Peter J. Gnad

Bin in Afghanistan


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einige davon sind so um die siebentausendachthundert Meter hoch…"

      "Na, zum Glück müssen wir ja da nicht hinauf !"

      "Manche deiner westlichen Mitmenschen bezahlen Geld dafür, um auf solche Berge steigen zu dürfen !"

      Mirwais grinste, er wusste schon was nun kam, kannte Felsberg mittlerweile auch ein wenig.

      "Diese Wahnsinnigen sollen auch bezahlen dafür… und wenn sie runterfallen, sind sie selbst schuld, diese Wahnsinnigen… Ich jedenfalls, habe da oben nix, aber auch schon gar nix verloren !"

      "Aber schön ist es schon, oder… so von Weitem !"

      "Ja, unbenommen, keine Frage - bei uns fahre ich ja auch manchmal mit der Gondel mal irgendwo rauf, zum Beispiel, auf die Zugspitze - da setze ich mich dann ins Restaurant, an das große Panorama-Fenster, bestelle mir einen Jägertee, mit doppeltem Schnaps, sehe mir die Berge an und fahre dann mit der Gondel, mit der ich raufgekommen bin, auch wieder runter !"

      "Banauze !"

      "Banause heißt das, und es ist mir 'wurscht', was diese Bergler sagen !"

      "Ich glaube, du wirst die Berge noch zu lieben lernen, weil… sie können einem viel geben !"

      "Jaja… ihr Afghanen seid ja in gewissem Sinne auch nur Bergler !"

      Mirwais grinste, zog ihn an der Schulter weiter, sie trabten den Pfad hinunter ins Tal, wo eine Straße zu sehen war, eine Straße, auf der auch wieder Benzinkutschen fuhren.

      Mirwais hielt auch gleich den ersten des Weges kommenden Pick-up-Truck an, fragte um eine Mitfahrgelegenheit für sie beide.

      Felsbergs Haare wehten im Fahrtwind, als sie die letzte Steigung erklommen, hin zu dem kleinen runden Kuppelbau, dem Schrein, in dem Ahmad Shah Massoud begraben war.

      Mirwais bat den Fahrer anzuhalten, sodass er einen kurzen Besuch an dem Sarkophag machen könnte. Gemeinsam gingen sie die letzten Meter, betraten den Raum, in dessen Mitte eine steinerne Grabstätte gemauert war.

      Mirwais stand andächtig, hielt seine Augen für einige Momente geschlossen. Felsberg störte ihn nicht, verließ den Raum wieder, trat hin zum Rand der Gedächtnisstätte, blickte hinunter in das Tal, das weltweit Aufmerksamkeit erregt hatte, weil hier ein Commander erfolgreich gegen alle Eindringlinge standhielt, und für die endliche Freiheit des ganzen Landes kämpfte. Gekämpft hatte, denn zwei Tage vor jenem fatalen Angriff auf das World-Trade-Center, am 11. September 2001, war jener Volksheld, Ahmad Shah Massoud ebenfalls heimtückisch ermordet worden. In Kabul und den meisten Afghanischen Städten begegnete man seinem Bild überall, an allen Wänden oder Masten, er wurde wie ein Heiliger verehrt.

      Die beiden bewaffneten Wachposten, die Mirwais und Felsberg in den großen Raum brachten, blieben misstrauisch am Eingang stehen, ihrer beider Kalashnikoff griffbereit vor der Brust. Es waren viele, die da rund um ein ausgebreitetes Plastiktuch auf dem Boden saßen, auf dem reichhaltig Speisen zu sehen waren, man nahm gerade das Abendmahl ein. Der Hausherr stand auf, kam ihnen mit weit ausgebreiteten Armen entgegen, umarmte Mirwais ausgiebig, alle Berüßungsformeln wurden ausgesprochen und beantwortet, ein Ritual von ausgeprägtem Charakter. Felsberg kannte diese Formeln mittlerweile natürlich auch, hatte sie schon oft genug gehört und sprach sie nun ebenfalls, mit der gleichen Selbstverständlichkeit, wie die Afghanen es taten, er hatte schon gelernt.

      "W'assalam aleikum, khub hasti, chetor hasti, bahair hasti, chona churas, salaamat bashi !"

      Während der Hausherr ein "Mandana bashi" hören ließ - mögest du nie müde werden.

      Nach dem Essen, Reis mit Tomatensoße, Kartoffel und frischem Lammfleisch, hatte Felsberg nur mehr das Bedürfnis nach Ruhe, nach einem Raum, in dem er seinen müden Körper "ablegen" konnte, wie er sich ausdrückte.

      Ein "Bacha", ein Junge wies ihm den Weg, hinauf in den oberen Stock. Die weichen Matratzen, typisch für afghanische Häuser, entlang der Wände liegend, waren einladend genug, um ihn wenig später in einen tiefen traumlosen Schlaf sinken zu lassen.

      Er erwachte, als die Sonne direkt in sein Gesicht schien, es musste bereits heller Vormittag sein.

      Bazarak, die "Hauptstadt " des Panjshir-Tales lag in seiner ganzen Schönheit vor ihm, als er aus der Tür, auf das Dach des Hauses trat. Man konnte schon verstehen, dass die Menschen aus dieser Gegend schon immer hart um ihr Tal gekämpft hatten, nicht nur in den letzten dreiundzwanzig Jahren Bürgerkrieg, sondern auch schon zu Alexanders des Großen Zeiten. Auch dieser hatte schon, wegen der geballten Gegenwehr, auf die Eroberung des Tales verzichten müssen. Er hatte sich einen anderen Weg nach Norden suchen müssen, über den Khawak-Pass, am Anfang des Panjshir, und später dann, über den Khyber-Pass nach Indien. Die Bevölkerung hier hatte ihn glattwegs vertrieben, wie auch die Russen.

      Mirwais war leise neben ihn getreten, legte ihm den Arm um die Schultern.

      "Schau mal, da drüben, das ist das Haus… oder besser der Hof von Massoud, da zwischen diesen Bäumen, am Abhang…"

      "Und wohnt da noch jemand von seinen Leuten ?"

      "Ja, natürlich, sie sind hier, Brüder, Schwestern, Onkeln, Tanten, Cousins und Cousinen, Großmütter und so weiter, sie sind hier zu Hause, und wenn es nicht sein muss, gehen sie auch nicht von hier weg, das gilt für alle hier, alle Panjshiris !"

      "Sie scheinen mir etwas verschlossener, als die anderen Afghanen zu sein, man hat nicht sehr viel versucht mit mir zu kommunizieren, bis jetzt !"

      "Das hat nichts zu bedeuten, wahrscheinlich haben sie sehr viel Respekt vor dir, ich habe ihnen nämlich erzählt, dass du in deiner Heimat auch ein ganz großer Mujahed bist, ein tapferer Mann, ein Kämpfer, ein Veteran, und dass du gekommen bist, um das berühmte Panjshir-Tal zu sehen, von dem du schon so viel gehört hast, von den mutigsten Kämpfern auf Allahs Erdboden !"

      "Ah ja… hast du wieder "Märchenerzähler" gespielt… was sollte ich wissen, um mich nicht zu verplappern, welche 'Heldentaten' habe ich denn vollbracht, welche Schlachten geschlagen… vielleicht, zum Beispiel, die Schlacht im Teutoburger Wald, gegen die Römer, oder Waterloo, gegen Napoleon… ?"

      "Mika jan, ich würde nie Lügen erzählen, aber… wir saßen noch lange beisammen, letzte Nacht, ich bin ihnen nicht entkommen, habe mir meinen Mund fusselig erzählt, und ich bin heute noch müder als gestern…"

      "Ich habe Hunger !"

      "Ooh, Bacha…!" Mirwais rief diese Worte einige Male hintereinander, dann kam der Junge, hörte die Bestellung die Mirwais ihm kurz und bündig ansagte und verschwand wieder.

      "Ich war schon drüben beim Haus von Massoud, habe dort gegessen… seine Frau und sein Sohn sind gerade in der Türkei, auf Besuch…"

      "Kann ich allein hier aus dem Haus gehen ? Ich würde mir gerne etwas die Gegend ansehen, es ist wirklich schön hier !"

      Mirwais zog ihn zu einer Ecke des Daches hin, wies mit seiner Hand ins Tal nach rechts.

      "Das ist die "Landkarte Afghanistans", ein Stück Land, da beim Fluss, eine Anordnung von Feldern, das sieht, im Groben, wirklich so aus wie eine Landkarte unseres Landes. Da kannst du hingehen, ich werde eine Begleitung besorgen !"

      "Kann ich nicht allein gehen ?"

      "Ist nicht zu empfehlen, die Panjshiris sind, berechtigterweise, ein misstrauisches Völkchen, sie werden sich ganz sicher fragen, was du dort willst, ganz allein, was du da suchst !"

      "Gar nichts suche ich, will doch einfach nur Luft schnappen, die Gegend anschauen und sehen wie die Leute hier leben !"

      "Wann willst du denn gehen - am besten später am Nachmittag, wenn die Sonne tiefer steht, es ist jetzt noch immer viel zu heiß… ich gehe auf jeden Fall jetzt ein wenig schlafen !"

      Als Felsberg sich umsah, war Mirwais bereits verschwunden, dafür kam kurz darauf der "Bacha" wieder und brachte Tee, frisches Brot und einige Spieße Kebab. Felsberg stürzte sich auf die Nahrung und schlief danach, mit frisch beruhigten Magennerven, ebenfalls noch ein paar Stunden weiter.

      Es