Schutzwall, der die Tibeter lange Zeit vom Rest der Welt isolierte. Die Zeiten ändern sich, Lhasa verfügt über einen Flughafen und seit neuestem kann man mit der Eisenbahn auf das Dach der Welt gelangen. Wir wollen den Weg und die Strapazen der Pioniere nachempfinden und uns die Abgeschiedenheit dieses Teils der Welt regelrecht erfahren. Wenn man bedenkt, dass der Schwede Sven Hedin damals vor nicht mal hundert Jahren, noch mit einer Karawane von Hunderten Kamelen losziehen musste, von denen die wenigsten überlebten, nur um dann trotzdem nicht in Lhasa reingelassen zu werden, da mutet es irgendwie schon seltsam an, jetzt so einfach mit dem Fahrrad diese Strecke in Angriff zu nehmen.
Die ersten Meter sind flach und geteert. Eine gute Rennstrecke und so kommen wir trotz schwerer Räder gut voran. Anfangs gleicht dies alles keiner Wüste, wir radeln durch grüne, schattige Wälder. Flüsse aus dem Pamir und weitverzweigte Bewässerungssysteme sind hierfür verantwortlich. Es ist Herbst und somit gibt es viel Obst an den Straßenmärkten zu kaufen. Zunächst also glänzende Lage an der Verpflegungsfront! Irgendwann findet man sich aber doch in der Einöde wieder. Einzige Anhaltspunkte sind die Straße und Telefonmasten, die schnurgerade über das Land ziehen. Wir betreiben „Oasenhopping“. Immer wieder finden sich in zunehmend größeren Abständen kleine Ansiedlungen. Dort gibt es Erfrischungen zu kaufen. Unser Erscheinen sorgt jedes Mal für einigen Aufruhr. Wir dürfen uns als Attraktion fühlen. So bald wir in den Dörfern anhalten, bildet sich eine größere Menschenmenge um uns. Wir werden begutachtet und natürlich sind unsere Räder interessant. Besonders der Tacho gibt regelmäßig Rätsel auf. Wie funktioniert das Ding?
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Ich lasse die Leute immer ein wenig zappeln und deute dann auf den Magneten in den Speichen. Ein großes „Ahh!“ geht durch die Menge. So bald wir wieder losradeln, muss erst die Gangschaltung wieder in eine vernünftige Position gebracht werden. All die Schalter und Hebel, das ist einfach zu verlockend und jeder will mal drücken.
Die wichtigste Entdeckung auf diesen ersten Kilometern, „Future Cola“ von der Firma „Wahaha“! Bei dem Namen hat der Abfüller wohl keine Chance auf dem Weltmarkt. Auch weil er ganz fleißig vom Original abkupfert. Man muss schon sehr genau hingucken, um das Design nicht mit dem der „echten“ Cola zu verwechseln. Egal, das Zeug schmeckt und im Folgenden werde ich regelrecht süchtig danach und wünsche mir noch des Öfteren einen liegengebliebenen Future-Cola-Laster zum Plündern.
Yarkand ist noch mal eine große Stadt, bevor wir wieder in die Einsamkeit vorstoßen. Das Hotel wird für Wochen das letzte sein. Wir duschen also ausgiebig, wer weiß schon, wann die nächste Gelegenheit kommen würde. Hier in dieser Stadt hätte man auch noch groß einkaufen können und nicht alles von Kashgar anrollen müssen. Unsere Informationen dahingehend waren also schon veraltet.
Der Verkehr auf den Straßen wäre von der Dichte her eigentlich gar nicht so schlimm, aber die Fahrweise ist schon sehr erschreckend und die Leute machen sich das Leben selber schwer. Überholt wird nahezu immer, ob es gerade geht oder nicht, völlig egal. Und die Hupe! Die wird zu jedmöglichen Anlass betätigt. Es liegt ein Stein auf der Straße, der sich auch noch erdreistet, nicht von selber Platz zu machen? Hupen, hupen, hupen ... Als Fahrradfahrer hat man dann noch mit gedankenverlorenen Fußgängern zu kämpfen, die selbstmörderisch aus der Hecke springen und ohne zu schauen über die Straße marschieren. Sind wahrscheinlich doch schon verkappte Buddhisten hier und glauben als solche fest an die Wiedergeburt. Wir müssen schon jetzt einen mitleiderregenden Eindruck erwecken. Ein Mädchen drückt uns kurzerhand zwei Pfirsiche in die Hand.
Über die Strecke von Kashgar nach Lhasa findet man allerlei Informationen im Internet. Jede Menge abenteuerliche Geschichten sind darunter. Manche haben sich die Mühe gemacht und dankenswerterweise Kilometertabellen aufgezeichnet. Also haarklein aufgeschrieben, wo man abbiegen muss, wo es was zu essen gibt und da wir in der Wüste sind, spielt die Wasserversorgung natürlich auch eine große Rolle. Die Karten für die Gegend sind sehr ungenau. Diese Kilometertabellen sind damit unser wichtigster Leitfaden für die nächsten Wochen, anhand derer wir uns orientieren werden.
An der ersten entscheidenden Stelle in Karshilik, dort wo der Western-Tibet-Highway, die G219 abzweigt, genau hier sind unsere Kilometertabellen ungenau. Dieser Missstand brachte uns alles in allem einem Umweg von 20 Kilometern ein. Hört sich jetzt nach nicht soviel an, aber auf dem Fahrrad ist das schon irgendwie ärgerlich. Wir sind schon wieder aus Karshilik draußen, als der Weg immer schmaler wird. Die Dorfbewohner lächeln uns nur nichtssagend an, als wir uns nach Tibet und dem nächsten größeren Dorf an der G219 erkundigen. Hilft nichts, wieder zurück. Gut, zu Karshilik ist überall zu lesen, dass der PSB hier sein Unwesen treibt und man sollte möglichst unauffällig und schnell durch die Stadt radeln. Weswegen wir auch das auf Englisch ausgeschriebene Hotel ignorieren. Nun stehen wir an der Hauptkreuzung umgeben von einer Menschentraube und fragen, wo es bitte nach Tibet geht. Okay, damit sind wir so ziemlich stadtbekannt, auffälliger geht es nicht. Ein Passant kann schließlich sogar Englisch und erklärt uns den richtigen Weg. Der Abzweig ist auch klar mit dem ersten Kilometerstein „G219 – 0 km“ sehr deutlich gekennzeichnet! Warum schreibt das keiner in diesen Kilometertabellen? Nun ja, es ist spät geworden. Die einzige Möglichkeit eines Campingplatzes mit Wasseranschluss finden wir an der örtlichen Müllhalde. Vielleicht auch der passende Ort, um sich von der Zivilisation für einige Zeit zu verabschieden. Wäre das Wasser nicht so schlammig, könnte man der Müllhalde sogar das Prädikat „gar nicht so schlechter Campingplatz“ erteilen.
Das nahe Armeecamp wird des Nachts grellrot beleuchtet. Sieht gespenstisch aus. Nun sind wir endgültig auf dem Weg nach Tibet. Kein Zurück mehr! Die Episode in Karshilik war schon abenteuerlich, aber vielleicht ist PSB und Armee doch nicht mehr so erpicht darauf, gemeingefährliche Tibetradler aus dem Verkehr zu ziehen? Wer weiß, die Zeiten ändern sich ...
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