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Sabine von der Wellen
Das Vermächtnis aus der Vergangenheit
Teil 5 Das Leben
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Inhaltsverzeichnis
Die Macht des geschriebenen Wortes
Die Verhandlung
Ich kann immer noch nicht begreifen, wie stark eine Liebe werden kann. Wie durchdringend und alles bestimmend. Für mich ist die Zuneigung, die Erik mir zu schenken bereit ist, das Größte, was ich bisher erfahren durfte. Sie erfüllt mein Innerstes und gibt mir das Gefühl von Bedeutung.
Aber auch für Erik scheint meine Liebe zu ihm das Bedeutungsvollste zu sein. Vor allem seit ich Tim meine Liebe zu Erik gestand, obwohl ich eigentlich nach dem alten Vermächtnis unseres Vorfahren unabänderlich zu Tim gehöre. Bei dem Treffen, das wir in unserer kleinen Stammkneipe arrangiert hatten, sagte ich ihm endlich, dass mein Herz nur noch für Erik schlägt und machte ihm unmissverständlich klar, dass wir niemals zusammen eine Zukunft haben werden.
Tim hatte daraufhin wutentbrannt unseren Treffpunkt verlassen und ich weiß, dass er für mich damit zu einer Gefahr wird, die ich noch nicht einschätzen kann.
Aber in Erik hatte mein Geständnis alle tiefen Abgründe einstürzen lassen, die sich immer wieder in ihm auftaten und gab ihm endlich das Gefühl der Beständigkeit, dass er so sehr braucht.
Doch angesichts meines Zerwürfnisses mit Tim ist uns allen klar, dass mir eine schlimme Zeit bevorsteht. Tim ist so aufgebracht und wütend über meine Entscheidung, dass ich davon ausgehe, dass er unseren Bruder Julian mit einer neuen Aussage eine Gefängnisstrafe ersparen wird. Und dann? Wird Julian mich wieder töten wollen, um an den Teil des Alchemisten Kurt Gräbler zu gelangen, der in mir schlummert? Oder glaubt Tim, Julian wird mich dazu bringen können, mit ihm die für uns vorgesehene Bindung einzugehen?
Seit dem Streit mit Tim plagen mich wieder die Albträume. Ich sehe ihn mit Julian zusammen alles zerstören, was ich mir aufgebaut habe und mehr als einmal träumte ich sogar davon, dass sie Erik, Ellen oder Daniel etwas antun, wenn ich nicht nach ihren Regeln spiele. Wie real meine Träume werden können, zeigte mir die Vergangenheit.
Erik weicht seit dem Tag nicht mehr von meiner Seite. Er hat Angst, mich auch nur einen Moment aus den Augen zu lassen, und seine Schwester Ellen teilte kurzerhand ihren Eltern mit, dass Erik jetzt mit mir zusammen ist und sie ihn gehen lassen müssen … Bewährungsauflage hin oder her.
Er hat noch achtzehn Monate eine Bewährungsstrafe wegen Drogenbesitz und Drogenhandel zu überstehen und ihm sind in allem die Hände gebunden. Ständig muss ich befürchten, dass sie ihn holen und einsperren, denn er steckt noch tief im Drogenmilieu fest.
In dem großen Bett, in Eriks Armen liegend, versuche ich wieder einzuschlafen. Es ist Sonntag und wir können ausschlafen. Dennoch schaffe ich es nicht, mich erneut in die Tiefe des Schlafes fallen zu lassen.
Es ist der letzte Sonntag, der mir noch ein wenig eine heile Welt vorgaukeln kann. Morgen bricht die Woche an, die wahrscheinlich mein Leben verändern wird. Ich hoffe, dass Julian dem alten Vermächtnis des Alchemisten und dem Fluch über uns für immer abgeschworen hat, und wieder ein mich als Schwester liebender Bruder sein wird. In meinen Tagträumen, die ich beeinflussen kann, bauen wir uns ein Verhältnis auf, wie es Erik und Ellen auch geschafft haben.
Nachdem sie ihre ganze Kindheit und Jugend damit verbrachten, sich zu verachten, zu hassen und zu ignorieren, sind sie nun zu einem Geschwisterpaar zusammengeschmolzen, das sich hilft und für den anderen einsteht.
Das ist nicht nur mein Verdienst! Auch Daniel, Ellens große Liebe und Eriks bester Freund, hat einen nicht geringen Anteil daran. Und auch mir wird er immer mehr zu einem Freund, seid ihm klar ist, dass ich Erik wirklich liebe und zu ihm halte, was auch immer geschieht. Auch Daniel weiß, dass Erik nichts anderes verdient hat.
Da ich nicht wieder einschlafen kann, streiche ich vorsichtig die über die Augen reichenden, blonden Haare aus Eriks Gesicht, die sich dort in ihren lockigen Ursprung verwirren. Den Rest der Haare trägt er immer noch so kurz, dass nur ansatzweise Locken zu erkennen sind und ich weiß, wenn er die Augen aufschlägt, sehe ich das wunderschöne Braun darin.
Es ist wieder eine Zeitspanne, die er überbrücken konnte, ohne Drogen zu nehmen. Erik kämpft darum, diese Zeitspannen immer weiter zu verlängern und ich unterstütze ihn, wo ich kann. Ich bin ihm aber auch nicht böse, wenn er wieder etwas nimmt, um die Qual nicht noch schlimmer werden zu lassen. Sein Wille, für ein Leben ohne Drogen zu kämpfen, macht mich schon glücklich.
Aber trotz seiner Größe und seines starken, durchtrainierten Körpers ist er in seinem Inneren schwach und von dem Schrecken aus seiner Kindheit, als er entführt und schwer verletzt wurde, in seinen Grundfesten so erschüttert, dass ihm nur die Flucht in Gewalt und Drogen geblieben war. Doch aus dem Sumpf wieder herauszufinden ist so schwer für ihn, dass ich mir oft nicht sicher bin, ob er es jemals schaffen wird. Und seit er den Kampf aufgenommen hat, bin ich seine Droge, die ihm den Halt im Leben geben muss und seine Albträume beschwichtigen und seine Ängste ausradieren muss.
Aber auch ich habe täglich mit meinen eigenen Ängsten und Schrecken zu kämpfen und mein Albtraum aus der Vergangenheit ist noch längst nicht vorbei. Manchmal glaube ich, er beginnt jetzt erst, mit dieser Woche, die vor uns liegt.
„Hey, mein Schatz“, höre ich Erik leise sagen.
Diese sanfte Stimmlage hat er sich bei mir zu Eigen gemacht, neu erfunden und mir damit seine Liebe mit jedem Wort verdeutlichend. Wenn er mit mir spricht und diesen Ton anschlägt, sehe ich immer automatisch zu Ellen und Daniel, die gar nicht fassen können, dass Erik überhaupt zu so einer Stimmlage fähig ist und ich muss jedes Mal über ihren Gesichtsausdruck lächeln. Und das Wort „Schatz“ hat Erik eine neue Dimension an Zuneigung eröffnet, die sein Leben mittlerweile bestimmt.
Er dreht sich zu mir um und seine Hand gleitet unter mein Haar in meinen Nacken. „Hast du wieder schlafen können?“ Er klingt sorgenvoll und das ist kein Wunder, nach dieser Nacht, die mich wieder von einem Albtraum in den nächsten irren ließ.
„Ja, habe ich. Es geht mir gut.“ Wie immer möchte ich nicht, dass er sich um mich sorgt.
Seine Lippen legen sich auf meine und sein warmer Körper schiebt sich an meinen. Das ist seine Art, die Schrecken der Nacht zu verscheuchen. Er nimmt mich in seine Arme und hält mich fest umschlungen. Ich genieße es, wenn er mir