Michael Stuhr

PROJEKT KUTAMBATI


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nicht durchführen. Auf deutschem oder europäischem Boden wäre dieses Projekt mit einem Aufwand verbunden, der jeden Kostenrahmen sprengen müsste. Daher haben wir uns entschlossen, die neue Abteilung in Kenia, auf unserem dortigen Gelände zu installieren."

      "Verstehe", Camberg nickte eifrig.

      "Mit den dortigen Behörden wurde bereits verhandelt", fuhr Menzel fort, während er mit seinem silbernen Kugelschreiber im Takt seiner Worte auf den Zeigefinger der linken Hand klopfte. "Rechtlich gesehen ist alles unter Dach und Fach. Die baulichen Maßnahmen können quasi sofort beginnen. Von Ihnen, Herr Camberg, erwarte ich die reibungslose Abwicklung des gesamten Projekts." Menzel hatte sich vorgebeugt und zielte mit dem Kugelschreiber auf Cambergs Magengegend. "Ich lasse Ihnen vollständig freie Hand. Aber ich erwarte Erfolge von Ihnen! Innerhalb von sechs Monaten hat in Kenia ein Labor zur Verfügung zu stehen, das den Anforderungen auf das Genaueste entspricht. Weitere Anweisungen erhalten Sie im Laufe des Tages. Jetzt gehen Sie bitte hinunter, und setzen Sie Ihren Stellvertreter als kommissarischen Leiter Ihres Ressorts ein."

      Camberg wandte sich zum Gehen.

      "Herr Camberg, vorab noch eins. Sie erstatten mir täglich persönlich Bericht!"

      Camberg nickte und ging zur Tür. Dort zögerte er einen Moment und wandte sich erneut zu Menzel um. "Übrigens - ich bräuchte noch einen Assistenten."

      Menzel stützte die Ellenbogen auf den Schreibtisch, verschränkte die Finger und sah darüber hinweg auf Camberg. "An wen hatten Sie gedacht?"

      "An Brinker. Brinker ist sehr zuverlässig."

      "Brinker ist zu weich, nehmen Sie Seidel!" entschied Menzel.

      "In Ordnung." Camberg grüßte knapp und öffnete die Tür.

      So ist das also, wenn man direkt mit dem Chef zusammenarbeitet, ging es Camberg durch den Sinn, als er auf den Aufzug wartete. Vollständig freie Hand hatte Menzel ihm versprochen. Das fing ja gut an!

      14.11.1972 - 16:48 - Kenia

      "He, was ist los?" Das abfallende Motorengeräusch hatte Wallmann geweckt. "Sind wir schon da?"

      "Nee, Pinkelpause!" brüllte Pavarone zurück.

      Auch Fischer, der sofort nach dem Start eingeschlafen war, rührte sich jetzt auf seinem Sitz. Pavarone nahm noch mehr Gas weg und ging tiefer. Kurz vor dem Erdboden fuhr er die Landeklappen aus. Angestrengt suchte er ein zur Landung geeignetes Stück Steppe. Fischer schaute verschlafen aus dem halbblinden Seitenfenster. Ziemlich öde sah sie aus, die Steppe - und ziemlich nah war sie. Plötzlich riss es ihn hoch! "Was wird denn das? Notlandung?"

      Der Pilot grinste ihn breit an. "Keine Angst, das ist meine Privatpiste, hier lande ich immer."

      "Vor sechs Wochen aber noch nicht!", meldete sich Wallmann von der Rückbank.

      "Da hatte der Ölfilterdeckel auch noch keinen Riss!"

      Endlich tauchte ein flaches Stück Land vor der Maschine auf. Unvermittelt ging Pavarone noch tiefer und flog noch langsamer. Direkt am Anfang der neuernannten Piste zog er die Nase der Cessna hoch, wobei die Räder fast schon den Boden streiften. Die Restgeschwindigkeit sank rasend schnell ab, und sanft sackte die Cessna fast senkrecht zu Boden. Keine dreißig Meter vom Beginn der Piste brachte Pavarone das kleine Flugzeug zum stehen.

      "Zehn Minuten Pause", verkündete er.

      "Sag mal Franco, habe ich dich da eben richtig verstanden? Deine Kiste verliert Öl?" fragte Wallmann mit einem leichten Zittern in der Stimme.

      "So ein bis zwei Liter pro Stunde." Pavarone zuckte mit den Schultern und wollte aussteigen.

      Wallmann hielt ihn an der Schulter fest. "Hör mal, du machst doch wohl Spaß?"

      "Reg dich nicht auf, Gerd! Ich habe ja frisches Öl dabei. Gib mir doch mal den Kanister!"

      "Er meint es ernst!" Wallmann schaute Fischer groß an. "Bei Gott, er meint es wirklich ernst! Du elender, blöder Buschpilot! Bist du vor zwanzig Jahren extra aus Italien..."

      "...aus der Schweiz", korrigierte Pavarone.

      "...egal - also aus der Schweiz hierher gekommen, um uns heute umzubringen?"

      "Wieso umbringen?" Pavarone war ehrlich erstaunt. "Ist doch wirklich nur ein ganz kleiner Riss. Ich kippe gleich drei oder vier Liter Öl nach - und dann geht's weiter. Gib mir jetzt den Kanister!"

      Die Unterseite des Motors war total ölverklebt. Selbst Franco Pavarone wurde ganz ruhig, als statt der erwarteten drei oder vier Liter annähernd zwei volle Gallonen in den Tiefen des Motors verschwanden. "Ist schlimmer geworden." murmelte er halblaut.

      Die beiden Ärzte schauten ihm fassungslos zu.

      "Ob das Ding noch mal anspringt?" Fischer verzog zweifelnd die Mundwinkel.

      "Ich hoffe nicht", gab Wallmann zurück.

      "Hört mal!" meldete sich Pavarone, der sich gerade bemühte, ein paar Schrauben festzuziehen. "Eins verspreche ich euch. Gleich in Mombasa besorge ich ein Ersatzteil. Ich weiß, wo eine alte Cessna steht. Alles kein Problem. Ihr kommt morgen früh schon wieder zurück."

      "Wenn wir je ankommen", grummelte Wallmann kopfschüttelnd.

      Eine Viertelstunde später waren sie nach einem lebensgefährlichen Slalomstart, um Felsbrocken und Büsche herum, wieder in der Luft. Die tief stehende Sonne füllte die kleine Kabine mit rötlichem Licht. Die endlose Savanne erglühte im Abendschein. Eine Elefantenherde zog in einiger Entfernung durch das hohe Gras. Alles hätte sehr schön sein können. Aber die drei Männer im Cockpit lauschten nur noch auf die Geräusche des Motors, und schon die kleinste Unregelmäßigkeit ließ sie zusammenzucken.

      13.03.1955 - 20:11 - Allentown, Pennsylvania

      "Und der Fluch des Herrn wird euch zerschmettern ..." Der junge Reverend Linus van Harp hob beschwörend die Hände.

      "Herr sei bei uns", antwortete die Gemeinde.

      "Die unkeuschen Wünsche und die verwerfliche Tat werden euch töten ..."

      "Herr sei bei uns!"

      "Ihr werdet das ewige Leben verlieren ..."

      "Herr sei bei uns!"

      "...wenn ihr dem Satan nachgebt!"

      "Herr sei bei uns!"

      "So höret denn! Die unkeuschen Wünsche der Männer und die Wollust der Frauen sind der Welt Untergang! Der Herr hat uns die Welt gegeben, um sie in Demut zu bebauen. In Demut stehen wir vor dem Herrn, der uns Kinder zeugen lässt, auf dass unser Geschlecht stark werde. Vergeudet nicht die Kräfte eures Geistes und den Saft eures Blutes! Verliert euch nicht in Wollust und unzüchtigem Tun! Entwürdigt nicht den heiligen Akt der Zeugung durch widernatürlichen Sex!"

      "Halleluja!" Eine junge, unscheinbare Frau schnellte von ihrem Platz hoch. "Herr sei bei uns!"

      Ihr Platznachbar, offenbar ihr Mann, zog das Genick ein und wurde aschfahl, während seine Frau sich wieder auf ihren Platz sinken ließ.

      "Sei sicher, meine Tochter, du bist nicht allein. Unser aller Kraft ist bei dir. Wenn die Versuchung an dich herantritt, weise dem Satan die Tür! Denke immer daran: Der Herr hat uns die Lust gegeben, um uns zu prüfen.

      Ewige Verdammnis - ich sage, ewige Verdammnis ist allen sicher, die sich dem Satan hingeben! Wehret dem Feind, liebe Töchter! Verspielt nicht leichtfertig euer Seelenheil! Rettet euch und eure Familie vor dem Fegefeuer! Verweigert euch, wann immer ihr könnt! Jede Minute der Lust, die nicht der Zeugung dient, schleudert euch und eure Männer in tiefste Verdammnis!

      Seid stark, liebe Töchter! Sucht Befreiung im Gebet! Der Herr wird euch helfen! Der Herr wird euch befreien!

      Aber seid auf der Hut. Der Böse ist allgegenwärtig und weiß um die Schwäche des Fleisches. Denkt an eure Kinder!