Heike Wulf

Unverhofft tot


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      Pünktlich um acht stand eine Streife vor ihrer Tür. Barbara hatte sie extra früher bestellt, damit sie im Präsidium wenigstens noch einen Kaffee trinken konnte, bevor der Zeuge kam. Ihr eigener BMW befand sich immer noch zwei Parallelstraßen weiter. Das Parkplatzproblem war wirklich ein Ärgernis. Da musste sie sich noch etwas einfallen lassen.

      Das Dortmunder Präsidium war ganz schön riesig. In Altena, wo sie angefangen hatte zu arbeiten, gab es nur eine Wache. Die letzten Jahre war sie in Iserlohn gewesen, dort befand sich das Polizeipräsidium für den Märkischen Kreis. Ein großes braunes Hochhaus. Dieses Dortmunder Gebäude hier schien sehr verwinkelt. Auf dem Hof vor dem gläsernen Eingangsbereich standen etliche Streifenwagen und zivile Fahrzeuge. Das Eingangspersonal ließ Barbara rechts durch die Sicherheitstür herein. Man kannte sie schon. Wie kam sie nochmal in ihre Abteilung? Barbara hatte es nicht so gut mit der Orientierung. Noch fand sie sich nicht richtig zurecht, aber sicherlich würde sie die Wege in ein paar Tagen automatisch laufen. Rechts die Tür. Hier ging es dann links, danach immer geradeaus bis zu den Fahrstühlen. Die Kriminalinspektion 1, zuständig für Mord, Raub, Sexual-delikte und Erpressung, befand sich in der fünften Etage. Der Fahrstuhl hielt. Nun erst mal geradeaus durch die Glastür und dann den linken Gang. Das zweite Büro auf der rechten Seite war ihres. Durch die geöffnete Tür des ersten Büros begrüßte ihr Kollege Markus sie nur flüchtig.

      „Guten Morgen Markus. Sag mal, wo bekomme ich hier Kaffee?“

      „Frag Tina, die holt dir einen. Ich bin jetzt gleich unterwegs. Hab noch nen anderen Fall. Komme gegen Mittag wieder. Und ach ja, die KTU schaut heute mal wegen dem Spind.“ Er knallte den Hörer auf die Telefonanlage, stand auf und verließ mürrisch das Büro. Was war mit dem denn los?

      Sie betrat den Nebenraum. Dort saß eine Mittfünfzigerin an einem großen weißen, feinsäuberlich aufgeräumten Schreibtisch.

      „Guten Morgen, ich bin Barbara Allenstein, die Neue. Markus, also Markus Beilage sagte mir, hier wäre eine Tina, die …“

      „Jau, das bin ich. Herzlich willkommen, Frau Allenstein, kann ich was für Sie tun? Ich bin hier Ihre persönliche Assistentin. Und nennen Sie mich ruhig Tina, wir sind hier alle ganz locker.“

      „Ja, Markus sagte auch schon sowas. Ein Kaffee wäre toll. Zuhause bin ich ja gerade erst eingezogen, da gibt es noch keinen. Hab’ die Kaffeemaschine noch nicht ausgepackt. Ging ja gestern gleich vorzeitig los mit dieser Leiche. Ich bin übrigens Barbara.“

      „Null Problem, Barbara. Mit Milch?“ Tina lächelte freundlich. Sie machte einen herzlichen Eindruck.

      „Schwarz bitte und wo ist das Verhörzimmer? Gleich kommt schon der erste Zeuge.“

      „Das ist den Gang hier entlang links. Sag bitte Bescheid, ich bring dich hin.“

      Eine viertel Stunde später stand auch schon Lucas von der Forst vor der Tür.

      „Tina, wärst du so freundlich?“

      Lucas und Barbara betraten das Verhörzimmer, das sich nicht sonderlich von denen unterschied, die sie aus ihrer Heimat kannte. Ein Tisch in der Mitte, vier Stühle, kahle Wände, eine Glasscheibe und keine Fenster. Sie schaute sich das Aufnahmegerät an. Es war fest montiert. Wer weiß, vielleicht hatte jemand mal versucht es als Waffe zu benutzen.

      Barbara bat den Zeugen, Platz zu nehmen, und schaltete das Mitschneidegerät ein. Nach den Formalitäten legte sie los: „Herr von der Forst, ich will gleich sagen, wie es ist: Sie haben sich verdächtig gemacht. Das sieht nicht so gut aus für Sie. Sie haben die Leiche gefunden, und wie ich gleich gestern herausgefunden habe, hatten Sie erst kürzlich einen großen Streit mit der Ermordeten. Den haben Sie bei unserem gestrigen Gespräch mit keinem Wort erwähnt! Was sagen Sie dazu?“

      „Stimmt. Was soll ich schon dazu sagen? An den Streit habe ich in dem Augenblick echt nicht gedacht. Ich war ganz schön durcheinander gestern. Warum wir gestritten haben? Kann ich Ihnen sagen! Die Wurzbach hat mich verleumdet. Sie war manchmal ein ganz schönes Biest, sag ich Ihnen. Hat überall rumerzählt, dass immer Geld und Schmuck weggekommen wären, wenn ich da war. Dabei würde ich so etwas nie machen. Niemals. Hab’ ich auch überhaupt nicht nötig, Frau Allenstein. Mein Geschäft läuft gut. Aber mein guter Ruf ist dabei enorm wichtig. Verliere ich den, kann ich einpacken.“

      Barbara schrieb sich eine Notiz dazu auf ihr Blatt. „Das machte Sie natürlich wütend. Dann haben Sie auf die richtige Gelegenheit gewartet: Frau Wurzbach allein am Wasser. Keiner in der Nähe?“

      „Wie kommen Sie denn auf sowas? Klar war ich wütend, als ich von ihren Lügen gehört habe. Ich habe sie zur Rede gestellt und wir haben uns laut gestritten. So bin ich eigentlich gar nicht. Aber die Wurzbach ist so eine Krähe! Als Frau Körner mich dann noch darauf aufmerksam gemacht hat, dass Herr Diedrich die Lügen von der Wurzbach auch noch breittritt, habe ich sofort ein klärendes Gespräch mit der Leitung gesucht. Ich hab’ Frau Sommerfeld gesagt, dass sie mich doch schon seit Jahren kennt und nie etwas weggekommen ist. Und ich hab’ gesagt, dass ich der Wurzbach eine Verleumdungsklage androhen werde, sollte sie mit den Lügen nicht aufhören.“

      „Gibt es vielleicht Zeugen, die beobachtet haben, wie Sie gestern Mittag angekommen und zum Teich gegangen sind?“

      „Ich hab’ Ihnen doch gestern schon gesagt, ich bin direkt von zu Hause gekommen und auf das Gelände gefahren. Da hab ich sie rechts im Wasser liegen sehen. Ich bin sofort hin und hab’ noch geschaut, ob sie lebt. Es war niemand weit und breit zu sehen. Außer Frau Körner. Sagen Sie, wäre es logisch, noch zu versuchen ihr Leben zu retten, wenn ich sie vorher erschlagen hätte?“

      „Ja, das haben Sie behauptet, dass Sie sie retten wollten. Aber, wie Sie selbst sagen, dafür haben wir keine Zeugen, Herr von der Forst. Noch können Sie uns das Blaue vom Himmel erzählen und wir wissen nicht, was wirklich passiert ist.“

      „Frau Allenstein, es ist so, wie ich Ihnen sagte. Fragen Sie mal Frau Körner. Falls sie sich erinnert. Sie ist ja leider nicht immer bei sich. Und – ich bitte Sie – natürlich war ich sauer. Stinksauer sogar. Aber deswegen ermorde ich doch niemanden.“

      „Und wer ist dieser Herr Dietrich?“

      „Ja, Herr Diedrich, der ist sowas wie die personifizierte Bildzeitung im Haus. Er weiß alles, kriegt angeblich alles mit, bauscht auch gerne schon mal auf. Kann nix für sich behalten und verdreht die Tatsachen, wie es ihm gerade passt. Fragen Sie den mal nach der Wurzbach.“

      Barbara notierte unter der Notiz: „Konten überprüfen“

      „Herr Diedrich – Bildzeitung“

      „Ganz ehrlich, man soll ja nicht schlecht über Tote sprechen, aber … wenn die mal nicht selbst hinter den Diebstählen gesteckt hat und den Verdacht auf mich lenken wollte!“

      Barbara notierte sich:

      „Nicht schlecht reden über Tote, aber … 2 x.“

      „Nun gut, kann jemand bezeugen, wann Sie von zu Hause losgefahren sind? Ihre Frau? Kinder? Nachbarn? Wenn Sie es nicht waren, brauchen wir eine Entlastung und Beweise für Ihr Alibi. Wir werden ziemlich genau herausfinden können, wann Frau Wurzbach zuletzt gesehen wurde.“

      „Leider nein. Frau und Kinder gibt es nicht. Und ob mich Nachbarn gesehen haben ... Darauf habe ich nicht geachtet. Aber ... Mir fällt ein, ich hab’ noch Brötchen geholt bei der Bäckerei Schuberts auf der Schüruferstraße. Möglicherweise kann sich da einer an mich erinnern. Die kennen mich. Fragen Sie da mal nach.“

      Barbara notierte:

      „Bäckerei Schuberts – Schürufer“

      „Herr von der Forst, ich möchte Ihnen ja glauben. Überlegen Sie doch noch einmal genau. Ich weiß, dass ich Sie das gestern auch schon einmal gefragt habe, und ich wiederhole mich nochmal, aber manchmal fällt einem später doch noch etwas auf. Haben Sie wirklich niemand in Tatortnähe gesehen oder im etwas weiteren Umfeld? Ist Ihnen da noch irgendjemand eingefallen?“

      „Nein, bis auf Hilde Körner niemand. Tut mir leid. Ich wünschte, es wäre