Jörn Kolder

Betriebsfeiern(n) bis die Hütte brennt!


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Firma, aber es tat ihm in der Seele weh, dass seine Tochter so gar nicht auf eigene Beine kam und ihm auf der Tasche lag. Schließlich überwies Richter seinem Kind zähneknirschend monatlich 2.000 D-Mark. Bettina Richter war somit in der Lage weiter zu pinseln, und ihre üppigen Konsumwünsche zu erfüllen. Dabei stieß sie im Jahr 1991 auf das Geschäft, in welchem der 33jährige Hubertus Kriegel arbeitete. Dieser hatte nach den vielen Jahren in der Branche langsam die Nase von den aufdringlichen Kundinnen voll und seinen Traum als Modedesigner bei weitem noch nicht beerdigt und wieder aufleben lassen. Die hässliche junge Frau kaufte immer recht ordentlich bei ihm ein und Kriegel kam mit ihr ins Gespräch. So erfuhr er, dass sie Malerin war. Scheinbar war er auf eine Geistesverwandte gestoßen. Der Mann hatte sich bei seinen vielen Kundinnen mehr als ausreichend sexuell ausgetobt und das ewig gleiche Verfahren langweilte ihn mittlerweile schon. Hubertus Kriegel war sich durchaus bewusst, dass er keine Schönheitskönigin vor sich hatte. Da die Frau ihm aber auch noch von der Firma ihres Vaters erzählt hatte, die scheinbar blendend lief, sah er seinem Traum als Modedesigner arbeiten zu können ein ganzes Stück näher rücken, wenn er denn bestimmte Kompromisse einging.

      Er schlief eine Nacht darüber und begann dann Bettina Krüger den Hof zu machen. Seine Bemühungen fielen auf fruchtbaren Boden, denn 1992 kam ihr Sohn Gunter zur Welt. Der damals 62jährige Friedhelm Richter war überglücklich, dass seine hässliche Tochter doch noch vollkommen unerwartet einen Mann abbekommen hatte und er Opa geworden war. Dass er sich mit Hubertus Kriegel ein ganz übles Kuckucksei in das Nest geholt hatte, war zu dieser Zeit noch nicht zu erkennen gewesen.

      Die Bilanzbuchhalterin Birgit Frenzel wirkte wie eine graue Maus, die sich offensichtlich nur ihren Zahlen mit Leidenschaft widmete. Dabei hatte sie es faustdick hinter den Ohren. Sie war seit 11 Jahren bei der KME beschäftigt und kannte die Firma in- und auswendig. Die ehemals durch und durch korrekte Frau war bei ihrem damaligen Arbeitgeber hochkant rausgeflogen, weil sie den Leuten vom Finanzamt im Rahmen einer Betriebsprüfung durch die Blume gesteckt hatte, dass der Geschäftsführer etliche Einkäufe im SELGROS als Materialverbrauch des Unternehmens deklariert hatte, aber die Großpackungen an Muscheln, französischem Käse, italienischer Wurst und diversen Alkoholika für den Eigenbedarf abgezweigt hatte. Das hätte sie durchaus verschweigen können, weil es kaum nachprüfbar gewesen wäre, aber ihr Chef hatte auch noch inventarisierungspflichtige Gegenstände wie Fernseher, einen Computer, Drucker und andere Dinge gekauft, die ihr dann natürlich körperlich im Inventar fehlten. Sie hatte das den Prüfern zwar nicht explizit mitgeteilt, aber bei der stichprobenhaften Prüfung der Kontenblätter hatte sie ganz bewusst diese unter die angeforderten geschmuggelt, die den Schwindel dann auffliegen ließen. Birgit Frenzel war es gar nicht darum gegangen den Geschäftsführer bloßzustellen, aber sie fand zu dieser Zeit kaum noch Schlaf, weil sie wegen ihrer korrekten Art solch ein Gebaren strikt ablehnte.

      Die Quittung folgte prompt auf dem Fuße, und ihr wurde fristlos gekündigt. Die Beurteilung fiel dann naturgemäß katastrophal aus. Birgit Frenzel war alleinerziehende Mutter und dringend auf ein Einkommen angewiesen, denn ihr sechsjähriger Sohn war für sie das ein und alles. Sie selbst hatte nur wenige Ansprüche, aber ihrem Kind sollte es an nichts fehlen. Sie wusste ganz genau, dass sie mit der absichtlich bösartig geschriebenen Beurteilung niemals eine neue Anstellung finden würde und entschloss sich schweren Herzens dazu, dieses Papier zu fälschen. Als sie damals ihren Schreibtisch ausräumen musste hatte sie wie abwesend neben den paar persönlichen Sachen auch einige leere Briefbögen des Unternehmens mit eingepackt. Birgit Frenzel hatte lange mit sich gerungen, sich selbst eine falsche Beurteilung zu schreiben, aber das dann schweren Herzens mit zitternden Händen an ihrem privaten Computer erledigt. Dann versuchte sie bestimmt mehr als einhundert Mal die Unterschrift des Geschäftsführers nachzuahmen. Als sie den richtigen Schwung raushatte beging sie mit der getürkten Unterschrift eine weitere Fälschung. An diesem Tag, das war Birgit Frenzel sehr klar geworden, war sie auf die schiefe Bahn geraten.

      Hubertus Kriegel hatte die Beurteilung damals nur kurz überflogen und Birgit Frenzel dann mit „na dann mal ran an die Zahlen“ in ihre Arbeit eingewiesen. Die Bilanzbuchhalterin war froh gewesen, einen neuen Job gefunden zu haben, aber im Vergleich zu ihrer vorherigen Anstellung hatte sich ihr Verdienst nahezu halbiert. Jetzt würde es ihr bald nicht mehr möglich sein, die Kreditraten für ihre Eigentumswohnung aufzubringen. Dieses Investment sah sie als Zukunftssicherung für ihren Sohn an. Als Birgit Frenzel die scheinbar ausweglose finanzielle Situation in ihrer ganzen Tragweite verinnerlicht hatte war ihr klar geworden, dass sie mit ehrlicher Arbeit nicht aus dieser Zwickmühle herauskommen würde. Nach gut acht Wochen bei der KME hatte sie genug Überblick gewonnen um zu erkennen, dass es eine Lösung für ihr Problem geben könnte. Der Geschäftsführer Hubertus Kriegel interessierte sich nur einmal im Monat für das finanzielle Ergebnis und gab sich mit einer verbalen Einschätzung zufrieden. Zahlen wollte er weder sehen noch hören.

      Im Rechnungswesen der KME waren noch die 58jährige Hannelore Bachmann und die 46jährige Ingrid Hörmann angestellt. Die beiden Frauen führten reine Routinearbeiten durch, indem sie Ausgangsrechnungen schrieben, Eingangsrechnungen bearbeiteten und diese buchten. Sie hatten also keinerlei Einblick in die Gewinn- und Verlustrechnung und die Bilanz des Unternehmens. Selbst wenn das ihnen möglich gewesen wäre hätten sie damit nicht viel anfangen können, da sie eine Bilanz überhaupt nicht lesen und interpretieren konnten. Das lag allein in der Verantwortung von Birgit Frenzel. Diese hatte lange darüber nachgegrübelt, wie sie in das Buchhaltungssystem eingreifen und für sich etwas abzweigen könnte. Ihr zusätzlicher monatlicher finanzieller Bedarf zur Bedienung der Raten für die Eigentumswohnung lag bei rund 250 Euro.

      Die Sache war ganz einfach gewesen. Birgit Frenzel richtete sich privat ein zweites Konto ein. Dann entwarf sie zu Hause einen Briefbogen, der auf die Firma „Klaus Lindner Hausdienstleistungen GmbH“ ausgestellt war. Der Briefbogen wies die üblichen Angaben aus: und das private Konto von Birgit Frenzel. Dann fertigte sie noch einen Dienstleistungsvertrag zwischen der „Klaus Lindner Hausdienstleistungen GmbH“ und der KME aus, den der Modejournale studierende Hubertus Kriegel blind unterschrieb. Für „Klaus Lindner Hausdienstleistungen GmbH“ hatte selbstverständlich Birgit Frenzel mit verstellter Handschrift unterschrieben. Die Bilanzbuchhalterin stellte von diesem Zeitpunkt an monatlich an ihrem privaten Computer Rechnungen aus, die vorgeblich für die Erbringung von diversen Hausdienstleitungen erhoben wurden. Der Rechnung lag noch eine von ihr angefertigte Aufstellung bei, die Dachrinnenreinigung, Baumschnitt und andere Phantasiearbeiten enthielt. Diese Rechnungen und die scheinbaren Arbeitsnachweise tütete sie ein und warf sie in einen Briefkasten, der eine Ecke weit entfernt von der KME lag. Als die erste einging hatte Hannelore Bachmann kurz nachgefragt, worum es sich dabei handeln würde. Birgit Frenzel hatte wie nebenbei erklärt, dass es sich hier um bestimmte Anliegerpflichten gehe, wie ja der Arbeitsnachweis verdeutlichen würde. Ihr wäre es im Interesse des eigenen Unternehmens gelungen, eine pauschale Abrechnung mit der Firma zu vereinbaren, ansonsten wäre man deutlich schlechter weggekommen. Hannelore Bachmann hatte dies zur Kenntnis genommen und die Rechnung dann kommentarlos bearbeitet.

      Als sich die KME in den 90iger Jahren ziemlich stabil in ihrer Nische etabliert hatte war es dem Gründer Friedhelm Richter wichtig gewesen, seine Mitarbeiter entsprechend zu honorieren. Er hatte sich von einem darauf spezialisierten Rechtsanwalt einen Haustarifvertrag ausarbeiten lassen, der sich damals am BAT orientierte und Stufensteigerungen und ähnliches vorsah. Birgit Frenzel kam auch in den Genuss dieses immer noch geltenden Tarifvertrages und war in den 11 Jahren Betriebszugehörigkeit gehaltsmäßig immer weiter nach oben geklettert. 2008 verdiente sie dann soviel wie in der Firma, aus der sie früher rausgeflogen war. Die Kreditraten konnte sie nunmehr locker aus ihrem Arbeitseinkommen bedienen und hätte die Aktion mit den Scheinrechnungen jetzt beenden können. Da die Sache aber seit Jahren vollkommen problemlos gelaufen und auch dem Wirtschaftsprüfer nichts aufgefallen war, war die Bilanzbuchhalterin dem süßen Gift des Geheimen und Verbotenen nunmehr endgültig erlegen, und hatte 2005 und 2007 neue Scheinfirmen in das System eingeschleust. Die „L+S GmbH“ erbrachte angeblich Leistungen in der Telekommunikation, die „European Trade Systems“ hatte scheinbar mit diversen Logistikaufgaben zu tun. Kriegel hatte die Verträge abgezeichnet und Birgit Frenzel wieder zu Hause Rechnungen geschrieben. Für die „L+S