Charles Don Flores

Unbesiegt - Unschuldig in der Todeszelle


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dem Wachhaus und einer der Transportbegleiter ging zur hinteren Tür des Wagens, öffnete sie und forderte mich auf auszusteigen.

      Draußen standen noch zwei weitere Wachleute, die mich zum Todestrakt bringen sollten. Als ich mich umschaute fiel mir auf, dass der Todestrakt in einem gewöhnlichen Gefängnis untergebracht war. Viele Häftlinge, die nicht vom Todestrakt waren, liefen herum und gingen den unterschiedlichsten Aufgaben nach. In Weiß gekleidet gingen sie zwischen den Gebäuden hin und her. Im Inneren des Gefängnishofs gab es einige große Gebäude aus Metall, die, wie ich später herausfinden sollte, Lehrwerkstätten waren, in denen Gewerbe wie Schweißen und Maschinenbau unterrichtet werden. Ich sah sofort, dass die weiß gekleideten Häftlinge den grau gekleideten Wärtern zahlenmäßig gewaltig überlegen waren, trotzdem schienen mir Letztere völlig entspannt zu sein.

      Die neuen Wachleute, die mich nun begleiteten, nahmen mir die Bauchkette und die Fußfesseln ab und fesselten meine Hände am Rücken mit Handschellen. Einer der Wachmänner schnappte die Tasche mit meinem Zeug, das ich zum Todestrakt mitgebracht hatte, und wir gingen in das Gebäude hinein. Wir gingen durch die Haupthalle der Sektion Ellis I zum Büro des Direktors des Todestrakts.

      Als ich das Büro betrat, sah ich einen hellhäutigen Schwarzen, der hinter einem Tisch aus Stahl saß. An den Streifen an seinem Hemdkragen war zu erkennen, dass er Captain war. Ich nahm Platz und schaute den Direktor an. Er starrte mich für ein paar Sekunden an und ich erwiderte seinen starren Blick. Ich übermittelte ihm damit wortlos die Nachricht, dass ich nicht die Absicht hatte, mich unterkriegen zu lassen. Mit dem typischen, schleppenden Südstaatenakzent sagte er mir: „Insasse Flores, Sie wurden in den Todestrakt verlegt. Ich bin der Direktor hier. Das hier wird Ihr neues Zuhause sein und ich sag Ihnen gleich, das hier ist ein verdammt beschissener Ort. Der Todestrakt ist kein Ort, um Ferien zu machen. Ich hab schon Scheiße hier gesehen, die könn' Sie sich nicht mal ausmalen. Es gibt mehrere Möglichkeiten, um seine Zeit hier abzusitzen. Sie könn' es sich einfach machen oder schwer, das liegt ganz bei Ihnen. Ich weiß, wer Sie sin', und ich weiß über einige Dinge Bescheid, die Sie getan haben, bevor Sie herkamen. Aber das hier ist ein Neustart. Es liegt also wie gesagt alles an Ihnen. Die meisten verlassen den Todestrakt nicht mehr lebend. Das ist nun mal so. Menschen sterben in diesem Trakt. Also, wir haben verschiedene Sicherheitsstufen in diesem Trakt. Es gibt die Stufe I, II und III. Bei Stufe I haben Sie alle Privilegien, die Sie in diesem Trakt haben können. Bei Stufe II kriegen Sie kaum noch was und bei Stufe III haben Sie gar nichts mehr. Ihre Zelle wird total leer geräumt. Die Stufen ändern sich bei disziplinarischen Verstößen. Wie ich schon sagte, Flores, es kommt alles auf Sie an und wie Sie Ihre Zeit verbringen möchten. Ich schick Sie jetzt in Stufe I rein und ich hoff, dass Sie diese Stufe halten. Also, noch irgendwelche Fragen?” Ich schüttelte den Kopf. Er erzählte mir dann bloß noch, dass ein Sergeant mich übernehme, wenn er fertig sei, und mich in den Trakt bringen werde.

      Ich wurde darauf in ein anderes Büro gebracht und der Sergeant befahl den Wärtern meine Handschellen abzunehmen. Er saß auch genau wie der Direktor hinter seinem Schreibtisch und starrte mich an, während ich meine Handgelenke massierte, damit das Blut wieder in meine Finger lief. Danach musste ich mich ausziehen. Der Sergeant meinte, dass er meinen Oberkörper fotografieren und sich notieren müsse, ob ich irgendwelche Tattoos oder Narben hätte. Ich zog mich also aus und er fing an, mir Fragen zu stellen und Papierkram auszufüllen.

      Einmal fragte er mich: „Na, was ham' wa denn ausgefressen, dass wa hier gelandet sind?” Ich antwortete sofort: „Ich habe einen Scheißdreck getan! Ich bin hier gelandet, weil ich der einzige Mexikaner in einer Gruppe von Weißen war und weil ich einen Eintrag im Strafregister hatte.” Es machte mich wütend diesem Bauerntrampel zuzuhören und diese rassistische Memme fragt mich dann auch noch so lässig, was ich getan hätte, als ob ich ihm jetzt beichten sollte, dass ich dutzende von Menschen getötet hätte oder schlimmer. Ich versuchte mich zu beruhigen und sagte nichts während er mich über seinen Schreibtisch hinweg anglotzte. Er fragte mich nichts mehr über meinen Fall oder die Umstände, die Ausschlag gebend waren.

      Nach diesem Zwischenfall machte der Sergeant schnell und teilte mir mit, dass mein neues Zuhause im Flügel J-21 sein werde. Nach einiger Übergangszeit würde ein Gremium entscheiden, ob mir der Freigang zusammen mit den anderen Häftlingen erlaubt sei. Erst mal dürfe ich nur alleine Freigang haben. Das meiste, was er sagte, ergab für mich keinen Sinn, aber ich stellte keine Fragen. Ich ging davon aus, dass ich ohnehin bald alles wissen würde, was es über diesen Trakt zu wissen gibt. Ich nahm ihm die Anmerkung, was ich getan hätte, immer noch übel und wollte ihn loswerden. Wir verließen das Büro des Sergeants und sie brachten mich zu einem Trakt. Ich konnte großen Lärm, der von dort herauskam, hören. Oberhalb der Stahltür war ein Schild mit der Aufschrift „J-21 Todestrakt”. Die Tür öffnete sich automatisch und wir betraten den Flügel.

      Es war, wie wenn man ein altes, muffiges Verließ betreten würde. Überall, wo ich hinschaute, war schwarzer Maschendrahtzaun zu sehen. Über die Gitterstäbe der Zellen hatten die Behörden diesen Maschendraht gezogen und damit die Zellen in vergitterte Käfige verwandelt! Der Trakt war dunkel, düster und laut, so laut, dass es ohrenbetäubend war! Jeder schien gleichzeitig zu schreien! Ich konnte die negativen Energien spüren, die meinen ganzen Körper durchflossen. Es gab drei Reihen von Zellen, die übereinander gebaut waren. Sie wurden „Rows” genannt. Die unterste Reihe war die 1-Row, die mittlere die 2-Row und die oberste die 3-Row. Mir wurde eine Zelle am Ende der 1-Row zugeteilt. Die Männer brüllten auf dem Gang herum und verkündeten lautstark, dass ein neuer gerade den Trakt betreten hätte und dass ich eine Zelle in der 1-Row belegen würde. Ich ignorierte die gesichtslosen Stimmen und folgte den Wachen zur Zelle 20.

      Kapitel 4

      Der absolute Tiefpunkt

      Als ich Zelle 20 sah, realisierte ich, dass alles gerade noch schlimmer geworden war. Die Zelle, in die sich mich steckten, war eine so genannte Management Cell, eine Übergangs- oder Disziplinierungszelle. Das waren speziell angefertigte Zellen, um die gewaltbereitesten Häftlinge unterzubringen und im Zaum zu halten. Der vordere Teil der Zelle bestand aus Stahlstäben und über die Stangen und den Maschendraht waren Stahlplatten geschweißt. Das Haupttor der Zelle bestand aus Stangen, die man zur Seite schieben musste, um sie zu öffnen, aber es gab auch noch eine stählerne Schwingtür davor. Am Ende dieses langen Flügels gab es kein Sonnenlicht, nur Dunkelheit, eine Welt der Schatten, eine endlose Nacht. Und hier würde ich den Rest meiner Tage verbringen! Ich ließ die Situation auf mich wirken. In diesem Moment war ich überzeugt, dass dieser Ort in der Tat die Hölle auf Erden war. Der Wachmann stellte die Plastiktüte mit meinem Eigentum hinein und ich betrat die Zelle. Ich wurde angewiesen, mich vor der Zellentür hinzuknien und meine Hände hinter mir durch die Essensklappe zu stecken, damit der Wärter meine Handschellen entfernen konnte. Ich folgte den Anweisungen und die Handschellen wurden mir abgenommen. Ich sah mich in der heruntergekommenen Zelle um. Dreckablagerungen befanden sich an den Wänden, Kakerlaken krabbelten überall auf dem Boden herum und in der Ecke war eine faulig riechende Toiletten-Wasch-Kombi angebracht. Diese scheußliche Zelle war wie ein Sarg. Sie war 5 auf 9 Fuß (circa 1,50 m mal 2,70 m) groß. In meinem Innersten war mir nun klar, dass ich den absoluten Tiefpunkt erreicht hatte.

      Nach kurzer Zeit kam der Hilfswärter zu meiner Zelle. Die Wachleute hatten die zweite Stahltür nicht geschlossen, also konnte ich wenigstens mit ihm reden. Ein Hilfswärter ist ein zuverlässiger Häftling, der auf dem Flügel arbeitet, um den Wachleuten beim Saubermachen, beim Servieren des Essens und Sonstigem zu helfen. Er stopfte einen Lumpen unter der Tür durch. Die Zellentür hatte eine Metallplatte unten angeschweißt, unter der ein Zwischenraum von einem guten Zentimeter zwischen dem Metall und dem Betonboden war. Auch ein wenig Scheuerpulver schob er durch. „Ich bin Cadillac“, sagte er, „ich bin der Porter, das Mädchen für alles, auf diesem Flügel. Ich weiß, dass du diese Dreckszelle saubermachen musst. Dafür sind der Lumpen und das Putzmittel. Um deine Sachen werde ich mich später kümmern.“ Ich dankte ihm und er ging, aber ich fragte mich, was zum Teufel für Sachen er meinte. Ich begann, die Zelle zu säubern - es war ein Albtraum. Ich scheuerte stundenlang von oben bis unten und als ich schließlich fertig war, war ich völlig verdreckt.

      Nachdem ich die Arbeit beendet hatte, setzte ich mich auf meine Pritsche und dachte über diesen neuen Ort