International und andere NGOs halten sicherlich deutlich mehr von der Aussagekraft des FSI als Urs oder andere Finanzexperten, wie es mit Statistiken halt so ist. Für die allgemeine Öffentlichkeit steht die Schweiz somit an der Spitze der Steueroasen. Haben wir ja schon immer gewusst, natürlich, immer diese Schweizer! Wir Deutschen hingegen, wir sind sauber. Das sah ja bereits im Jahre 2009 der damalige deutsche Finanzminister Per Steinbrück ganz genauso, als er von der Schweiz die Herausgabe von Listen mit den Namen deutscher Bankkunden forderte und im Interview erklärte: "Dass eine solche Liste erarbeitet werden könnte, (…) ist umgangssprachlich formuliert, die siebte Kavallerie im Fort Yuma, die man auch ausreiten lassen kann. Aber die muss nicht unbedingt ausreiten. Die Indianer müssen nur wissen, dass es sie gibt."
Nun, es kam bekanntermaßen dann doch nicht zu einem Kavallerie-Angriff des in Finanzgeschäften vorbildlich transparenten Deutschlands. Äh, Moment mal, was sehe ich denn da? Deutschland auf Platz sieben? Kann doch gar nicht sein, da stimmt doch was nicht! Und die Amerikaner, wo stehen die Vereinigten Staaten von Amerika, die großen Vorkämpfer für die internationale finanzielle Transparenz? Waren es doch vornehmlich die USA, die die Schweiz und andere Steueroasen zwangen, ihre Bankgeheimnisse zu beerdigen, um vornehmlich illegale Geldabflüsse aus dem „land of the free“ zu unterbinden. Herzlichen Glückwunsch zur Silbermedaille, liebe USA. Weiter so und ihr verdrängt die Schweiz demnächst vom Spitzenplatz.
Bezüglich der USA hat Urs so seine ganz eigene Meinung. Früher war er öfter mal dort. Er würde auch jetzt gerne mal wieder dorthin reisen, nach Alaska, der Natur wegen. Kann er aber nicht. Im Rahmen der amerikanischen Strategie, Schweizer Banken in die Knie zu zwingen, wurden diese gezwungen, Listen derjenigen ihrer Mitarbeiter an die USA auszuhändigen, die irgendetwas mit amerikanischen Kunden zu tun hatten. Urs steht auf so einer Liste und müsste befürchten, zwar in die USA einreisen, aber nicht unbedingt auch gleich wieder ausreisen zu können. Irgendwie ist das ja auch nicht ganz fein, von den Amerikanern, mit riesigem Druck die ganze Welt dazu zu bringen, finanzielle Transparenz herzustellen, und diese dann selbst nicht einzuhalten. Vielleicht sollte ich das Motto meiner Reise, „klein, aber (nicht immer) fein“, noch einmal überschlafen. Das hatte Joe ja schon für Luxemburg eingefordert, und jetzt ist es vornehmlich ein – selbstverständlich neutraler – Schweizer, der mir das Bankgeheimnis verrät und letztlich auch die als Finanzdienstleister tätigen Kleinstaaten schon dadurch exkulpiert, indem er mir vorführt, das „die Großen“ sicherlich nicht feiner sind. Merci vielmals, Urs!
Ilse, Urs und eine mir namentlich nicht bekannte Kuh
Liechtenstein
Mein Gott, Walter!
Keine Bange, so ein armer Kerl wie DER Walter aus dem Lied von Mike Krüger (die Älteren mögen sich erinnern) ist der ehemalige Banker Walter aus Liechtenstein nicht. Ja, auch hier, im Fürstentum Liechtenstein, bin ich schon wieder mit einem Mann verabredet, der früher seine Brötchen in einer Bank verdient hat. Aber ein bisschen Pech hat er schon, der Walter. Kurz bevor er Anfang des Jahres in Rente ging, musste er wegen eines an dieser Stelle nicht weiter erwähnenswerten Leidens operiert werden. Dann stürzte er und brach sich die Hüfte. Zwar bekam er großzügigerweise recht schnell eine neue, aber seine Karriere als Kontrabassist im Orchester Liechtenstein Werdenberg muss er vorläufig ruhen lassen. So findet das heutige Frühjahrskonzert mit Werken von Felix Mendelsohn-Bartholdy, Edvard Grieg, Alexander Porfirjewitsch Borodin und Maurice Ravel leider ohne Walters aktive Mitwirkung statt.
Als ich mit Walter und seiner Lebensgefährtin Rita den Gemeindesaal Eschen betrete, wird Walter mit lautem Hallo von der Kontrabassistin Dorit begrüßt. Vielleicht sollte ich jetzt erwähnen, dass es sich bei dem Orchester Liechtenstein Werdenberg um ein Liechtenstein-Schweizerisches Ensemble handelt, in dem zusätzlich noch einige im nahen Österreich wohnende Musikerinnen und Musiker aktiv sind. Ein total internationales Orchester, denn einige Mitglieder stammen aus so exotischen Gegenden wie Persien (der Konzertmeister), Hawaii und Kolumbien (zwei weitere Geiger/innen) oder Berlin, Hauptstadt der DDR (die bereits erwähnte Kontrabassistin Dorit). Dorit ist eine der professionellen Musikerinnen, die das zum großen Teil aus Laien bestehende Orchester bei den Konzerten unterstützen. Stefan Susana, Musikalischer Leiter, Dirigent des Orchesters Kaltbrunn-Niederurnen, des Orchestervereins Widnau und eben des Orchesters Liechtenstein Werdenberg, ist natürlich ebenfalls ein Profi.
Die Kombination aus Gassenhauern (Teile der Peer-Gynt-Suite, Bolero) und eher unbekannteren Stücken (wie die Prinz Igor Polowetzer Tänze) kommt beim Publikum des Muttertags-Konzertes sehr gut an. Besser konnte mein erster Tag in Liechtenstein kaum beginnen. Überhaupt, so erfahre ich jetzt, ist das Kulturangebot für ein Land mit nur knapp 38.000 Einwohnern sehr beachtlich. So gibt es außer recht häufigen Musikveranstaltungen auch eine Vielzahl an Theatern, Museen und internationalen Kunstausstellungen. In dieser Hinsicht ist natürlich in erster Linie die „Schatzkammer“ mit Exponaten der Fürstlichen Sammlungen zu nennen, aber auch die Ausstellungen zeitgenössischer Kunst im Kunstmuseum und der Hilti Art Foundation sind weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt.
Hilti? Na, schon mal gehört? Passionierte Heimwerker und Bauprofis kennen natürlich diesen Namen (und haben mit Hilfe „einer Hilti“ schon so manche Wand aufgestemmt). Aber wer weiß schon, dass es der in Schaan geborene Martin Hilti war, der hier 1941 gemeinsam mit seinem Bruder Eugen die Firma „Maschinenbau Hilti oHG“ gegründet hat. Zwar war Martin Hilti zur Zeit des Nationalsozialismus an vorderster Front in der Volksdeutschen Bewegung in Liechtenstein (VDBL) aktiv, aber bei aller Sympathie für die Nazis, die bis in die Regierung hinein reichte, widersetzte sich diese 1939 einem Putschversuch und verhinderte durch eine diplomatische Intervention den Einmarsch von 600 Männern der SA und anderer deutscher Kampfverbände. Letztlich konnte die Neutralität und staatliche Integrität Liechtensteins gewahrt werden. 95,4 Prozent aller Stimmbürger sprachen sich für die Selbstständigkeit des Landes aus.
Liest sich doch auch heute noch ganz interessant, das „Volksblatt“ vom 31.Mai 1939: „Als am Montag nach tagelangem Unwetter endlich wieder einmal, wenn auch zögernd, Licht vom Himmel brach, da wollte auch das Herz des Volkes nicht mehr schweigen, es brach aus seinen Tiefen, wie heller, klarer Urquell unserer Berge aus übervollem Grunde zutage steigt, und sich der Stunde freut, da er frei und ungebunden seiner lange verhaltenen Kraft, dem Zuge seines Herzens folgen kann. Wer am Montag die Massen sah, die da spontan einfielen in den Treueschwur des Sprechers unseres Volkes, wer die Schwurfinger sah und die Resonanz der Tausenden und Abertausenden von Liechtensteiner Herzen im Gleichklang eines tiefen Ernstes und männlicher Festigkeit erklingen hörte, der weiss auch, was Treue heißt, der weiss auch, wie das Liechtensteiner Volk seinen Fürsten liebt und in tiefer Liebe zu seinem Vaterlande steht.“
Wahrscheinlich würde man sich heute ein wenig moderner ausdrücken, aber inhaltlich hat sich an der Einstellung der Liechtensteiner wohl kaum etwas geändert. Außer vielleicht an der „männlichen Festigkeit“, denn 1984 hat Liechtenstein dann doch endlich eingesehen, dass Frauen nicht nur in der Küche das Sagen haben wollen, sondern auch am politischen Leben teilhaben möchten: Bereits 16 Jahre vor der Jahrtausendwende wurde das allgemeine Frauenwahlrecht in Liechtenstein eingeführt, herzlichen Glückwunsch, liebe Frauen! Nun aber genug der alten Geschichten, zurück zur Gegenwart.
„Liechtenstein ist nicht nur ein Finanzplatz. Hilti ist nicht das einzige Unternehmen, das seinen Sitz in Liechtenstein hat. Und der größte Arbeitgeber in Liechtenstein ist nicht etwa eine Bank, sondern mit mehr als 2500 Mitarbeitern die Thyssenkrupp Presta AG in Eschen.“ Der gebürtige Schweizer Walter ist ein hervorragender Reiseführer für Liechtenstein. Da schon seine Großmutter aus Liechtenstein stammte, kennt er das Fürstentum nicht nur als hier tätiger Bankangestellter aus dem Effeff, sondern auch als glücklicher Besitzer eines Liechtensteiner Passes. „Seit 20 Jahren bin ich auch Liechtensteiner. Den Pass des Fürstentums bekam ich nur wegen der Herkunft meiner Großmutter.“ Da weltweit nicht allen Grenzern die geografische Lage geläufig ist,