Wulf Mämpel

Mein Name ist DRAKE. Francis Drake


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Lord Nelson, John Churchill, dem ersten Duke of Marlborough oder dem Herzog von Wellington, dem Helden von Waterloo. Er war ein erfolgreicher, daher wohl brutaler Pirat und sicher ein guter Seefahrer, der erste Engländer, der die Welt umsegelte und die Alleinherrschaft der Spanier auf den Weltmeeren brach. Durch ihn hat sich die britische Seefahrt völlig verändert, sie wurde nicht belächelt. England begann seinen Aufstieg, der im 19. Jahrhundert mit dem British Empire seinen Höhepunkt erreichte. Dass weltweit der Ruf „Britannia rules“ erschallen konnte, geht eindeutig auf diesen Seebären zurück. Ja, so ist es wohl . . .“

      „Ja, Drake war ja kein hochgebildeter Mann und besaß nur eine geringe Schulbildung, aber er war ein kluger Berater der Königin. Ein Naturtalent, wenn man so will, der sich sein Wissen selbst aneignete. Er sagte voraus, dass die Menschen aus den Kolonien Afrikas eines Tages vor den Toren Europas stehen werden, weil wir die Kolonien ausgeraubt und die Völker sich ihrem Schicksal überlassen haben. Er sagt: Sie kommen zu uns, weil sie ein Stück von der Beute zurückhaben wollen.“

      „So, sagt er das?“

      „Ja, sehr oft und viel anderes Kluges ebenfalls. Gerade auch in den Gesprächen mit der Königin, die den Grundstein für das Empire ja legte. Ich zitiere Drake: „Ich habe nicht allein das Wissen über das Aussehen der Erde verbessert, ich wurde auch als entscheidender Akteur an einer Wende in der Weltpolitik beteiligt. Meine erfolgreichen Kaperfahrten zeigten, dass sogar die führende Seemacht Spanien keineswegs unbesiegbar gewesen ist, sondern verletzlich und angreifbar war. Unser erfolgreicher Kampf gegen die spanische Armada im Jahre 1588 leitete den allmählichen Niedergang der iberischen Vorherrschaft auf dem Meer ein. Ich bin sehr stolz, meinen Teil geleistet zu haben: England hat sich dadurch als wichtige Seefahrernation etabliert. Ich sage stolz: Ohne Drake kein Empire!“

      „Dieser arrogante Pirat! War er der Liebhaber der Queen?“

      „Ja, er beschreibt sein Verhältnis sehr dezent“, antworte ich lächelnd.

      „Nun, ist das ein Beweis? Gemunkelt wird das ja immer schon.“

      „Er beschreibt die Liaison sehr ritterlich, fast zärtlich.“

      „Der ungebildete Pirat als Romantiker. Ich kann es nicht glauben. Und Du meinst, der Kontakt zu Shakespeare wird mich interessieren?“

      „Ganz sicher, Sir.“

      „Nun zur Hauptsache: Woher hast Du die Texte, die angeblich von Drake stammen?“

      Ich habe die Frage natürlich erwartet. Es ist eine merkwürdige, eine schier unglaubliche Geschichte, das gebe ich zu: Ich erhielt vor ein paar Wochen einen Anruf eines Mannes aus Inverness in Schottland. Ein Doktor Jack McFinn rief mich an und erklärte mir, er habe von mir gehört und gelesen und sei der Meinung, ich sei die richtige Person für eine Sensation, die er mir zwar exklusiv, jedoch nur unter vier Augen und mit der Zahlung von 50 000 Pfund anvertrauen würde. Ich überlegte lange, denn ich erhielt nur folgende Information: Die Drake-Memoiren befänden sich in seinem Besitz . . .

      „Und, bist Du nach Inverness gereist?“ Ich sehe am Gesicht meines Professors, wie er seine Zweifel zu unterdrücken versucht.

      „Natürlich, Sir, nach einer Woche Bedenkzeit fuhr ich nach Inverness und traf mich mit einem sehr sympathischen, etwa 40jährigen Mann, einem Arzt für Kinderkrankheiten, einem Doktor Jack McFinn in dessen Privathaus, einem gemütlichen Manor House. Er berichtete von einem seiner Vorfahren, der ein Pirat gewesen sein soll. Es war ein klarer Deal, Sir Bruce. Ich prüfte das Papier, was ich ja gelernt hatte, las ein paar Seiten quer, fragte nach der Herkunft der Lebenserinnerungen.“

      „Und, was hast Du erfahren?“

      „Stellen Sie sich vor, Sir: Es klingt unwahrscheinlich, aber einer der Vorfahren des Arztes McFinn war 1. Offizier und enger Gefährte des Admirals Drake. Drake erwähnt ihn sehr oft in seinen Erinnerungen. Das lässt mich vermuten, dass das Manuskript tatsächlich von Drake stammt. Diesem gewissen John McFinn gelang es - nach dem Tod des Admirals im Jahre 1596 - auf Umwegen die Aufzeichnungen mit nach England zu bringen, wo er sie der Witwe Lady Drake übergab. Wie sie tatsächlich wieder in den Besitz der Familie McFinn zurückkehrten, weiß ich nicht exakt. Das wird wohl ein Geheimnis bleiben.“

      „Hast Du . . . die Summe bezahlt?“

      „Ja. Ich habe von meinen Eltern nach ihrem gemeinem Unfalltod – wie Sie ja wissen - ein mittleres Vermögen geerbt, das mir ein sorgenfreies Leben ermöglicht, so dass ich die Kaufsumme ohne weiteres entrichten konnte.“

      Der Professor nickt und trink sein Portweinglas in einem Zug leer: „Ich werde das Manuskript lesen, schnell und genau und mit all meinem Wissen über die Zeit der ersten Elisabeth. Ob ich es als Buch verlegen werde, entscheide ich danach, das wird sich zeigen. Du kannst ja schon mal ein Exposé vorbereiten, zu dem auch die Informationen aus der schottischen Quelle gehören . . . von diesem Doktor McFinn!“

      „Ja, das mache ich gerne. Ein Vorfahre aus der Familie des Arztes, so erklärte er mir, habe die Aufzeichnungen wahrscheinlich von den Nachfahren der Vivian Drake, einer angeblichen Tochter des Admirals, erhalten. Ob das tatsächlich der Wahrheit entspricht, weiß ich natürlich nicht. Ich gebe zu, das klingt alles sehr mysteriös. Aber so war das Leben des Drake, Sie werden es ja beim Lesen erfahren . . . ich erwarte bald Ihr Urteil, Sir Bruce.“

      „Ich gebe mir Mühe, mein Kind. Du hast mich tatsächlich neugierig gemacht. Du weißt ja, ich lese immer zuerst den Schluss eines Buches, dann erst beginne ich am Anfang. Eine Marotte. Schade ist nur, dass dieser Cretino Brian Spittfield von der Existenz erfahren hat. Ich traue dem Kerl nicht. Ich las neulich einen Vortrag von ihm, in dem er die Herrschaft der Wissenschaft fordert: Nur Wissenschaftler sollten die Macht über die Unwissenden besitzen, da das Volk dumm und dreist sei. Das ist eine gefährliche These, Vivian, die er vertritt, da er alle Menschen zu Idioten erklärt, die keine Wissenschaftler sind. Ich bezeichne ihn als einen gefährlichen, neidischen Psychopathen. Neider können großes Unheil anrichten, besonders wenn sie verklemmte Wissenschaftler sind. In erinnere mich an einen Mordfall vor vielen Jahren, als ein Kommilitone aus meinem Seminar ein Original-Brief der Königin Elisabeth I. aus dem Archiv der Universität stahl. Der Idiot bot das Stück in den USA an, wohin es tatsächlich verkauft wurde und für immer verschwand. Der Kaufpreis betrug angeblich 90 000 Pfund. Wir wurden zu spät aktiv und konnten dem Burschen letztendlich den Diebstahl nicht beweisen. Doch der Dieb wurde später beraubt und so schwer verletzt, dass er an den Folgen verstarb. Du siehst, es gibt zu allen Zeiten solche Gangster. Und dieser Depp Spittfield könnte Dir ebenfalls schaden. Sei auf der Hut, mein Kind. Auch in unseren Kreisen wimmelt es von undurchsichtigen Charakteren, deren Profilneurosen sie zu obskuren Reaktionen, Prognosen und Szenarien veranlassen. Den guten Drake trifft sicher keine Schuld.“

      „Ich lasse Ihnen die Kopie hier. Wenn Sie das Okay geben, möchte ich die Lebenserinnerungen schnell veröffentlichen, bevor die Gerüchtewelle das Projekt eventuell gefährdet.“

      „Ich werde mich beeilen, das verspreche ich. Bin ich überzeugt, sollten wir beide als Herausgeber firmieren, das macht Eindruck bei den Skeptikern in der internationalen Szene. Und die wird es geben, denn es kann nicht sein, was nicht sein darf.“

      Zum Abschied, bevor die finster dreinblickende Hausdame mich zur Tür begleitet, sagt Sir Bruce eindringlich: „Achte auf Dich, Vivian. Das Gerücht hat schnelle Beine. Ich schlage vor, dass wir unseren Dialog über das Werk in den Text mit einfließen lassen. Das macht man heute gerne, angeblich erhöht das die Spannung bei der persönlichen Lebensbeichte des Sir Francis. Lassen wir sie erscheinen, werden Alt und Jung begeistert sein. Den Erfolg, auch finanziell, überlasse ich aber Dir allein.“

      Etwas benommen, aber glücklich verlasse ich das Anwesen meines Mentors. Sollte uns beiden tatsächlich dieser Coup gelingen?

      X

      „Nun“, frage ich vorschnell. Vor Aufregung beginne ich zu schwitzen. Sir Bruce lacht zunächst, als ich ihn Tage später anrufe. Dann sagt er in seiner etwas umständlichen Art: „Ja, Vivian, es soll wohl so sein: Ich habe bereits einen Drucktermin mit meinem Verlagschef vereinbart. Noch habe ich ja die Memoiren nicht ganz zu Ende gelesen, aber ich muss sagen: Es wird ein Kuchen daraus. Mir gefällt die zum