Hans Bahmer

Vier Jahre Türkei


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Platz hat, befindet sich bei der Wasserpfeife ein Tonaufsatz, der mit Tabak gefüllt ist. Der echte Genießer lässt sich den schweren einheimischen Tabak bringen, der nur an der türkisch-syrischen Grenze wächst. Der türkische Tabak thront als dicke, mit Tabakblättern umwickelte Tabakwurst auf dem Schälchen aus Ton, wie die Hochfrisur auf dem Kopf einer Frau. Den ebenfalls angebotenen arabischen, mit verschiedenen Aromen versetzten Tabak lehnt der Kenner ab und bezeichnet ihn herablassend als japanische Erfindung. Zu den beliebtesten Geschmacksrichtungen gehören Apfel-,Pfirsich-, Rosen- und Cappuccino-Aroma.

      Um den Tabak zum Brennen zu bringen, werden glühende Holzkohlestückchen benötigt. Aber nicht irgendeine Grillholzkohle, sondern Holzkohle aus Eichenholz muss es sein. Diese wird auf den Tabak gelegt, sozusagen die Sahne auf dem Cappuccino.

      Der Rauch strömt nun durch den „Kerzenständer“, blubbert durch das Wasser der „Blumenvase“, das ihm etwas von seiner Hitze und seinen Giftstoffen nimmt, dringt durch einen gut ein Meter langen Schlauch, der sich durch seine Schlichtheit von den übrigen Teilen des Gerätes abhebt und einem Duschschlauch oder einer Gänseluftröhre gleicht. Der Rauch gelangt dann durch das Handstück, das mit Teppich besetzt ist und von dort in das Mundstück. Stellung und Reichtum des Wasserpfeifenbesitzers können gerade in diesem letzten, als Ziegenzitze bezeichneten Teil durch das Material und die Gestaltung in besonderem Maße zum Ausdruck kommen. Im Topkapi-Palast können honigfarbene Bernsteinmundstücke, die noch durch Edelmetalle und funkelnde Steine verziert sind, bewundert werden. Ins Auge fällt dort die Wasserpfeife von Mustafa Pasha, der im 18. Jahrhundert Gouverneur von Van war. Der Fuß seiner Pfeife besteht aus einem Goldgefäß, auf dem natürlich ebenfalls ein Gestell aus diesem gelben Edelmetall sitzt. Dieses ist mit Blättern und Ranken aus dem gleichen Material geschmückt. Dazwischen schauen Bündel von Früchten aus weißen Perlen hervor. Milchig grüne Steine geben dem Ganzen den letzten Schliff. Der Wohlhabende hat selbstverständlich auch heute noch sein eigenes Mund- und Handstück, das im Wasserpfeifencafé aufbewahrt wird, denn die Wasserpfeife raucht man nicht zu Hause. Für den, der sich eine Pfeife ausleiht, gibt es inzwischen ein Wegwerfmundstück aus Plastik, so dass die Erfahrungen von Mark Twain vermutlich der Vergangenheit angehören: „Der Rauch hatte einen scheußlichen Geschmack, und der Geschmack der tausend ungläubigen Zungen, der an jenem Messingmundstück haftete, war noch scheußlicher.“ Das Präparieren und Anrauchen der Wasserpfeife ist Aufgabe des Kellners, der auch immer wieder frische Holzkohle auflegen muss. Während M. Twains Raucherlebnis mit der Erkenntnis endete: „Nie wieder eine Nargileh!“, verschafft die Wasserpfeife einem geübten Benutzer allerhöchste Glücksgefühle.

      Allerdings muss man Zeit mitbringen, denn mit seiner Wasserpfeife kann man leicht ein bis zwei Stunden verbringen und die Welt vergessen. Vielleicht trinkt man einen Tee oder Kaffee dazu, spielt Tavla oder sitzt einfach so da. Wer Wasserpfeife raucht, ist weder ein Malboro- noch ein Camel-Typ, sondern ein stiller Genießer. Zu den bekannten Wirkstoffen des Tabakrauches addieren sich noch die akustischen Reize des durch das Wasser perlenden Gases und die taktilen Reize, die vom Material des Hand- und Mundstückes stammen. Helmuth von Moltke, der als Militärberater das Osmanische Reich besuchte, entdeckte noch eine besondere Spaß-Variante der Wasserpfeife: „Der Türke tut eine Rose oder eine Kirsche hinein und hat seine harmlose Freude daran, wie diese bei jedem Zuge auf der bewegten Oberfläche tanzt.“

      Beherrscht man die Sache, erreicht man jenen Zustand, in dem der Geist, befreit von den Fesseln des Körpers, seine eigenen Wege geht. In diesem Befinden, das von den Türken als keyf bezeichnet und von Moltke als „eine gleichmütige Seelenstimmung mit gänzlicher Vermeidung aller Emotionen“ beschrieben wird, vergisst man die Kakofonie des Straßenlärms, das Geschrei der Fußball spielenden Kinder, den Ruf des Muezzins, das Gezwitscher der Kanarienvögel aus den Räumen des Kanarienvogelvereins im zweiten Stock, das Gehämmer des benachbarten Altwarenhändlers. Wer Glück hat, dem erscheint die sich genussvoll auf der Holzkohle in der Sonne räkelnde Katze schon mal als eine in leichte Tücher gehüllte Sklavin aus dem Harem und der eher schmuddelige Köftekoch, der die Mahlzeit gewöhnlich auf einer Doppelseite der Tageszeitung „Fanatik“ serviert, verwandelt sich schnell in einen Mundschenk, der die leckersten Gerichte auf dem kostbarsten Geschirr kredenzt. Während man gerade dabei ist, sich wie ein Sultan zu fühlen, holt einen das piepsende Handy des Nachbarn in die raue Realität zurück und die ist auch für Wasserpfeifencafés in Istanbul nicht rosig, soll es doch nur noch eine Handvoll davon geben.

      Unter Murad IV und Ibrahim sah es schon einmal schlecht aus mit den Cafés. Die beiden Sultane ließen nicht nur diese Einrichtungen schließen, sondern das Tabakrauchen wurde auch noch mit dem Tode bestraft. Hammer-Purgstall weiß auch warum: „Den Vorwand gab die Feuergefahr, welche aus dem Gebrauche der Pfeife der Hauptstadt drohe, in der Tat aber war es Maßregel höherer Polizei, um durch Verbot des Kaffees und Tabaks alle Zusammenkünfte müßiger Schwätzer zu zerstäuben, und die Vereine zu zerstreuen, in welchen bei Kaffee und Pfeife die Regierung bekrittelt ward; der Despote fürchtete nicht mit Unrecht, dass aus rauchenden Tassen und Pfeifen unruhiger Sinn und Widerstand aufdampfe.“ Sogar heute sitzt der Tod dem Raucher noch im Nacken, denn selbstverständlich schadet auch die Wasserpfeife, wie der Konsum aller Tabakprodukte, der Gesundheit, obwohl kein Gesundheitsminister darauf aufmerksam macht. Neueste Untersuchungen haben sogar gezeigt, dass beim Genuss einer richtigen türkischen Wasserpfeife 22 mal mehr Teer und ein Vielfaches an Kohlenstoffmonoxid in den Körper gelangt als beim Rauchen einer Zigarette. Dem berühmten persischen Arzt und Denker Avicenna, der die Medizin weit über seine eigene Lebensspanne hinaus geprägt hat, scheint die Wasserpfeife wohl bekommen zu sein. Nach seinen eigenen Aussagen jedenfalls erholte sich der Gelehrte des Nachts bei Wasserpfeife und Tee von den Strapazen des Tages. Er wurde 57 Jahre alt. Dank oder trotz der Wasserpfeifenkur?

       PALÄSTE FÜR VÖGEL

       Es ist ganz erstaunlich, mit wie vielen Vögeln man in der Millionen-Stadt Istanbul konfrontiert wird. Da sind einmal die zahlreichen Vögel, die zur Zugzeit den Bosporus und die Stadt überqueren. Sicher für jedermann beeindruckend, wenn Hunderte von Störchen am Himmel entlanggleiten. Aber auch die Alltagsvögel, die einem außerhalb der Zugzeit an den Augen vorbeifliegen, erzeugen ein exotisches Flair. Zu diesen nicht zu übersehenden Gefiederten gehören die großen Nebelkrähen, die schwarzen Kormorane, die lärmenden Alpensegler und die zierlichen Palmtauben. Die überaus zutraulichen, rostbraunen Palmtauben sind ein Musterbeispiel für genügsame Nestbauer. Sie haben bei mir nicht nur auf der Fensterbank, sondern auch in einer als Weihnachtsschmuck aufgehängten Mistel ihr karges Nest gebaut. Interessant ist auch der Vogelmarkt, der sonntags an einem Ende der Atatürk-Brücke abgehalten wird. Hier wird hauptsächlich mit Tauben gehandelt, die sorgfältig geprüft werden, bevor sie den Besitzer wechseln. Selbst Demonstrationen ihres Flugvermögens müssen die Tiere unter Beweis stellen. Dazu werden sie einfach in die Luft geworfen. Ein um den Fuß geschlungenes Seil verhindert, dass die Tiere das Weite suchen. Es ist sozusagen nur ein Auf-der-Stelle-Fliegen möglich. Andere Tauben werden wegen ihres Aussehens verkauft. Oft sind sie noch mit Perlen geschmückt, um die Attraktivität zu steigern. Der Vogelliebhaberei frönen auch die Männer, die sich Sonntagmorgens zur Vogelversteigerung im Karnarienvogelvereinsheim treffen. Dort werden ebenso wie auf dem Taubenmarkt Kirschkernbeißer, Stieglitze, Girlitze, Hänflinge und andere Singvögel gehandelt, was belegt, dass noch immer Vögel gefangen werden. Dies kann man übrigens außerhalb der Stadt beobachten.

      Wer vor der Yeni Cami in Istanbul steht, der wird den Taubenschwarm, der sich hier häuslich eingerichtet hat, nicht übersehen können.

      Zum Umfeld vieler Moscheen gehören Tauben ebenso dazu, wie die Händler, die religiöse Utensilien zum Verkauf anbieten. Tauben füttern ist ein Spaß für Jung und Alt. Das Futter liefern die zwischen den Vögeln sitzenden Händler gegen ein paar Lira. Aber damit ist das Vergnügen noch nicht beendet. Fotografen bieten ihre Dienste an. Die bestehen darin, den Besucher auf der Moscheentreppe inmitten der nach Futter pickenden oder eben auffliegenden Vögel abzulichten.

      Helmuth von Moltke, der sich 1835 bis 1839 in der Türkei aufhielt, fielen schon damals die vielen Tauben in der Umgebung der Moscheen auf: „..und in dem Vorhof der Moschee Bajasids gibt es eine Versorgungsanstalt für Tauben.“ Die Vorliebe für die Tauben