Michael Stuhr

PROJEKT KUTAMBATI


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morgen. Stimmt's Felix?"

      "Wenn ich nur diesen Seidel nicht sehen muss, ist mir alles recht."

      "OK Martin, aber wenn ich länger bleiben muss, fliegst du morgen früh alleine zurück.

      "Yes, Sir!" Fischer strahlte Wallmann an. "Na denn - wann geht's los?"

      Wallmann hatte inzwischen die richtige Frequenz eingestellt. "Heerdt-Klinik ruft Pavarone! Heerdt-Klinik ruft Pavarone! Komm Junge, melde dich!"

      Wallmann ließ die Sprechtaste los und wartete einige Sekunden. Alle hörten gespannt auf das Knacken des Lautsprechers.

      "Hallo, hier ist Franco! Heerdt-Klinik, was ist los?"

      "Tag Franco, hier ist Gerd. Du hör mal, hast du einen Lift für uns? Zwei Personen nach Mombasa und morgen früh zurück. Wann kannst du hier sein?"

      "Na, zwei Stunden werde ich schon brauchen. Ich muss erst noch Staub wischen."

      "In Ordnung! Wir sind kurz nach drei an der Piste."

      "Ja, aber probiert diesmal rechtzeitig, ob euer Wagen anspringt. Ich habe keine Lust, wieder stundenlang zu warten. Ende!"

      "Ende!"

      Um halb drei fuhr Wolters die beiden Kollegen zum Landeplatz, der zirka sieben Meilen außerhalb des Dorfes lag. Der Pilot hatte recht gehabt. Der VW-Kübel hatte zu lange gestanden und musste tatsächlich wieder angeschoben werden. Jetzt lief er einwandfrei, und kurz vor drei stand der Wagen mit laufendem Motor neben der Piste.

      "Ich möchte doch mal gerne wissen, was dich so gewaltig nach Mombasa zieht." Wolters hatte sich zu Fischer herumgedreht.

      "Das kann ich dir erklären: Vor vielen Jahren träumte ich davon, einmal eine Klinik an der Küste zu leiten. Und was habe ich bis heute bekommen? Zweitklassige Stellungen in der Steppe, in der Wüste, im Dschungel und im Sumpf. Ich finde einfach, dass ich es meinem Traum von damals schuldig bin, wenigstens ab und zu ein bisschen Seeluft zu schnuppern."

      Wallmann, der auf dem Beifahrersitz mitgehört hatte, lachte kurz auf.

      "Tja", stellte Wolters fest, "In jedem Arzt steckt ein Romantiker - oder steckte zumindest", setzte er bitter hinzu und wandte sich ab.

      Wenige Minuten später trudelte auch Franco Pavarone mit seiner einmotorigen Cessna ein.

      "Viel Spaß und viel Glück", rief Wolters zum Abschied, als Fischer und Wallmann in die Maschine eingestiegen waren, "und bringt mir bloß den Seidel nicht mit!" Er hob grüßend die Hand.

      Pavarone schob den Gashebel nach vorne, und die Cessna begann zu rollen.

      "Was gibt's Neues in Wajir?" Wallmann hatte sich vorgebeugt und brüllte dem Piloten die Frage ins Ohr. Seit einer Stunde war die Cessna nun schon in Richtung Mombasa unterwegs.

      "Oh, bei uns tut sich allerhand." Mühelos übertönte die gewaltige Stimme Pavarones den Motorenlärm. "Unser Flugplatz ist jetzt auch nachtlandetauglich. Die Provinzregierung hat den Ankauf von zwölf Petroleumlampen zur Landebefeuerung beschlossen." Pavarone lachte Tränen über den eigenen Witz, den er seit Wochen jedem Passagier erzählte.

      "Ich habe gehört, dass es bei euch ein neues Bordell gibt. Erzähl doch mal!" brüllte Wallmann erneut.

      Die Cessna flog nur circa 300 Fuß hoch. Bei jedem Wechsel der Landschaftsformation wurde das kleine Flugzeug von heftigen Turbulenzen geschüttelt. Pavarone hatte alle Hände voll zu tun. "Ist schon wieder zu", berichtete er. "Hat massiven Ärger mit der Polizei gegeben. Wir sind nämlich ein moralisches Land, wisst ihr. - Jedenfalls wenn die Schmiergelder nicht pünktlich fließen."

      Wallmann nickte und lehnte sich zurück. Mit geschlossenen Augen träumte er von verpassten Gelegenheiten.

      12.09.1972 - 09:12 – Frankfurt, Heerdt AG, Hauptverwaltung

      Direktor Camberg, seit sieben Jahren Abteilungsleiter der Auslandsniederlassungen der Heerdt AG, war hoch beglückt. Menzel, der große Philip Menzel, hatte ihm heute Morgen sein Vertrauen ausgesprochen und ihm Vollmachten erteilt, von denen er gestern noch nicht zu träumen gewagt hätte.

      Als er um 8:30 Uhr in sein Büro gekommen war, hatte seine Sekretärin ihn mit der Nachricht empfangen, dass Dr. Menzel ihn sofort zu sehen wünsche. Mit einem ganz üblen Gefühl in der Magengegend war Camberg in den zwölften Stock hinaufgefahren, wo Menzels Büro lag.

      Das letzte Mal, als er seinen Chef gesehen hatte, hatte dieser ihn eiskalt abgefertigt. Vor dem versammelten Aufsichtsrat hatte Camberg Bericht über Zustand und Erfolge seiner Abteilung erstatten müssen.

      Menzel hatte ihn dabei mit gezielten Fragen dermaßen in die Enge getrieben, dass Camberg seine übliche Verschleierungs- und Beschönigungstaktik hatte aufgeben müssen. Gnadenlos hatte Menzel selbst kleinste Fehler und Vergehen aufgedeckt. Am Schluss der Sitzung standen die Auslandsniederlassungen da, als seien sie ein absolut uneffektives, schlecht geführtes Anhängsel der Heerdt AG. Camberg war einem Herzanfall recht nahe gewesen. Seit dieser Sitzung vor vierzehn Tagen erwartete er eigentlich täglich seine Beurlaubung.

      "Morgen Herr Camberg", Menzel saß in seinem Büro am Besuchertisch. "Setzen Sie sich!"

      Zögernd folgte Camberg der Aufforderung. Mit einem raschen Blick erkannte er, dass Menzel die Kenia-Handakte vor sich ausgebreitet hatte.

      Darum ging es also! - Wallmann dieser Idiot. Das hätte er sich denken können. Klar, dass Menzel nun das mieseste Projekt der ganzen Abteilung benutzte, um ihn, Camberg endgültig abzuschießen.

      In diesem Moment brach in Camberg wieder ein Stück der alten Kämpfernatur durch, die ihn in diese Stellung gebracht hatte. Er ging in die Offensive: "Was hat Wallmann denn jetzt schon wieder ausgefressen?"

      "Wallmann und seine Leute interessieren mich nicht im Geringsten." Menzel sah kaum auf. "Kenia soll ausgebaut werden. Ich möchte mit Ihnen die Einzelheiten besprechen."

      Camberg war verblüfft. Mit dieser Wendung hatte er nicht gerechnet. Offenbar ging es hier gar nicht um seinen Kopf. Gespannt beugte er sich vor und wartete Menzels weitere Worte ab.

      "Passen Sie auf! Ich habe sämtliche Weisungen bereits schriftlich fixiert und möchte die Einzelfakten in etwa einer Stunde mit Ihnen durchsprechen. Nehmen Sie sich bitte den weißen Schnellhefter von meinem Schreibtisch, und machen Sie sich mit dem Projekt vertraut. Ziehen Sie sich bitte solange in den kleinen Konferenzraum zurück. Ich erwarte Sie dann um Zehn!"

      Camberg stand auf.

      "Übrigens", hielt Menzel ihn zurück, "die Akte bleibt unter allen Umständen in dieser Etage! Ich habe meine Sekretärin angewiesen, Ihnen zur Erledigung dieser Angelegenheit einen Arbeitsraum hier oben einrichten zu lassen. Morgen können Sie umziehen. Regeln Sie das bitte mit Ihrem Stellvertreter."

      Um zehn Uhr stand ein völlig verwandelter Direktor Camberg vor Menzels Schreibtisch. Gestern noch war er der Verwalter von acht unbedeutenden Dorfkrankenhäusern gewesen. Heute dagegen wurde er beauftragt, innerhalb eines halben Jahres ein Forschungs- und Entwicklungszentrum aus dem Boden zu stampfen, das jeder europäischen Universität zur Ehre gereicht hätte. Das einzig Merkwürdige an der ganzen Sache war, dass ausgerechnet seine Abteilung diesen Auftrag erhielt. Aber der Chef würde wohl seine Gründe haben, für die Heerdt-Klinik in Kenia einen zusätzlichen Jahresetat von 52 Millionen DM auszusetzen. 52 Millionen, ein Mehrfaches der bisherigen Ausgaben für die ganze Abteilung! Die Auslandsniederlassungen waren bislang finanziell immer knapp gehalten worden. Und jetzt, 52 Millionen für ein einziges Projekt? Camberg fragte lieber nicht nach.

      "Sie fragen sich sicher, wieso wir ausgerechnet in Kenia investieren wollen", eröffnete Menzel das Gespräch. "Ich will es Ihnen kurz erklären: Unser Auftraggeber, der im Übrigen ungenannt bleiben möchte und dessen Gelder wir verwalten, hat uns einen Forschungsauftrag auf chemisch- biologischem Sektor erteilt.

      "Sicher, sicher", etwas Intelligenteres fiel Camberg im Moment nicht ein.

      Menzel lächelte dünn. "Wegen der