man zu tun oder zu lassen hat. Das Tuch jedenfalls schlingt man sich solange um den Leib, bis es aufgebraucht ist, was natürlich je nach Leibesfülle zu einer unterschiedlichen Zahl von Lagen führt. Klemmt man das Ende oben unter den Rand und schlägt diesen noch zwei- oder dreimal um, bekommt die Sache Halt. Diese Badebekleidung wird von Schweigger 1608 lobend erwähnt: „Sie bedecken sich im Baden fein züchtig und ehrbarlich, und nicht so schimpflich wie die Deutschen, wo es das Ansehen hat, als wollt einer die Scham mit Fleiß zeigen.“
Selbstverständlich muss man keine Angst haben als Neuling, den Weg von der Umkleidekabine in den Baderaum nicht zu finden, darum kümmert sich wieder einer dieser aufmerksamen Geister. Vom kühlen Vorraum gelangt man in den nächst wärmeren Raum, in dem die Massagebank steht. Ob man diesen Service später nutzt, hängt davon ab, wie ernst man die Gerüchte nimmt, die über diesem Ort hängen. Da wird von krachenden Gelenken und Sprüngen ins Kreuz berichtet. Mein Begleiter, zwar nur von der Statur eines Leichtgewicht-Sumoringers, bietet mir diesen Dienst an. Da aber von Natur aus nur mit einem eher geringen Bedürfnis nach Kasteiung ausgestattet, verzichte ich auf diese Erfahrung. Im 17. Jahrhundert hat Schweigger die Massage so erlebt: „...da kommt ein Badknecht, der umfängt ihn, renkt ihm den Leib hin und her, als wollt er ihm den Leib ineinander richten. Desgleichen dehnet er ihm auch die Glieder, Arm`, Händ` und die Schenkel, als wollt er mit ihm ringen. Danach legt er ihn nach der Länge auf den Herd, steht ihm auf den Leib, doch sänftiglich“. Der Franzose Tevenot war jedenfalls nach einem Besuch dieser Badeeinrichtung so fertig, dass er nur noch einen Wunsch hatte, nämlich ein Pferd, das ihn nach Hause tragen sollte.
Im Zentrum des türkischen Bades befindet sich ein etwa kniehohes, mehreckiges Marmorpodest, der Nabelstein, über dem sich eine weißgetünchte Kuppel wölbt, durch deren kleine Fenster der triste Morgen hereinscheint. Schweigger erinnert die Architektur dieses Teils des Bades an den Chor einer Kirche. Mehrere Stücke körperlangen Teppichbodens mit einem Schaumstoffpolster am Kopfende auf dem von unten beheizten Nabelstein, weisen darauf hin, sich hier niederzulassen. Vorher breitet mein Betreuer als nächste Serviceleistung ein Tuch aus, auf das ich mich dann lege, gegen die Decke starre, die feuchte, warme, modrige Luft inhaliere, die Muster des Hausschwamms im Putz studiere und dem Aufprall der von der Kuppel herunterklatschenden Wassertropfen lausche, was eigentlich durch das Gewölbe verhindert werden sollte.
Da fällt mir die Episode von Sultan Mahmut I ein, dem Spanner, dessen Klebstoff-Abenteuer ebenso in die Geschichte eingegangen ist wie Clintons Zigarren-Affäre. In seiner Freizeit beobachtete Mahmut nicht nur heimlich die Frauen im Bad, sondern ließ deren Badekleidung manipulieren. Die Nähte wurden aufgetrennt und der Stoff wieder mit Leim zusammengefügt. Durch die Feuchtigkeit löste sich dieser bald auf, die Damen standen ohne Hüllen da, was den Sultan glücklich machte.
Außer mir ist nur noch ein Badbenutzer anwesend. Früher muss hier mehr Trubel gewesen sein, ist es doch schon allein Pflicht, nach dem Geschlechtsverkehr das Bad aufzusuchen. Ob real oder nur geträumt, spielt dabei nicht einmal eine Rolle. Ein alter Brauch ist es auch für Frauen nach der Geburt das Dampfbad mit ihrer Hebamme aufzusuchen. Der hier durchgeführte Ritus soll den strapazierten Frauenkörper wieder auf Vordermann bringen.
Welche Bedeutung diese Bäder einst hatten, zeigt ihre Zahl: Zu Beginn des 18. Jahrhunderts gab es in Istanbul 14536 dieser Einrichtungen. Berühmt sind die 17 Dampfbäder im Sultanspalast, in denen die Herren und Damen schon schwitzten und sich reinigten, als man an europäischen Höfen fast noch Angst vor dem Wasser hatte. Selbstverständlich floss das Wasser für den Sultan aus goldenen Wasserhähnen und der Mann konnte seine Notdurft bereits auf einem eigenen Klo verrichten.
Inzwischen überzieht sich mein Körper mit feinen Schweißperlen. Mein Betreuer führt mich an den Rand des Baderaums, wo ich mich auf den Boden setzen muss, denn ich hatte eine „Kese“ bestellt. Bei dieser Prozedur wird man laut Reiseführer mit einem aus Ziegenhaar bestehenden Handschuh abgerieben, was Helmuth von Moltke, der das Türkische Bad im vorigen Jahrhundert besuchte, mit dem Striegeln von Pferden vergleicht. Mit einem solchen Handschuh beginnt mich nun mein Betreuer zu traktieren. Erst den Rücken, dann die Arme, an denen er mir demonstriert, wie sich meine verbrauchte Haut in schmutzig schwarzen Röllchen ablöst. Der Oberkörper, die Beine und die Füße werden anschließend bearbeitet. Zu guter Letzt, sozusagen als Beweis, wie sauber ich inzwischen bin, wird mir noch das Gesicht abgerubbelt.
Als Sultan wäre ich zwar von meiner Lieblingsfrau gewaschen worden, an den Kopf hätte ich sie aber nicht gelassen. Da legte der Sultan aus Sicherheitsgründen lieber selbst Hand an sich, wenn er sicher war, dass er sich ganz allein im Bad befand, damit niemand anders, wenn er mit geschlossenen Augen das Gesicht einseifte, heimlich Hand an ihn legen konnte.
Ein paar Schalen Wasser ergießen sich über mich und spülen meine zu Markte getragene Haut in die Kanalisation von Istanbul. Bevor ich mich nun auf und davon machen kann, werde ich noch mit einer Art eingeseiftem Mopp abgewaschen. „Good wash, good money“, zwischen den Lippen meines Servicemannes hervorgemurmelt, signalisiert mir, die Sache geht dem Ende zu.
Was einem heutigen Badbesucher in jedem Fall erspart bleibt, ist das Schröpfen: „Der Bader nimmt ein abgebrochen Schermesser, reibt es ihm in die Haut hinein, danach zündet er ein Werg an, tut`s in die Schröpfköpflein, das setzt er auf die Wunden.“ Auch die früher übliche Enthaarung geschah nicht besonders hautfreundlich: „Das Haar pflegen sie beide, Weib und Mann, an heimlichen Orten und sonsten am Leib, glatt hinweg zu ätzen mit einer schwarzen Erden, mit Kalk vermischt, und mit Wasser zu einem Brei gemacht. Diese Schmier ist so herb, dass sie auch die Haut auffrisst, und große Schmerzen macht, wenn man´s zu lang drauf lässt bleiben.“
Für Moltke: „Ist es gar nicht zu beschreiben, wie erquickend und wohltätig ein solches Bad auf große Ermüdung wirkt“. Aber vielleicht muss man wie Moltke erst einen vierzehnstündigen Ritt hinter sich haben, um seine Empfindungen nachvollziehen zu können. Moltke berichtet auch von einem „jungen deutschen Arzt, der in ein türkisches Dampfbad ging, sich zu einem Pestkranken legte und binnen vierundzwanzig Stunden tot war“.
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