Charles Don Flores

Unbesiegt - Unschuldig in der Todeszelle


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anbot, weil wir aus der gleichen Stadt kamen. Das verband uns eng miteinander.

      Ich begrüßte seine Freundschaft sehr und nahm sie freudig an. Ich antwortete Mingo: „Yeah, ich weiß, was du meinst und verstehe, wovon du sprichst. Ich schätze dein Angebot wirklich und werde später, falls ich was brauche, nach dir rufen, O.K.?“ „Was hast du denn schon?“ fragte er. Ich zählte ein paar Dinge auf, die ich mitgenommen hatte und wie mir die Typen in den Zellen um mich rum ausgeholfen hatten, um mir den Start hier zu erleichtern. Er meinte: „Alles klar! Du biste für ein oder zwei Wochen versorgt. Wenn ich mal wieder in die Gefängnisshop bin, werde ich dir ein paar Snacks, Kekse und ein paar Chips mitnehmen und dir zukommen lassen. Ich werde auch Briefmarken besorgen. Du musst deinen Leuten schreiben und sie wissen lassen, dass hier soweit alles in Ordnung ist.“

      Ich schätzte seine Sorge um meine Familie. Ich hatte an diesem Morgen einen Brief nach Hause geschrieben, um meinen Eltern zu erzählen, wo ich war, dass ich O.K. wäre und dass sie sich keine Sorgen machen müssten.

      Dann sagte Mingo: „Okay, hör mal zu, ich hab dir was zu sagen. Du biste im Todestrakt. Du solltest lernen, jeden Tag so gut es geht zu genießen. Du musst! Sonste du wirst verrückt! Wenn du versuchst, dein Leben hier zu genießen, werden die Dinge langsam aber sicher angenehmer für dich werden. Ich bin hier, um dir zu sagen, dass alles besser wird, wenn du das zulässt. Du weißte nicht, wie lange du noch leben wirst. Du musst das Beste aus dem machen, was du hast. Du wurdest nach dem neuen Gesetz zum Tode verurteilt, und ich habe schon mitgekriegt, wie Männer, die nach diesem Gesetz verurteilt waren, bereits nach fünf Jahren hingerichtet wurden, nachdem ihre Berufungen aufgebraucht waren. Deswegen sollte man die Zeit nutzen und sie in vollen Zügen genießen, so gut man kann.“

      Ich sagte kein Wort während Mingo sprach aber ich hörte sehr genau zu. Das war eine der Wahrheiten auf die ich im Leben gestoßen bin. Ich konnte diese Wahrheit in mir spüren. Es machte Sinn. Ich kann das jetzt alles sehr gut nachvollziehen. Es war, als ob Mingo mir eine Hand voll Perlen gegeben hätte. Er gab mir etwas sehr Wertvolles, eine Lektion, die ich lernen musste, ganz egal wie hoch der Preis dafür war.

      „Aber wie“, fragte ich Mingo, „wie machst du das? Erzähl mir, wie du jeden Tag genießen kannst und wie ein Mann in der Todeszelle glücklich werden kann, obwohl er weiß, dass er sterben wird?“

      Er lächelte mich an und sagte: „Ich schreibe viel an meine Brieffreunde auf der ganzen Welt. Ich habe Freunde in Europa, die mich unterstützen. Ich bin auch verheiratet! Ich habe eine deutsche Frau! Ich hab sie durch das Briefe schreiben kennengelernt und jetzt sind wir verheiratet. Meine Freunde helfen mir an einem Ort wie diesem zu überleben. Sie helfen mir bei vielen Dingen, unter anderem damit, dass sie mir Geld schicken. Das macht den großen Unterschied hier im Todestrakt. Geld für das tägliche Leben zu haben, macht diesen Ort fast erträglich. Mit der Hilfe von meine Freunde ich habe einen guten Berufungsanwalt angeheuert. So etwas ist für mich eine Grund zu leben, eine Grund glücklich zu sein. Die Beziehung zu meinen Freunden und Unterstützern gibt mir die Kraft, weiterzumachen. Da ich nun ein kompetentes Team habe, das an meinem Fall arbeitet und versucht mildernde Umstände im Revisionsgericht zu erlangen, habe ich mehr Hoffnung denn je. Entweder bekomme ich bald eine neue Prozess oder diese rassistischen Idioten kriegen mich dran. Dann sie werden mir einen Termin geben an dem sie mich schließlich umbringen.“

      Was er mir erzählte war so überwältigend, dass ich kaum damit fertig wurde. Es war schwer zu glauben, dass ich jetzt hier war, gerade erst im Todestrakt angekommen und schon redete ich mit einem neuen Freund, der kurz vor seinem Ende stand. Er war dabei, die letzte Chance seines Lebens zu nutzen und das letztendliche Urteil bedeutete für ihn unmittelbar Leben oder Tod. Ich fragte mich, wie so etwas geschehen konnte, in was für einer Welt leben wir eigentlich? War Mingo wirklich so nahe am legal geplanten Rachemord durch den Staat Texas? Kurze Zeit später sollte ich herausfinden, wie nahe er diesem Mord wirklich war.

      Tief in meinem Innersten wusste ich, dass ich auch diese Unterstützung brauchte, von der Mingo erzählte. Ich verstand, dass meine Situation zu schwierig war, um sie alleine zu meistern. Ich fragte Mingo: „Wo findest du solche Freunde? Sag mir, wie ich Menschen wie diese finden kann, Menschen, die mir in meinem Kampf helfen, genauso, wie dir geholfen worden ist?“

      Er antwortete: „Über Brieffreundschaftsorganisationen kannste du weltweit solche Leute finden und mit ihnen in Kontakt treten. Du schreibst einen Brief an diese Organisationen, in dem du dich vorstellst und sie suchen dir Leute, die mit dir schreiben möchten. Sie stellen auch deinen Namen und deine Adresse ins Internet. Es gibt haufenweise kostenlose Webseiten, wo du deine Informationen veröffentlichen kannst. Ich geb dir noch ein paar Adressen und werde dir, wie gesagt, auch ein paar Briefmarken mitbringen, damit du Briefe rausschicken kannst - Brieffreundschaftsanfragen - dann kannste du auch anfangen zu schreiben. Das ganze dauert aber ein bisschen, Flores. Die Leute werden dir nicht gleich nächste Woche schreiben. Es braucht ein wenig Zeit, aber wenn du dich ranhältst wirst du vielleicht ein paar echte Freunde finden, die dir beistehen. Das liegt alles an dir. Betrachte diese ersten Briefe als eine Investition für die Zukunft. Später wird es sich auszahlen.“

      Zu diesem Zeitpunkt verstand ich nicht, was Mingo mir damit sagen wollte. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass ich eines Tages solch unglaubliche Freunde haben werde, die mir helfen, den Alltag zu meistern, mir die Kraft geben, um zu überleben und mich im Kampf gegen die Ungerechtigkeit der Justiz unterstützen. In diesem Moment konnte ich mir niemals vorstellen auch nur annähernd so viel wie Mingo zu erreichen. Das Einzige, was ich wusste, war, dass es mir gefallen würde, Kontakt zu anderen zu haben, und wenn mein neuer Freund Mingo mir empfahl, Brieffreundschaften zu schließen, dann würde ich das auch auf jeden Fall machen.

      Während wir am Zaun auf und ab liefen, war ich einige Minuten lang still und dachte darüber nach, was Mingo mir erzählt hatte. Dann fragte ich ihn: „Was läuft hier eigentlich wirklich?“

      Mingo erwiderte: „Mann, du musst dir immer deiner Umgebung bewusst sein. Du weißte nie, was passieren wird und wie etwas endet. Achte immer darauf, was du sagst und tust. Verhalte dich nie respektlos gegenüber einem anderen. Hier gibt es Mörder, die alles dafür tun würden, dich fertigzumachen. Ich habe gesehen wie Menschen Zäune durchschnitten und andere rasend vor Wut niedergestochen haben. Zur Hölle, ich habe es selbst schon getan. Entweder tötest du oder du wirst getötet. Das ist das Leben hier. Man weiß nie, wer sich vielleicht zu dir umdreht, seine Kontrolle verliert, und versucht dich umzubringen. Achte immer darauf, wer sich in deiner Umgebung aufhält, und was sie treiben. Du bist hier auf dem schlimmsten Flügel gelandet. Hier wurden schon Leute erstochen. Männer wurden hier auf diesem Hof umgebracht. Nur weil wir allein in Zellen gesperrt sind, bedeutet das nicht, dass es keine Möglichkeit gibt, an dich ranzukommen. Verstehst du was ich meine?“

      Und ich verstand. „Ja Mingo, ich weiß, was du meinst! Ich werde sicher keinen dieser Verrückten an mich ranlassen.“ Unsere Zeit war viel zu schnell vorbei. Ich ging zu meiner Zelle und wartete auf meine Dusche. Mingos Worte gingen mir durch den Kopf: „Sei niemals unachtsam, Unachtsamkeit ist ein fataler Fehler hier, in einer Welt, die keine Gnade kennt.“

      Ich wusste nur, dass der Stärkere überlebt und ich beschloss nicht nur zu überleben, sondern mich weiter zu entwickeln.

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