Stephan Rankl

Kuerzlich in Asien


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gibt es noch alte uigurische Viertel und die sind so orientalisch exotisch, wie man sich das nur vorstellen kann. Vorerst haben wir jedoch nur Augen für das Essen. Die Spezialität schlechthin sind „Kawap“, ein Kebab-Spieß mit Hammelfleisch. Vor dem Restaurant werden die Spieße auf einem offenen Grill zubereitet. Rauchschwaden ziehen durch die Straßen. In der Ecke hängt ein geschlachtetes Schaf, von dem die Fleischstücke direkt abgeschnitten werden und auf dem Grill landen. Man bestellt die gewünschte Anzahl der Spieße, Stückpreis unschlagbare ein Yuan. Dazu gibt es sehr leckeres uigurisches Brot, „Naan“ genannt, und Tee. Letzterer geht aufs Haus. Englisch spricht mal wieder keiner und so müssen wir uns mit Deuten behelfen. Paul kennt ein paar Brocken Türkisch, die hier tatsächlich verstanden werden.

      Zur Tracht der Männer gehört eine quadratische Kappe mit Rautenmuster, sehr schön anzusehen. Der zentrale Platz mit der Idkah-Moschee wird gerade renoviert und man glaubt es kaum, nicht geschmacklos chinesisch sondern durchaus bemüht, der lokalen Kultur Rechnung zu tragen. Die Moschee steht hier seit 1442 und ist der zentrale Treffpunkt. Rundherum gibt es eine endlose Anzahl von Basaren, im Zentrum allerdings doch eher mit Augenmerk auf Touristen angelegt. Kleine, orientalisch verzierte Messer sind das Verkaufskulturgut Nummer Eins. Nur einmal unvorsichtig einen verstohlenen Blick auf die Auslagen geworfen, schon findet man sich mitten in einem Verkaufsgespräch wieder. Plötzlich werden auch ein paar Brocken Englisch hervorgekramt. Handeln ist wie überall im Orient Pflicht. Aber gegen 2000 Jahre Erfahrung können wir mit unserer Supermarktmentalität nicht wirklich anfeilschen. Zumal das Eröffnungsangebot eigentlich schon ein unschlagbares Schnäppchen darstellt. Aber so einfach ausnehmen lassen will man sich nun auch nicht und ist bemüht, dem entgegenzuwirken. Zuletzt verlassen wir den Laden mit einem schicken Messer und Kashmiri-Schals dazu. Der Verkäufer scheint zufrieden, wir sind es auch. Aber wir kommen nicht weit, in einem Miniladen wird an Ort und Stelle so eine Art Geige zurechtgeschnitzt. Wunderschön verziert und schon wieder nennen wir einen Preis. Zum Glück wollen wir von Kashgar sowieso das erste Paket nach Hause schicken, welches nun größer ausfällt, als gedacht.

      Unsere Erfahrungen mit der chinesischen Post sind im Nachhinein außerordentlich gut. Billig und absolut zuverlässig! Es ging kein einziges Paket verloren. Wenn man sich vorstellt, das die von uns bevorzugte billigste Option wohl einen Kameltransport durch die Taklamakan-Wüste beinhaltet, schon eine Leistung.

      Der Sonntagsmarkt von Kashgar, was für ein Gewusel! Hier gibt es wirklich alles zu kaufen. Wir fangen mit der Touristenhalle an, jede Menge chinesisches Zeug, politisch nicht korrekte Pelze, politisch korrekte Kleidung und viel, viel Krimskrams. Dazu dubiose chinesische Heilmittel aus Hörnern und weiß der Mao alles. In Einmachgläsern schwimmen eingelegte Frösche, Schlangen und anderes Getier.

      Sonntagsmarkt scheint aber eigentlich jeden Tag zu sein und mal ehrlich, was würden die Leute auch sonst den Rest der Woche tun. Geld zählen? Also dann kann man sich auch auf den Markt hocken.

      Der wahre Markt findet draußen auf der Straße statt. Viele Essensstände, Geschirr, Metallwaren, Metzger, für alles gibt es eigene Bereiche in den Basaren. Die Menschen machen Eindruck. Windgegerbte Gesichter, lange Bärte, Schleier. Uiguren, Chinesen, Pakistanis und wer weiß, was noch für Völker. All die Waren werden frühmorgens mit Eseln in die Stadt gekarrt. Der sonst für Autos vorgesehene Parkplatz ist vollgestellt mit hunderten von Eselkarren. Was für ein Bild! Insbesondere das Abschleppschild entbehrt mit all den Eseln darunter nicht unfreiwilliger Komik.

      Das eigentliche Spektakel ist jedoch der vor den Toren der Stadt ausgelagerte Tiermarkt. Wir lassen uns von einem der vielen Tuk-Tuks dorthin transportieren. Kamel gefällig? Kein Problem, kann hier ersteigert werden. Zwischen all den Tieren sieht man die Männer vertieft in Fachgespräche, hier wird ernsthaft gehandelt. Als Tourist und damit ziemlich unwahrscheinlicher potentieller Käufer wird man nicht beachtet, weswegen dieser Markt ursprünglicher ist, als sein Pendant in der Innenstadt. Endlos viele Ziegen stehen an den Köpfen zusammengebunden aufgereiht. Ein Käufer versucht den gerade erstandenen Ochsen auf die Pritsche seines Lastwagens zu bewegen. Beide sind von der Prozedur nicht begeistert. Der Umgang miteinander ist dementsprechend nicht gerade zimperlich. Tierschützer sollten es sich gut überlegen, ob sie dem Treiben hier einen Besuch abstatten wollen. Ebenso Vegetarier. Vor dem Markt stehen Metzger und Grillmeister bereit. Geschlachtet wird auf offener Straße. Was sich wohl so ein Schaf denkt, wenn es an den abgetrennten Köpfen seiner Artgenossen vorbeigehen muss?

      Wir lassen uns nicht abschrecken und sind ein weiteres Mal von der uigurischen Küche begeistert. Neueste Entdeckung „Laghman“. Lange Nudeln mit feiner Gemüse- und Fleischsoße. Kommt einem irgendwie bekannt vor? Richtig, genau das hat Marco Polo damals daheim als Spaghetti verkauft. Hier ist es das Alltagsgericht schlechthin und wird zu jeder Tageszeit serviert. Sogar zum Frühstück, höllisch scharf versteht sich. „Samsa“ sind Teigtaschen mit Hammelfleisch gefüllt und ebenfalls sehr lecker.

      Wagt man sich in die alten uigurischen Viertel von Kashgar, die es noch immer gibt, fühlt man sich um einiges in der Zeit zurückversetzt, mitten hinein in ein orientalisches Abenteuer. Die Stadtteile sind quasi nach Handwerk aufgeteilt. Während hier lautes Dängeln und Scheppern von Metallbearbeitung zeugt, fallen dort Späne vom raren Gut Holz. Zwischen drin, bunte Basare mit Gewürzen und Trockenfrüchten. Generell sind die Gebäude jedoch dem Verfall preisgegeben. Einstige Herrenhäuser mit wunderschönen orientalischen Ornamenten verziert, hängen nun windschief über der Straße. Elektrische Leitungen werden da verlegt, wo sie gerade gebraucht werden. Ein heilloses Durcheinander. Wehe, wenn hier jemand einen Kabelbruch oder ähnliches suchen muss. Alte Stadtmauern zeugen von längst vergangen Zeiten, um die Stadt herum verteilte Mausoleen vom Reichtum und Macht einstiger Herrscher. Die Bauwerke gleichen Moscheen, im Innern sind die Särge aller Familienmitglieder aufgebahrt. Erstaunlich viele Miniaturausgaben für Kleinkinder sind mit dabei.

      Der chinesische Teil der Stadt glänzt mit sechsspurigen Straßen. Die Grünphasen sind mit Countdown-Ampeln versehen. Am zentralen Platz, eine riesige Mao-Statue mit ausgestreckter Hand. Chinesen lassen sich vor dem Abbild ihres großen Führers ablichten. Obwohl er mit seinen politischen Experimenten der größte Massenmörder des 20. Jahrhunderts ist, hat sein Ansehen bei den Landsleuten nie gelitten. Aufklärung fand bisher nicht statt und für große Fehler fanden sich immer genügend andere Sündenböcke. Schön beschaulich der angrenzende Volkspark. Man sieht uigurische Familien beim Nachmittagspicknick.

      Durch die Wüste

      Das Abenteuer Westtibet steht an. Den ersten Teil entlang der Taklamakan wird die Versorgung noch gut sein, doch danach, sind die Siedlungen immer weiter auseinander, bis sie überhaupt nicht mehr vorhanden sind. Es gilt Essen fassen! Erst im 1300 Kilometer entfernten Ali können wir wieder darauf hoffen, so kleinen Luxus wie Schokoriegel zu bekommen. Grundnahrungsmittel, sprich Nudelsuppen gibt es in China überall, aber auf Dauer könnte das ein bisschen fad werden. Also plündern wir regelrecht die Supermärkte und stopfen unsere Gepäcktaschen mit Essen voll, wo es nur geht. Wir entdecken Schokoriegel der türkischen Firma „Ülker“. Die zeichnen sich durch den nicht zu unterschätzenden Vorteil aus, uns vom Kakaoanteil auf Deutsch überzeugen zu können. Ein Müsli-Energiepulver-Verschnitt stammt aus Australien. Wenn man das Zeug anrührt, sieht es aus wie Beton. So fühlt es sich auch im Magen an. Das Wichtigste ist der Nährwert! Zucker, Salz und Kekse sind auch sehr wichtig. Im Basar decken wir uns mit Trockenobst und Nüssen kiloweise ein. Wir werden dabei zwar so richtig über den Tisch gezogen, aber bei der reichlichen Auswahl können wir nicht widerstehen und verlieren den Preis aus den Augen.

      Nächster Morgen, die Fahrräder haben nun ihr volles Kampfgewicht erreicht und sind einfach nur höllisch schwer. Als wir morgens aus der Lobby schieben, sind wir doch eine kleine Attraktion bei den „Jeeptouristen“, wie wir sie ab jetzt nennen würden, und müssen erst mal für Fotos posieren.

      Ab jetzt heißt unser Feind „PSB“. Das Kürzel steht für „Public Security Bureau“. Die polizeiartige Organisation ist zum Beispiel für so schöne Sachen wie Verfolgung und Verhör politischer Dissidenten verantwortlich, Verbrechensaufklärung und die Verhinderung von geschlechtlichen Beziehungen zwischen Chinesen und Tibetern. In abgelegenen Regionen ist dies die täglich spürbare Macht im Staate. Das PSB fungiert ebenso als Ausländerpolizei,