Peter J. Gnad

Bin in Afghanistan


Скачать книгу

hastam… khau mekonam !"

      Nach neuerlichem allgemeinen Händeschütteln, was Felsberg lächelnd absolvierte, durfte er sich endlich zurückziehen.

      Der Mond schien hell in den Raum, in dem sie beide schlafen sollten, er öffnete die Tür, ging auf das Dach hinaus, auf den afghanischen "Balkon".

      Das Tal lag dunkel, wie eine schwarze Falte, zwischen den das Mondlicht reflektierenden Bergen, die alles einsäumten, Berge, wohin man auch blickte. Kein Wunder, er war ja auch mitten im Hindukush, er lächelte in sich hinein und gähnte.

      "Afghanistan ist anstrengend, manchmal !" sagte er laut in die Dunkelheit, drehte sich um, ging zurück in den Raum. Als Mirwais kurz darauf ebenfalls kam, schlief Felsberg bereits tief und fest.

      An diesem Morgen hörte Felsberg den Vorbeter singen, die kleine Moschee samt Turm und Lautsprechern, war nahe bei ihrer Unterkunft. Der erste Ruf erschallte etwa um vier Uhr dreißig, es war noch vollkommen finster draußen.

      Felsberg erschrak im Schlaf, erhob sich in einem Ruck, stand mitten im Zimmer, blickte verdattert um sich.

      "Was war denn das, ich habe geglaubt, hier ist jemand mit einem Megaphon im Zimmer !"

      "Das ist der mit dem langen Bart, vom gestrigen Abend… willst du dich bei ihm beschweren, er ist der Mullah hier im Dorf ?"

      Es stimmte, einer der bärtigen Gesellen hatte ihn gar nicht freundlich angesehen, hatte ihn immer verstohlen beobachtet, ihm auch bei der Verabschiedung nicht die Hand gegeben. Felsberg sank zurück auf sein Lager, hielt sich entnervt die Ohren zu, diese penetranten "Gläubigen" vergewaltigten die Menschen überall.

      "Man entkommt diesen Kuttenbrüdern einfach nicht, ist mit unseren Pfaffen auch nicht viel anders… die läuten halt ihre blöden Glocken, die keiner hören will !"

      Sie schliefen dann doch noch etwa eine Stunde, bevor Felsberg durch irgendetwas erwachte. Als er die Augen öffnete, saßen zwei halbwüchsige Jungen vor ihm auf dem Boden, unterhielten sich flüsternd, kommentierten sein Erscheinungsbild, ein schlafender Fremder, in ihrem Haus. Als er sich erhob, liefen sie laut kreischend davon.

      Nach dem Frühstück zog ihn Mirwais hinaus auf das Dach, deutete gegen die Berge hin.

      "Siehst du dieses Tal, diesen Berg da… das ist der Smaragdberg, da gehen wir heute hin. Nicht auf den Berg, nur ins Tal, zu einem großen Haus, einen Freund besuchen !"

      "Oh nein, nicht schon wieder Begrüßungsarien… nicht schon wieder endloses Gelabere - ich sitze dabei und langweile mich nach einer gewissen Zeit."

      "Diesmal… ist es anders ! Diesmal wird dir garantiert nicht langweilig, kann ich dir garantieren !"

      Er drehte sich abrupt um, verschwand im Haus. Felsberg besah sich den Berg etwas genauer, es war ein schöner Berg, eine schöne Form und dass er Smaragde barg, machte ihn nur noch interessanter.

      Im Innenhof warteten Mirwais, ein bewaffneter Begleiter und drei Pferde.

      "Kannst du reiten ?" Mirwais grinste übers ganze Gesicht, erwartete dass Felsberg kniff, sich versuchte aus der Situation zu retten. Er hatte nicht mit Felsbergs plötzlicher Attacke gerechnet, hatte seinen Mund weit offen stehen, als Michael aus dem Stand drei schnelle Schritte machte und lossprang, das Hinterteil des einen Pferdes, wie bei einem Bocksprung in der Turnhalle, nutzte, sich abstieß und mit einem Schwung im Sattel landete. Das Pferd erschrak, es war nicht gewohnt auf diese Art bestiegen zu werden, von hinten, ohne vorheriges Ansehen des potenziellen Reiters. Es ging vorne hoch, wollte loslaufen, aber Felsberg hatte es in einer Sekunde unter Kontrolle, ritt eine Runde durch den Innenhof und kam wieder zu der Gruppe, in die Mitte hin.

      "Woher kannst denn du reiten, das hätte ich mir nie gedacht… und so gut… wo hast du das gelernt ?"

      "Ooch, weißt du, ich habe da auch mal eine Zeit lang in den USA gelebt… und meine Freundin, oder besser ihr Papa, hatte eine Ranch, mit Pferden… in Texas !"

      "Und so hast du beide geritten, die Tochter und das Pferd !" Mirwais kicherte hemmungslos, erklärte den nebenstehenden Afghanen die Situation. Sie lachten alle schallend, Felsberg ritt noch eine Runde durch den Innenhof, verneigte sich in alle Richtungen, wie vor einem Publikum.

      Kurz darauf ritten sie über das freie Feld, bogen in die Schlucht ein, trabten langsam den schmalen Pfad weiter, tiefer hinein. Es wurde immer dunkler, der Durchlass zwischen den Felsen immer enger, an manchen Stellen musste man erst die Äste der Bäume beiseitebiegen, um auf einem Pferd hindurch zu kommen.

      Auf einmal öffnete sich das Tal zu einer ovalen Fläche, an deren Ende, hin zum Pfad, weiter durch die Schlucht, stand, halb verdeckt durch eine Oase an Bäumen, ein großes Anwesen. Eine schwache Rauchspur aus dem Kamin zeigte an, dass da sehr wohl Leben in den Häusern war.

      Mirwais ritt voran, galoppierte mit wildem Geschrei in den Hof, wo sich sofort weiteres mehrstimmiges Geschrei erhob, die Bewohner kamen aus den Häusern um ihre Gäste zu begrüßen. Als Felsberg und der Soldat schließlich am Hof ankamen, lagen alle einander bereits in den Armen.

      Nahim, ein Oberst der Armee aus dem Panjshir, auch er hatte mit Massoud gekämpft, kam Arm in Arm mit Mirwais auf Felsberg zu, schlang seine nun weit ausgebreiteten Arme um ihn, sprach das Begrüßungsritual mit leuchtenden Augen.

      "I ham verry happi to meet you !" sagte der Oberst, sein Gesicht legte sich in noch freundlichere Falten, als er Felsberg auf die Wangen küsste, was Felsberg, ganz selbstverständlich erwiderte.

      "I am very happy too, I have heard many storys about you !" Felsberg sprach ganz langsam, um sicherzugehen, dass ihn der andere auch verstand !

      Oberst Nahim fasste ihn um die Schultern, zog ihn mit sich, zum Haus hin, alle anderen folgten nach.

      Natürlich musste man sich erst wieder in dem üblichen großen Raum hinsetzen und gründlich schwatzen. Felsberg verstand dies, schließlich hatten sich die ehemaligen "Kameraden" alle lange nicht gesehen, gesprochen und es gab viel zu erzählen.

      "Es ist so traurig, zwölf Personen aus seiner Familie, einschließlich Vater, Brüder, Schwestern, sie sind alle tot, er ist der letzte männliche Spross seiner Familie… ich habe sie alle gut gekannt !"

      Mirwais hatte Tränen in seinen Augen und schämte sich ihrer nicht, stand auf ging zur Tür hinaus und schnäuzte sich geräuschvoll.

      Als er sich wieder neben Felsberg setzte, hatte er bereits wieder ein leichtes Lächeln im Gesicht. Felsberg legte ihm seine Hand auf die Schulter, drückte sie, sah ihm direkt in die Augen. Mirwais war ein guter Mann, soviel war ihm schon immer klar gewesen. Ein harter Mann, der tief in sich, trotz aller Härten des erlebten Krieges, über eine zarte Seele verfügte, der die Härte nur aus Notwendigkeit, wie einen Mantel trug.

      "Weißt du übrigens, dass man sich in Afghanistan, ganz besonders beim Essen, nicht voreinander schnäuzt… das ist ein absolutes Tabu !"

      "Sich voreinander zu schnäuzen ist ein Tabu ?" Felsberg lachte, schüttelte seinen Kopf. "Das ist komisch…!"

      Er stand auf, ging zur Tür hinaus, schnäuzte sich demonstrativ laut und kam ebenfalls wieder zurück, setzte sich wieder hin. Mirwais grinste ihn breit an,

      Das Gespräch kam wieder in Gang, dampfende Töpfe wurden hereingetragen, man hatte extra für die Gäste, die ja vorangekündigt kamen, am Vortag bereits einen Hammel geschlachtet. Es duftete verführerisch gut, Felsberg lange kräftig zu, füllte seinen Teller, aß ohne weitere Worte.

      "Weißt du… es gibt da noch so ein paar Regeln… wie man sich setzt, zum Beispiel, das ist alles nicht so einfach, wie es aussieht, und wenn du gute Beziehungen zu Afghanen haben willst, sodass sie dich respektieren, dann musst du ihre Regeln beachten, sonst kann man ganz schnell auch Verachtung ernten !"

      "Ja, wieso, was mache ich denn falsch, sag's mir ruhig, ich will das ja lernen !"

      "Also, einer der Punkte sind die Füße, stinkende Schweißfüße zu haben und sich damit zum Essen zu setzen ist absolut ein Unding… und außerdem sitzen wir immer so, dass wir niemand