Sabine von der Wellen

Das Vermächtnis aus der Vergangenheit


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dass ich mit Erik zusammen bin und mit ihm zusammenlebe, wie ein Schiff im tosenden Meer untergehen.

      „Ja, das werde ich tun. Schließlich geht es auch nicht anders. Es geht nun mal um uns und dem Bild, weswegen Tim wütend ist. Und Marcel wird auch wütend sein. Schließlich denkt er, du wirst aus mir ein drogenabhängiges Strichmädchen machen.“ Ich grinse Erik an und füge schnell hinzu: „Aber das ist egal. Ich muss wissen, was er über die Sache mit der Botschaft auf dem Bild denkt.“

      „Was soll er darüber denken? Da stand doch nur, dass Tim euren Bruder mit einer Falschaussage helfen soll aus der Untersuchungshaft zu kommen. Und da du und Marcel ja damals schon falsche Angaben gemacht habt, könnt ihr ihm nicht mal verübeln, wenn er auch umschwenkt.“

      Erik ist immer noch viel zu aufgebracht, als dass er auch nur für einen Augenblick meine tiefsitzende Angst registriert, und dass dieses Gespräch mir wirklich wichtig ist, um diese Angst unter Kontrolle zu bekommen.

      „Kommst du jetzt mit oder muss ich alleine gehen?“, frage ich ungeduldig und gehe in die Küche, um mir schnell noch etwas zu trinken zu nehmen, bevor ich aufbreche. Ich bekomme keine Antwort und höre stattdessen Erik telefonieren.

      Als ich wieder ins Wohnzimmer komme, nickt er wütend. „Ich gehe natürlich mit! Ich lasse dich bestimmt nicht mit dem allein. Wer weiß, was er tut, wenn du ihm von uns erzählst? Ich möchte nicht, dass er dich wieder ins Auto zerrt und mit dir abhaut.“

      Ich sehe ihn verwirrt an. Dann fällt mir ein, dass Ellen Erik und Daniel im betrunkenen Zustand einmal erzählt hat, wie Marcel mich nach unserer ersten Trennung an der Schule abfing und ins Auto verfrachtet hatte, um mich zu einem Gespräch zu zwingen.

      „Das wird er nicht. Damals war alles anders!“, raune ich nur und hoffe, dass das stimmt. Marcel heute sagen zu müssen, dass ich mit Erik zusammen bin, verursacht mir Magenschmerzen und Erik so aufgebracht zu sehen, tut mir weh. Er hat so eine Angst! Aber wovor? Ich will doch nur ihn!

      „Okay. Dann lass uns gehen. Marcel kommt zu dem Parkplatz, auf dem ihr sein Auto schon beim letzten Mal belagert habt.“ Ich halte Erik meine Hand hin und er ergreift sie widerwillig. Mich an sich ziehend, nimmt er mein Kinn zwischen seinen Daumen und Zeigefinger und zwingt mich, ihn anzusehen. „Lass mich das heute ja nicht bereuen“, knurrt er aufgebracht und ich schüttele nur den Kopf. „Erik, bitte! Es wird nichts passieren!“

      Wir verlassen die Wohnung und als wir die Treppe hinunter an Daniels Wohnung vorbeigehen, klopft Erik im Vorbeigehen an dessen Tür.

      Sofort fliegt die auf und Daniel kommt mit Ellen ins Treppenhaus gestürmt. „Okay! Gehen wir!“, ruft er, ohne einen Gruß oder ein nettes, beruhigendes Lächeln.

      Ellen zwinkert mir wenigstens zu, als Zeichen, dass ich beruhigt sein kann. Mir ist klar, dass Erik sein kleines Aufgebot als Unterstützung braucht, und dass Ellen dabei ist, beruhigt mich ungemein. Sie hält mir notfalls die Männer etwas in Schacht.

      Als wäre es das Selbstverständlichste der Welt, dass mich drei Leute begleiten, wenn ich meinen Exfreund kurz sprechen möchte, gehe ich weiter. Aber in meinem Inneren zieht sich alles zusammen. Ich schlucke meinen Ärger darüber einfach hinunter. Mit Erik lebe ich jetzt in einer Welt, die diesbezüglich anderen Regeln folgt.

      Der Himmel ist immer noch verhangen, aber es regnet nicht mehr. Wir gehen durch die Altstadt zum Dom, neben dem der Parkplatz ist, auf dem ich mich mit Marcel treffen will. Da das Wetter heute schlecht ist, wird er dort auch einen freien Platz bekommen.

      Zu meiner Überraschung lässt Erik meine Hand los und gibt Daniel ein Zeichen, ihm zu folgen. Nur wenige Parkplätze sind leer und Erik platziert sich mit Daniel und Ellen so, dass er mich immer im Blickfeld hat. Er wendet sich an seine Schwester, die Daniel unsicher ansieht und dann langsam zu mir zurückkommt.

      Ich stehe unschlüssig an der Parkplatzauffahrt und warte darauf, dass ein roter Golf an mir vorbeizieht.

      „Ich soll bei dir bleiben“, sagt Ellen und sieht mich verunsichert an, als sie neben mir auftaucht.

      „Das ist in Ordnung. Aber ich muss dich bitten, etwas auf Abstand zu bleiben und mich allein mit Marcel sprechen zu lassen“, raune ich und bin mir sicher, dass das kein Problem darstellt.

      Ellen wirft einen Blick zu Erik hinüber und schüttelt den Kopf. „Erik will, dass ich wie eine Klette an deiner Seite klebe.“

      Verdutzt sehe ich sie an und mir wird klar, dass Erik kein bisschen Vertrauen in mich setzt.

      „Verdammt!“, fluche ich leise und Ellen sieht mich unschlüssig an. „Ist das irgendwie ein Problem?“, fragt sie barsch.

      Seit sie und Erik ihr geschwisterliches Verhältnis in eine Richtung lenkten, in der sie wirklich auch wie nette Geschwister miteinander umgehen, wird sie schnell wütend, wenn sie das Gefühl hat, Erik könnte hintergangen werden. Aber dass sie bei mir nun so tut, als würde ich ihn irgendwie betrügen wollen, macht mich wütend.

      „Ja, ist es! Ich schwöre dir, wenn du Erik nur einen Ton von dem erzählst, was du gleich zu hören bekommst, ist es aus mit unserer Freundschaft“, knurre ich aufgebracht.

      Ellen sieht mich verdattert an. Dass ich sie so anfahre, hatte sie nicht erwartet und auch nicht, dass es wirklich zwischen mir und Marcel zu einem Gespräch kommen wird, von dem Erik nichts wissen darf. Sie will gerade wütend etwas erwidern, als Marcels Auto an uns vorbeirauscht und in die nächste Parklücke setzt.

      Er springt behände aus dem roten Golf und sieht einfach nur gut aus. Dass ich das immer wieder feststelle, bringt mich kurz aus der Fassung.

      Er kommt auf mich zu und umarmt mich kurz, mit Blick auf Ellen. „Hi!“, grüßt er sie kurz und lässt mich los, weil er merkt, wie ich mich in seinem Arm erschrocken versteife.

      „Ellen! Marcel!“, stelle ich die beiden einander vor.

      Sie hatten bisher nur telefonisch miteinander zu tun gehabt, als Ellen Marcel anrief, um mich von ihm, nach meiner Drogeneskapade mit Erik, wegholen zu lassen. Sie wollte damals nicht, dass Erik mir zu nahekam. Doch bald schon bereute sie diesen Schritt, denn er beendete Marcels und meine Trennung.

      „Hallo!“, sagt Ellen und reicht ihm die Hand.

      Und Marcel nimmt sie bereitwillig. „So begegnen wir uns auch mal“, raunt er und sieht sich um.

      Da er Daniel und Erik nicht kennt, fallen ihm die beiden nicht weiter auf.

      „Wollen wir irgendwohin gehen?“, fragt er und sieht mich wieder aus seinen grauen Augen an. Sein Blick versetzt mir einen kleinen Stich und ich schaue zu Erik hinüber, der neben Daniel an einem der Bäume lehnt und eine Zigarette raucht, jede unserer Bewegungen genau verfolgend. Sein Anblick relativiert meine Gefühle sofort wieder und ich atme einmal tief durch und sehe Marcel wieder an. „Ich habe nicht viel Zeit und ich denke, du wirst nach dem Gespräch nicht mehr lange bleiben wollen“, prophezeie ich ihm.

      Marcels Gesichtsausdruck wird bei meinen Worten zusehends mürrischer. „Okay, verstehe! Aber ich bin von dir einiges gewöhnt. Also bitte! Du wolltest, dass ich komme. Sagst du mir jetzt, was Tim seit Dienstag veranlasst, sich nun bei Julians Verhandlung auf dessen Seite zu stellen? Ich denke, es hängt mal wieder mit dir zusammen.“ Der barsche Unterton in seiner Stimme sagt mir, dass er sich sicher ist, dass ich an allem schuld bin.

      Ich nicke nur niedergeschlagen. Was habe ich auch zu erwarten? Es ist schließlich auch meine Schuld.

      Ich beginne ihm erst mal von dem zu erzählen, was mein Vater mir am Sonntag bei Marcels Fußballspiel erzählt hatte. „Am Sonntag hat mein Vater mir mitgeteilt, dass eine seltsame Organisation Julian einen neuen Anwalt zur Verfügung stellt, der ihn auf alle Fälle da rausholen will. Angeblich ist das eine Organisation, die Jugendlichen hilft, den rechten Weg zu finden … oder so. Der Anwalt soll irgendwas Ausländisches sein und macht das kostenlos.“

      Marcel holt eine Zigarettenschachtel aus seiner Jacke, völlig unerschrocken von dem, was ich ihm da erzähle. Uns eine anbietend, bedienen wir uns und er gibt uns Feuer. Sich an sein Auto lehnend, sieht er mich unschlüssig