Sabine von der Wellen

Das Vermächtnis aus der Vergangenheit


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über die im Internet nichts herausfinden.“

      Marcel lässt den Rauch ausströmen und raunt: „Das ist allerdings schon komisch. Aber vielleicht hat er auch nur nicht richtig nachgeschaut! Ich frage ihn selber.“

      Irritiert darüber raune ich: „Wie, du fragst ihn selber?“

      „Ich muss später noch bei deinen Eltern vorbeifahren und ihm eine DVD von einem Zusammenschnitt von den letzten Bundesligaspielen vorbeibringen. Das habe ich ihm versprochen.“

      Ich werfe Ellen einen schnellen Blick zu, die den genauso verdattert erwidert.

      „Ich sagte doch, ich verstehe mich mit deinem Vater jetzt richtig gut! Nächsten Sonntag ist wieder ein Spiel. Er will auf alle Fälle dabei sein. Kommst du dann auch wieder mit?“, fragt er, das Thema wechselnd und ich bin platt. Dass das Verhältnis von Marcel und meinem Vater so innig zu werden droht, gefällt mir nicht. Aber ich will das jetzt nicht mit ihm ausdiskutieren, weil dieses Gespräch schon genug an meinen Nerven zerrt.

      „Nein, das geht nicht, Marcel. Bitte, lass uns jetzt mal beim Thema bleiben. Julian hat also diesen neuen Anwalt von dieser seltsamen Organisation und Tim kam Dienstag, um mit mir zu reden, weil jemand in seinem Hotel etwas für ihn abgegeben hat.“

      Marcel sieht mich nur an, noch völlig unbeeindruckt.

      Ich weiß, jetzt kommt der schwierige Teil und in meiner Brust wird es seltsam eng.

      „Marcel! Es ist nicht einfach als Außenstehender zu wissen, in welchem Hotel Tim gerade absteigt und Tim fand, dass das viel Auswand für den war, der sich die Mühe machte, das Kuvert für ihn abzugeben.“

      Ich rede und rede, um nicht das sagen zu müssen, was mir am schwersten fällt. Aber nun muss es raus und Marcel sieht mich immer noch so an, als könne er nicht fassen, dass ich ihn dafür herbestellt habe.

      „Was war das für ein Kuvert und was war da drinnen?“, fragt er, als ich immer noch zögere.

      „Ein Bild.“ Ich sehe Ellen hilfesuchend an, die sich nur neben Marcel an das Auto lehnt und mir keine Hilfe sein wird.

      „Ein Bild? Was für ein Bild?“, drängt Marcel ungeduldig.

      Ich atme zittrig einmal durch, bevor ich antworte: „Das Bild ist gar nicht so wichtig, eher das Geschriebene dazu.“

      Erneut kann ich mich nicht überwinden, ihm zu sagen, was gesagt werden muss.

      Ellen brummt etwas und ich sehe sie unglücklich an. „Mach schon!“, sollte das wohl heißen.

      „Okay! Marcel, bitte rege dich jetzt nicht auf! Das Bild, und was es bedeutet, ist weniger wichtig. Wichtiger ist, wie gesagt, was hinten draufstand“, winde ich mich.

      Seine Zigarette austretend, stößt Marcel sich von seinem Auto ab und packt mich an den Oberarmen. „Was … ist … auf … dem … Bild?“, brummt er, sich sicher, dass es doch wichtig sein muss, wenn ich so drumherum rede.

      „Bitte, lass mich los!“, raune ich entsetzt und mir sicher, dass Erik schon auf dem Sprung ist.

      Marcel lässt die Hände sinken, aber seine Augen funkeln mich ungeduldig an. „Was ist auf dem Bild?“, fragt er noch mal.

      „Ich bin da drauf … und … Erik.“

      „Erik?“, fragt Marcel und sieht Ellen an, die nur nickt. „Und was heißt das?“

      „Ich bin mit ihm zusammen“, presse ich hervor.

      Marcel schließt kurz die Augen und als er sie öffnet, ist dort die pure Verzweiflung zu sehen. „Also doch!“, stammelt er.

      „Marcel, es geht nicht um mich und Erik! Bitte hör zu!“, sage ich resigniert und sehe, dass Ellen mich plötzlich irritiert mustert. Sie war von nichts anderem ausgegangen und froh, dass ich endlich auch Marcel davon in Kenntnis gesetzt habe, dass ich mit ihrem Bruder zusammen bin.

      „Auf dem Bild stand etwas geschrieben, das mich beunruhigt. Bitte Marcel, hör … mir … zu!“ Ich lege meine Hände nun auf seine Arme und sehe ihn flehend an.

      Er nickt nur.

      „Auf dem Bild für Tim stand: Hilf deinem Bruder und er wird seiner Schwester klarmachen, bei wem ihr Platz ist.“

      Ich ignoriere Ellen, die die Luft zwischen den Zähnen einzieht und mich verdattert anstarrt. Aber ich habe nur Augen für Marcel, der mich verunsichert ansieht. „Bist du dir sicher?“

      „Ich habe es selbst gelesen. Tim wollte in letzter Zeit nichts anderes als mich für sich, wenn er von seiner Tour wiederkommt. Dafür hat er mir seine Wohnung überlassen. Und dann macht ihn jemand ausfindig, um ihm ein Bild von mir und Erik zu geben, mit diesem Spruch. Du kannst dir denken, was das für ihn bedeutet. Und er kam, um sich die Bestätigung zu holen, ob das auf dem Bild stimmt.“

      „Verdammt! Du hast ihm hoffentlich gesagt, dass du nicht mit diesem Typ zusammen bist!“

      Ellen brummt: „Vorsicht!“ und sieht Marcel herausfordernd an. Es ist schon süß, wie sie sofort für ihren Bruder auf die Barrikaden geht, wo sie noch vor ein paar Monaten nicht mal die gleiche Luft wie er atmen wollte.

      „Dass es stimmt, sah er selbst, weil Erik auch bei dem Treffen war. Er hatte ihn selbst dahin bestellt, wohl um ihn zu fragen, falls ich ihm das auf dem Bild nicht erklärt hätte.“

      Marcel scheint einen Moment nachzudenken. Dann raunt er leise: „Du weißt, was der Spruch bedeutet?“

      „Natürlich!“, antworte ich genauso leise.

      „Ich aber nicht!“, schaltet Ellen sich ein und Marcel erklärt ihr: „Es geht um das Vermächtnis von Kurt Gräbler. Scheinbar soll Julian Tim helfen, Carolin endlich zu bekommen. Da ist, nach dem Fluch des Alchemisten, ihr Platz, um weitere Generationen in seinem Sinne zu zeugen.“

      Ellen fällt die Kinnlade runter und ich sehe ihr an, dass ihr in diesem Moment klar wird, warum Erik nichts von diesem Gespräch wissen soll.

      „Oh!“, haucht sie kleinlaut.

      „Was willst du tun?“, fragt Marcel mich.

      Ich kann nur resigniert die Schultern heben. „Ich dachte, vielleicht weiß dein Großonkel, wer Tim das Bild zugesteckt haben könnte und welche Organisation Interesse daran hat, dass Julian nicht eingesperrt wird.“

      Hatte ich gedacht, dass Marcel mir nun einen Vogel zeigt und mir sagt, ich soll meinen Scheiß doch selbst ausbaden, so habe ich mich geirrt.

      „Oh Mann! Ich muss unbedingt mit ihm reden. Ich hole mir nachher von deinem Vater den Namen von dieser Organisation und fahre noch heute bei meinem Großonkel vorbei. Vielleicht kennt er die und weiß, was die vorhaben. Und vielleicht sollte ich selbst mit Tim noch mal reden. Sorry, dass ich das sage … aber ich habe ein echt ungutes Gefühl. Weiß Tim, wo du jetzt wohnst oder Erik und Ellen?“

      Ich schüttele den Kopf.

      „Das ist vielleicht erst mal dein Glück.“

      Mir wird übel und ich lege eine Hand an das Autodach, um mich festzuhalten.

      „Aber Julian hasst Tim! Vielleicht kommt er raus und will mit dem ganzen Alchemistenmist gar nichts mehr zu tun haben! Vielleicht wartet er nur ab, bis Tim seine Aussage geändert hat und hilft ihm dann einen Scheiß!“, sage ich verbissen.

      „Durchaus möglich. Das werden wir aber erst wissen, wenn es soweit ist“, antwortet Marcel.

      Dass „wir“ schallt in meinen Ohren wieder. „Wirst du mir helfen?“, raune ich mit zurückhaltender Hoffnung.

      „Das muss ich wohl. Mein Großonkel würde mir nie verzeihen, wenn ich jetzt kneife“, raunt er und legt wieder seine Hände auf meine Oberarme. „Und wenn du meinst, dass dieser Junkie besser für dich ist als ich, dann kann ich das nicht ändern. Vielleicht sollte alles so kommen, damit du schlechter zu finden bist und vielleicht kann er dich besser beschützen als ich, weil nicht viele