Hermine Stampa-Rabe

Auf zum Nullarbor


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malt mir auf, wo ich die Post und die beiden anderen Geschäfte, in denen ich etwas kaufen möchte, finde. Mit einem eiskalten Schokoladengetränk verlasse ich das Haus.

      Die restlichen Kilometer bilden für mich keine Hürde mehr. Und da ich ja schon weiss, wo ich meinen Caravan Park und die Geschäfte finde, rolle ich beim ersten Caravan Park bis zum Office und erhalte für nur $5 einen kleinen Rasenplatz zum Aussuchen. Eine große Traube blauer, zuckersüßer Trauben schenkt mir der Mann auch. Ich glaube, er fuhr früher wohl auch Fahrrad.

      Nach dem Zeltaufbau wandere ich zur Post und schicke ein großes Paket nach Hause. Mein zweiter Weg führt ins BIG W, wo ich mir einen Sommerschlafsack kaufe. Und worauf ich ganz besonders Appetit habe, kaufe ich daneben im Woolworths Geschäft: eine Knoblauch-Zwiebel, Pumpernickel, ein halbes Pfund Butter und einen vollen Salzstreuer.

      Mit meinen Schätzen bepackt, wandere ich zum Caravan-Park. Der Name kitchen – Küche – strahlt mich einladend an. Dort setze ich mich hinein, hole mir ein Messer und einen Teller, packe mein Brot, die Butter, die Knoblauchzwiebel samt Salzstreuer aus meiner Tasche und beginne, mir mein Knoblauchbrot zu streichen. Hmmmm, schmeckt das aber gut! Nach dem Abwaschen und Aufräumen verlasse ich dieses Haus und möchte zu meinem Zelt.

      Das kann ich aber beim besten Willen nichr finden. Ein freundliches und hilfsbereites Ehepaar läßt sich von mir erzählen, auf welchen Caravan Park ich heute fuhr. Na, das erzähle ich ihnen. Da lachen sie lustig auf und meinen: „Sie stehen im falschen Caravan Park. Ihrer ist der dort gegenüber. Können sie ihn sehen?“

      „Ja, kann ich. Auch sehe ich das Verkehrsschild, zu dem ich tatsächlich dort von links aus der Richtung Renmark kam. Vielen Dank.“ So wandere ich vorsichtig über die breite Verkehrsstraße. Ja, dort bin ich richtig und finde sofort mein Zelt samt Rad. Im Zelt hole ich den neuen Schlafsack. Das ist einer ohne Kopfteil, quadratisch und lässt sich zu einer breiten Decke aufzippen. Na, ob der in der Nacht warm genug ist? Werde ich heute Nacht ja erfahren. Auf jeden Fall ist die dunkelblaue Fleece-Decke nun per Post nach Kiel nach Hause auf der Reise.

      In der Küche schreibe ich meine e-Post und lege mich danach schlafen. Morgen wartet ein langer Fahrradtag mit 100 km gen Süden gegen den starken Wind auf mich.

      Verfahren, ich Kamel!

      27.01.2013: Mildura – Ouyen: 104 km

      In den sanitären Anlagen zwitschert ein Vögelein und flattert herum. Ich öffne ihm die Tür ganz weit. Aber es will nicht hinausfliegen. Es hängt festgekrallt mir gegenüber an dem Fliegengitter und guckt mich an. Als ich es anspreche, fliegt es nach hinten und ist weg. Ich sehe nach, wo es geblieben sein kann. Da erblicke ich ein zum Teil geöffnetes Querfensterchen. Das ist also sein Ein- und Ausflugloch. Eine lustige Begrüßung.

      Da ich trotz des neuen Schlafsacks wie gehabt gegen 4.00 Uhr vor Kälte aufwache und nicht ausgeschlafen habe, wie die ganzen Nächte vorher auch, sitze ich wie ein trostloses Häuflein Unglück in meinem Zelt und weiss nicht, wie ich das ändern kann. Nach dem Duschen lege ich mich noch etwas schlafen. Auf diese Weise starte ich heute erst um 9.00 Uhr.

      Es radelt sich ganz gut. Da wir heute nicht nur Sonntag, sondern auch einen australischen Feiertag haben, überholt mich den ganzen Tag nur ein einziger Road Train. Und die wenigen Autos, die mich auf der 100 km langen Strecke überholen, hätte ich zählen können. Beidseitig des Highways stehen die hier üblichen Mallee Trees. Ich staune, als ich sehe, dass sie zu blühen beginnen und fertigte ein Foto an.

      Gerade stecke ich meinen Fotoapparat wieder in seine Tasche und wende mich meinem Rad zu, da hält gerade vor mir ein weißer Pkw. Heraus springt eine junge Frau, die auf mich zuläuft und mich fragt: „Brauchen sie Hilfe?"

      „Nein“, antworte ich dankend und lächle. „Ich habe eben nur ein Foto geschossen. Vielen Dank für ihre angebotene Hilfe.“ Sie strahlt, kann sie doch gleich wieder in ihren Wagen steigen und weiterfahren.

      So radle ich hier zur Zeit der Mallee Tree Blüte. Bis zu 50 km bleibt auch die Luft sauber, danach stinkt es wieder von Zeit zu Zeit von den überfahrenen Kängurus, bis beiderseits das Land bestellt ist, bzw. Stoppelfelder liegen. Es geschieht nichts Außergewöhnliches. Wenn eine Raststelle angeboten wird, gehe ich hinein, trinke und ruhe mich aus, setze mich aber nie hin. Ich habe Angst, dass unter der Sitzfläche eine „Schwarze Witwe“, die giftigste Spinne Australiens, hängt und auf Nahrung lauert. Ich möchte nicht dazu gehören.

      Am Nachmittag gegen 13.30 Uhr erreiche ich wieder ein Roadhouse. Meine Beine und mein Popöchen schreien nach einer Erholungspause. Ich also nichts wie hinein. Außer mir ist kein Gast zu sehen.

      Und während ich in dieser großen Pause unter dem Terrassendach am Holztisch sitze und esse – mein Fahrrad steht auf der anderen Seite des Tisches – kommen fünf Menschen, davon ein Junge von wohl zwölf Jahren, neugierig und freundlich zu mir und möchten wissen, was es mit dem bepackten Rad auf sich hat. Während mir die ältere Frau und ihr Mann Fragen zu meiner Tour stellen, hören der jüngere Mann, seine Frau und ihr Sohn interessiert zu. Als ich vom Nullarbor und dem Road Train erzähle, beginnt der Mann, mir von den Fahrradtouren so einiger Australier durch das Nullarbor zu erzählen. „Sie fahren alle mit Gepäckbegleitung und radeln auf ihren Rennrädern. Allein mit schweren Packtaschen hat es noch niemand gemacht. Das tut hier keiner. Und einmal, als eine größere Gruppe auf ihren Rennrädern das Nullarbor entlang fahren wollte, passierte das Unglück, so dass von dem Sog eines Road Trains die Rennradfahrer ins Schleudern und einer unter die Räder kam – tot.“

      Der Mann guckt mich so an, als wollte ich auf den Road Train schimpfen. Aber ich habe gar keine Zeit, dem Mann zu erzählen, dass der Eyre Highway nur zweispurig ohne Seitenstreifen ist und diese Spuren nicht breit sind. Sobald also ein Road Train oder großer Truck ankam, hätten sie alle anhalten und von der Straße gehen müssen. Hatten sie aber nicht getan. Ich wollte dieses nicht mit dem Mann diskutieren. Ich weiss es nun aus meiner Erfahrung besser.

      Und seine Frau erzählt mir: „Die Straße von Mildura nach Melbourne ist schon von vielen Fahrradfahrern und Fahrradfahrerinnen gefahren worden.“

      „Aber mit Gepäckbegleitung?“

      „Ja, mit Gepäckbegleitung.“

      „Das war dann einfach und nicht mit meiner Leistung zu vergleichen.“

      Die Frau meint: „Ich hätte große Lust, sie mit meinem Auto zu begleiten. Aber die näheren Umstände zu Hause lassen es leider nicht zu. Mein Mann und ich sind mit dem Auto unterwegs, das einen Trailer samt kleinem, auf dem Kopf liegendem Motorboot hinter sich herzieht. Wir sind unterwegs zum Murray River.“ Gemeinsam verabschieden sie sich von mir und wünschen mir eine sichere Weiterfahrt.

      Aber langsam schmerzen meine Hände. So rolle ich unter Schmerzen nach Ouyen hinein, suche mir den Caravan-Park und stelle gleich mein Zelt auf, obgleich ich todmüde bin.

      Ich nehme mir zum ersten Mal meine zu Hause ausgearbeitete Streckenführung hervor und prüfe nach, welche Orte ich von hier bis Melbourne vorgesehen habe. Da stelle ich zu meinem Schrecken fest, dass ich mich verfahren habe. Eigentlich wollte ich am Murray River weiter gen Osten radeln. Das tut mir nun sehr leid. Deshalb werde ich morgen anstatt in Richtung Melbourne, gen Osten an den Fluss fahren. Dann bin ich wieder auf Spur.

      Heute Nachmittag findet hinter diesem Platz ein Pferderennen mit Sulky statt. Ich höre lautstark den Sprecher, kann aber nichts sehen. Die Pferdebesitzer verlassen hinterher mit ihren Tieren den Platz. Ich denke, dass nun Ruhe herrschen wird. Dem ist aber absolut nicht so. Total lautstark spielt in der Nähe auf der Wiese eine Kapelle alte Schlager. Da hier ja ein australisches Volksfest gefeiert wird, kann es sein, dass das so die ganze Nacht hindurch geht.

      Währenddessen esse ich mein Pumpernickel-Brot mit ganz dick Butter und einer Knoblauchzehe pro Stulle. Hinterher zieht es mich in die Dusche. Falls ich diese Nacht nicht friere, würde ich wegen der lauten Musik nicht schlafen können. Aber ich bin so sehr müde, dass mich die Musik auch nicht mehr stört.

      Dazu trägt sicher auch die viele Garderobe