Jörn Kolder

Betriebsfeiern(n) bis die Hütte brennt!


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er verinnerlicht hatte, dass sich sein Traum als erfolgreicher Designer wohl nicht so schnell erfüllen würde, beschloss er, wenigstens einer der Starverkäufer der Stadt zu werden. Aus diesem Grund bewarb er sich beim führenden Haus für Damenbekleidung und wurde sofort genommen, da er sich schon einen gewissen Ruf erarbeitet hatte. Kriegel machte da weiter, wo er aufgehört hatte, aber diesmal auf einem höheren Niveau. Das bedeutete konkret, dass er für die vermögenden Ärzte- und Anwaltsgattinnen als persönlicher Berater abgestellt wurde, und sich seine Tätigkeit jetzt neben dem Verkauf und dem Beischlaf um eine kulturelle Komponente erweiterte. Da die Ehemänner der Kundinnen beruflich mächtig eingespannt waren und fast alle auf einen Porsche sparten, ließen sie ihren Frauen freie Hand, ohne jedoch zu wissen, welches Maß die Bemühungen von Hubertus Kriegel mittlerweile angenommen hatten. Dieser begleitete die Frauen also nach dem Einkauf nach Hause, vögelte dann relativ lustlos mit ihnen ein bisschen herum, und ließ es sich danach noch bei einem erlesenen Essen gut gehen. Später erschien er dann noch einmal im Laden, plauderte noch ein wenig mit den anderen Angestellten, und ging nach Hause.

      1989, da war er 31 Jahre alt geworden, hatte er die Lust an den immer gleich bleibenden Tätigkeiten verloren und etwas Geld aufgrund seiner Verkaufserfolge und den geheimen Salären seiner Kundinnen angespart. Konkret waren es 124.565,72 D-Mark, die auf seinem Bankkonto lagen. Als wenig später die Mauer fiel witterte Kriegel eine Chance, im Osten ordentlich Geld verdienen zu können. Er ging nach Potsdam, da sich im Umland von Berlin doch einige Leute ansiedeln würden, die Geld hatten. Er mietete einen Laden an und kaufte eine Grundausstattung von Damenbekleidung ein, die im höheren Preissegment lag. Zwar rannten ihm die Leute die Bude ein (da er einer der ersten Anbieter direkt vor Ort war), aber kaum jemand kaufte etwas, da die Preise für die Einheimischen schlichtweg zu hoch waren. Vielmehr bestellten die Interessenten lieber über Kataloge. Hubertus Kriegel saß auf einem Hocker hinter dem Verkaufstresen und auf seiner Ware. Dieser Zustand hielt knapp anderthalb Jahre an, dann musste er den Laden aufgeben.

      Also ging er wieder nach Nordrhein-Westfahlen zurück und stieg erneut als Verkäufer ein. Kriegel war in seiner Erscheinung in den Jahren wie guter Wein gereift und machte einen blendenden Eindruck. Durch die vielen Gespräche und Begegnungen mit den Kundinnen wusste er ganz genau, wie Frauen tickten. Da er sehr kommunikativ veranlagt war, stellten die einsamen Abende für ihn ein Problem dar. Zwar konnte er ohne große Mühe in Bars herumlungernde einsame Frauen aufreißen, aber das befriedigte ihn schon lange nicht mehr richtig. Hubertus Kriegel verspürte so eine Art Verlangen, die wilden Zeiten hinter sich zu lassen, und nun sesshaft zu werden.

      Friedhelm Richter hatte seine spätere Frau Helga 1967 kennengelernt. Zu dieser Zeit lief die „KME Export-Import GmbH“ schon ganz gut und der 37jährige Unternehmer hatte mächtig zu tun. Er war täglich so um die zehn Stunden auf Arbeit und ging auch am Wochenende noch ins Büro, um ein paar unerledigte Sachen aufzuarbeiten. Die Arbeit war für ihn wie eine Droge, zumal sich auch erste greifbare Erfolge einstellten. Am Sonntag saß er dann abends allein in seiner Wohnung und fühlte sich einsam. Im Sommer rückte Richter allerdings gern mal in einen der vielen Biergärten der Stadt ein und beobachtete bei einigen Bieren sitzend seine Umgebung. An einem dieser Tage fiel ihm eine junge Frau von vielleicht Mitte der zwanziger Jahre in einer Gruppen von Freundinnen auf. Sie war nicht sonderlich attraktiv, aber lachte viel und verbreitete gute Laune. Richter hatte seine Ansprüche an eine Frau für sich selbst schon lange definiert. Sie musste fleißig sein, diszipliniert, ihm sexuelle Dienste leisten können und später dann eine gute Mutter werden. Erfahrungen auf sexuellem Gebiet besaß er noch keine, aber er ging davon aus, dass die Sache ja im Wesentlichen abgeschirmt im Dunkeln des Schlafzimmers stattfinden würde, und übermäßige Schönheit dann ihren Reiz wohl kaum entfalten könnte. Wozu also sollte er in der ihm nur knapp zur Verfügung stehenden freien Zeit Klimmzüge anstellen, um eine Frau zu bezirzen, die womöglich gut aussah, aber sich keinen Deut darum scherte, mit Einsatzbereitschaft etwas zu schaffen. Am Günstigsten wäre eine, die in seinem eigenen Betrieb mitarbeiten könnte. Richter traute sich an diesem Tag noch nicht, die Frau anzusprechen. Als er wieder einmal im Biergarten saß nahm die Freundinnengruppe zufällig neben ihm Platz, und die ihn interessierende Frau saß direkt neben ihm. Da sie wie üblich wild gestikulierte riss sie aus Versehen Richters Bierglas um und das Getränk kippte auf seine Hose.

      „Oh, Entschuldigung“ rief die junge Frau aus, denn Friedhelm Richter war erschrocken aufgesprungen.

      „Wie kann ich das bloß wieder gut machen“ fragte sie noch.

      Der Mann stand hilflos mit seiner nassen Hose da und wusste nicht so recht was er antworten sollte.

      „Ach, kein Problem“ stotterte Richter „die Hose tue ich zu Hause in die Waschmaschine, es ist ja weiter nichts passiert.“

      „Sie“ fragte die Frau zurück „warum nicht Ihre Frau?“

      „Äh, ich bin nicht verheiratet.“

      „Dann kann ich Sie sozusagen als Entschädigung einmal zum Essen einladen“ lachte die junge Frau.

      Friedhelm Richter war so perplex gewesen, dass er sich für den kommenden Sonntag zum Abendessen einladen ließ.

      Helga Brauer war 28 Jahre alt, Sekretärin, und schon lange auf der Suche nach einen Ehemann. Sie wusste genau um ihre fehlenden fraulichen Reize und versuchte demzufolge möglichst schnell unter die Haube zu kommen. Der ganz vernünftig aussehende Mann schien ihr eine gute Beute zu sein, zumal sie dann im Gespräch mit Richter auch noch erfahren hatte, dass er eine eigene Firma besaß. Sie beschloss Nägel mit Köpfen zu machen und lud Richter kurzerhand zu sich nach Hause ein. Diesem wurde ob der Forsche der Frau immer bänger, aber er hatte auch nicht Traute, einen Rückzieher zu machen. Helga Brauer wickelte den verschüchterten Mann in den kommenden Wochen immer mehr um den Finger und bekam ihn schließlich ins Bett. Der Abend verlief nicht unbedingt desaströs, aber war bei Weitem kein Glanzlicht der Leidenschaft gewesen. Bei den folgenden Versuchen kamen sie beide besser miteinander zurecht und Richter gelangte schließlich zu der Überzeugung, dass er nicht weiter rumexperimentieren, und eventuelle Vergleiche zu anderen Frauen anstellen müsste. Ein Zurück gab es für ihn ohnehin nicht mehr, denn bereits nach drei Monaten war Helga Brauer schwanger. Sechs Wochen später wurde sie Richters Ehefrau.

      Bettina Richter kam vom Aussehen her nach ihrer Mutter, sie war also keine Schönheit. Eher musste man sie ehrlicherweise als stockhässlich bezeichnen. Das pferdekopfähnliche Gesicht wurde von dünnen Haaren eingerahmt, der Hintern war mehr als breit und über einen Busen verfügte sie auch mit 18 Jahren noch nicht, wohl aber über das Abitur. Ihr Vater hätte es gern gesehen, wenn sie Interesse für die Firma gezeigt hätte, aber Bettina Richter hatte ganz andere Ambitionen. Ein nach vorgeschriebenen Regeln verordnetes Arbeitsleben kam für sie überhaupt nicht in Frage. Vielmehr wollte sie ihre künstlerischen Neigungen ausleben und teilte ihren Eltern kurzerhand mit, dass sie Malerei studieren würde. Auch der Hinweis ihres Vaters, dass man damit kaum Geld verdienen könnte schlug bei ihr nicht an, und so begann sie das Studium. Anfangs machte sie ganz gute Fortschritte, aber es stellte sich bald heraus, dass sie ziemlich talentlos war. 1989, im Alter von 22 Jahren, händigte man ihr zwar einen Abschluss aus, aber dieser war so katastrophal ausgefallen, dass sich damit nirgendwo – zum Beispiel bei einer Werbeagentur - vorstellen konnte. Das hatte sie auch nicht vorgehabt, denn in ihren Augen waren die Lehrkräfte allesamt Ignoranten gewesen, die ihr Potential bloß nicht erkannt hatten. Bettina Richter schwebte schon immer ein eigenes Atelier vor und ihr Vater konnte seinem einzigen Kind keinen Wunsch abschlagen. Also mietete er einen größeren Raum an und stellte die erforderlichen Utensilien für die Malerei bereit. Seine Tochter legte mit Elan los und Friedhelm Richter sah sich fassungslos die Ergebnisse ihres Wirkens an. Von da war ihm klar geworden, dass er seine Tochter wohl noch lange finanziell unterstützen müsste. Tatsächlich gelang es Bettina Richter innerhalb des ersten Jahres als Malerin, nur ein einziges Bild für 100 D-Mark zu verkaufen. Auch in den folgenden Zeiten lief es nicht besser.

      Obwohl sie aufgrund dieses Ergebnisses Bescheidenheit an den Tag hätte legen müssen tat sie nichts dergleichen, und nervte ihre Eltern immer wieder mit Geldforderungen. Um ihr unvorteilhaftes Äußeres