Michael Stuhr

PROJEKT KUTAMBATI


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Kaffee ein. Nachdenklich bastelte er sich aus den spärlichen Zutaten so etwas wie ein Sandwich. Seidel war zwar ein unangenehmer Charakter, aber nicht feige. Wenn er jetzt den Fragen Wallmanns auswich, welchen Grund hatte das dann?

      15.11.1972 - 08:12 - Mombasa, Yomo-Kenyatta-Drive

      "Ein sehr schönes Häuschen!" Holtkamp schaute sich zufrieden um. Mit einer Bleibe hier direkt an dieser Prachtstraße hatte er nicht gerechnet. "Wirklich sehr schön!"

      Mommsen, der in einer Blitzaktion den Vormieter auf ein sehr abgelegenes Grundstück außerhalb Mombasas verfrachtet hatte, war erleichtert. Das von einer hohen Mauer umgebene Gebäude war allerdings wirklich ideal für die Zwecke der Heerdt AG. Das hatte sogar Seidel zugeben müssen, der es sich nicht hatte nehmen lassen, sich die neue Dependance der AG selbst anzusehen.

      Schon lange vor Vertragsabschluss mit dem Ministerium hatte die AG vorsorglich ein Logistikkonzept für den Neubau des Forschungszentrums Kutambati erstellen lassen. Bis zur endgültigen Übergabe des Neubaus an den Bauherrn würde Holtkamp den Materialumschlag und den Transport organisieren. Nach der Inbetriebnahme sollte er sich vor allem um die Kommunikation zwischen Frankfurt und Kutambati kümmern. Zu diesem Zweck sollte heute noch eine speziell ausgestattete Funkbude für ihn eingerichtet werden.

      Ferner war dieses Haus als Durchgangsstation für Besucher des Forschungszentrums gedacht. Mitarbeiter, Anwendungstechniker und Wartungskräfte würden dann in den sechs Erdgeschossräumen eine Übernachtungsmöglichkeit vorfinden. Holtkamp selbst sollte die drei Zimmer der oberen Etage bewohnen.

      "Es gibt hier Wasserversorgung, Telefonanschluss und ein Notstromaggregat. Weiterhin ist das ganze Gebäude klimatisiert." Mommsen war sichtlich stolz auf seinen Besitz.

      "Wer hat hier vorher gewohnt?" Holtkamp schob sich seine schwarz gerandete Brille zurecht und sah sich misstrauisch um. Wer sich solchen Luxus leisten konnte, ließ sich doch nicht so schnell ausquartieren.

      "Weiße", gab Mommsen lakonisch zur Antwort, während er schnell sein Gesicht abwandte.

      Der Mann hatte etwas zu verbergen, das war klar. Holtkamp fragte lieber nicht weiter nach. Er merkte plötzlich, dass er die Details gar nicht wissen wollte.

      Seidel hatte inzwischen Lichtschalter und Wasserhähne ausprobiert. "Gut Herr Holtkamp, Sie können dann gleich nachher Ihre Sachen holen. Sobald die Funkanlage in Betrieb ist, nehmen Sie bitte sofort Verbindung zum Fernmeldeamt auf. Ich möchte ein Telegramm aufgeben!" Zu Mommsen gewandt fuhr er fort: "Stellen Sie Herrn Holtkamp jetzt bitte das Hauspersonal vor!"

      Mommsen stellte sich breitbeinig in den Flur und stieß einen durchdringenden Pfiff aus. Seidel verzog angewidert das Gesicht. Sekunden später standen zwei schwarze Frauen vor ihm. Etwas langsamer kam ein älterer Mann aus der oberen Etage.

      "Jambo, Bwana!" grüßten die drei. Die jüngere Frau, etwa zwanzig Jahre alt, versuchte einen Knicks.

      "Jambo!" grüßten auch Mommsen und Holtkamp.

      Seidel war in einen anderen Raum gegangen.

      "Das ist euer neuer Herr!" Mommsen stellte Holtkamp vor. "Dient ihm so, wie ihr Bwana Gerlitz gedient habt. - Das sind Adam, Maria und Aye. Adam macht mit der kleinen Aye zusammen das Haus. Die alte Maria ist eine ganz gute Köchin. Sie werden staunen!"

      Holtkamp nickte den dreien freundlich zu, aber gleichzeitig spürte er direkt körperlich die Reserviertheit, die von ihnen ausging. Sie mochten ihren neuen Boss nicht. Die merkwürdig lauernden Blicke, mit denen sie ihn maßen, sagten ihm ganz klar, dass sie niemals seine Diener sein würden. Das waren Mommsens Leute, und er, Holtkamp, wurde von ihnen nur geduldet. Es war lächerlich, aber das Bewusstsein, hier unerwünscht zu sein bewirkte, dass es ihm ganz mulmig wurde. Nervös schob er sich den Zeigefinger in den Hemdkragen und versuchte vergeblich, ihn zu lockern.

      "Macht Euch wieder an die Arbeit, die oberen Räume müssen noch in Ordnung gebracht werden!"

      Mommsens barsch gesprochene Worte rissen Holtkamp aus seinen leicht paranoiden Gedanken. Verwirrt schreckte er auf und blickte sich zu Mommsen um.

      "Immer muss man hinter diesen Leuten her sein", sagte der.

      Holtkamp nahm sich vor, das zu versuchen - aber er versprach sich nicht sehr viel davon.

      Vor dem Eingang wurde es laut. Mommsen öffnete die Tür und zwei Techniker kamen mit etlichen technischen Geräten in den Flur. - Die Funkanlage! Holtkamp spürte Erleichterung. Das würde seine Verbindung zur Welt sein. - Sein Lebensnerv.

      15.11.1972 - 11:42 - Telegramm Seidel/Heerdt AG

      Heerdt AG - Hauptverwaltung

      Herrn Direktor Camberg

      Frankfurt a.M.

      West Germany

      15/11/1972/11:42

      Laut Gendera wird Mommsen in der Lage sein, den Bauauftrag auszuführen/Mommsens afrikanische Reverenzen sind in Ordnung/Zwecks weiterer Überprüfung hier Daten/Viggo Jan Mommsen/05/08/1928/Holstebro/Dänemark//Mommsen Ltd./Nairobi/Kenia/Wallmann ist kooperativ/Keine Schwierigkeiten/Gruss Seidel

      09.11.1972 - 11:04 - Bonn, Verteidigungsministerium

      "Ich habe Ihnen ja gesagt, dass man sich auf Menzel verlassen kann! Der Mann weiß jetzt seit gerade mal zwei Monaten, dass er den Auftrag erhält - schon hat er einen Stab in Kenia!

      Der Bauleiter ist vor Ort, und ein Konvoi mit Baumaterial ist von Nairobi aus unterwegs. Sämtliche erforderlichen Geräte für die Labors sind geordert. Am fünfzehnten Januar wird das Material von Hamburg aus verschifft." Gloger wandte sich vom Fenster ab und setzte sich F.A. gegenüber. "Die Personalabteilung führt seit fünf Tagen Gespräche mit möglichen Mitarbeitern. Es gibt keinen Zweifel, dass uns ab März 73 ein Stab von Chemikern und Biologen zur Verfügung steht. Die Inbetriebnahme der Anlage ist für Mitte April nächsten Jahres geplant. Mit Ihrer Erlaubnis möchte ich jetzt den ersten Jahresetat freigeben."

      Wortlos unterschrieb F.A. den Antrag. Gloger konnte gehen.

      14.11.1972 - 21:30 - Wiesbaden, "Maritim Hotel"

      Doktor Bernhard Fellingsen, der Leiter der Versuchsabteilung der Heerdt AG, lehnte sich entspannt zurück. Dieses Abendessen mit Menzel konnte an sich nur Gutes bedeuten.

      Seit über 25 Jahren war er in dieser Firma tätig, immer in leitender Stellung. Er hatte die Mitglieder der Heerdt-Familie alle persönlich gekannt. Seine Stellung schien auf Lebenszeit gesichert. - Bis dann dieser Emporkömmling Menzel daherkam und mit seinem ererbten Kapital die Aktienmehrheit an der Heerdt-Gruppe erwarb.

      Dass Menzel die Firma mit seinem Einspringen schlicht vor dem Konkurs bewahrt hatte, wollte Fellingsen nicht wahrhaben. Trotz seines Widerwillens gegen Menzel war es ihm gelungen, seine Position als Abteilungsleiter zu festigen, ja sogar auszubauen. In den letzten Monaten schien es, als erkenne nun sogar der Aufsichtsrat Fellingsens außerordentliche Fähigkeiten voll an. Sämtliche Rechenschaftsberichte seiner Abteilung wurden anstandslos akzeptiert. Darüber hinaus unterstellte ihm die Personalabteilung zwei neue, hochqualifizierte Mitarbeiter.

      Fellingsen war nicht Kaufmann genug, die Zeichen richtig zu deuten. In seiner maßlosen Eitelkeit meinte er, Menzel wolle sich bei ihm anbiedern.

      Während des Essens schien es, als solle Fellingsen Recht behalten. Menzel gab sich jovial und zuvorkommend. Das Gespräch drehte sich ausschließlich um allgemeine Belange. Jetzt, nach dem Mocca, nahmen die beiden Herren noch einen Cognac. Ganz allein saßen sie im Kaminzimmer des Hotels. Das gedämpfte Licht verbreitete eine angenehme Atmosphäre. Menzel hatte sich jede Störung verbeten und so hatte sich die Bedienung zurückgezogen. Die Schiebetüren waren geschlossen und ein feiner Nieselregen machte die Fensterscheiben undurchsichtig.

      "Sie