warf sich unruhig hin und her. Sein Hals zog sich enger zusammen, so dass es für ihn immer schwieriger wurde, Luft zu bekommen, während sich der schwarze Rauch bereits durch Spalten der Türe ins Rauminnere drängte und stumm sein neues Terrain eroberte.
Wabernd wiegelte sich die dunkle Masse auf, bis jene sich, übersättigt, über den Rand des schmalen Bettes auf den Alben hin ergoss. Erst das laute Hämmern, gepaart der verzweifelten Schreie Andreys dahinter, holten Auriel aus seinen komatösen Träumen.
Verschlafen rieb er sich die bereits brennenden Augen, als das Bild saphirblauer Augen in seinen Erinnerungen verklang und er den pechschwarzen Rauch erblickte. Schnell sprang er auf. Sein Rennen riss dabei tiefe Furchen in die stetig mehr gewordene Rauchmasse unter ihm, während diese sich hinter Auriels Füßen nahtlos wieder vereinte. Er stolperte zur Zimmertüre, die er sogleich entriegelte und aufriss.
Andrey starrte seinen Sohn mit Schreck geweiteten Augen an, welcher im ersten Moment mit den kurzen Haaren dessen Vater glich. Kopfschüttelnd riss er sich jedoch zusammen und umgriff die Schultern seines Jungen. »Es brennt!«, keuchte er. Einige Sekunden vergingen, bis Auriel begriff, was diese wenigen Worte aus dem Munde seines Vaters bedeuteten. Als er jedoch endlich den Ernst der Lage erkannte, zwang er sich an diesem vorbei und rannte, gefolgt von seinem Vaters, barfuß die schmalen Stufen in die Bibliothek hinab. Dort angekommen, konnte er nur schwer etwas im beißenden Rauch erkennen. Seine Gedanken kreisten unaufhörlich, während er bereits zu husten begann. Es gab nur eine Chance. So sank er auf die Knie und hielt sich den Saum seines weißen Nachthemdes vor den Mund. Unterhalb der Rauchwolke robbte er ungelenk zu den beiden Holzeimern, welche stets am Eingang der Bibliothek standen. Er musste das Feuer löschen! Jener Gedanke trieb ihn voran, bis seine Fingerspitzen das Eichenholz ertasten konnten.
An der Eingangstüre angekommen schloss sein Vater auf, der mit noch immer geweiteten Augen den rechten, hölzernen Eimer ergriffen hielt. Blind fingerte Auriel am geschmiedeten Schloss, das tief in dichtem Rauch lag. Das erlösende Klicken jedoch ließ ihn unter dem rauch-schwarzen Stoff seines Hemdes je aufatmen. Zeitgleich lehnte er sich mit seinem Gewicht gegen das knarzende Holz. Als dieses augenblicklich aufschwang, fand er sich rücklings liegend auf der erdigen Gasse wieder.
Die plötzliche Kälte tat gut. So füllten sich seine angegriffenen Lungen gierig mit der samtigen Luft. Das Feuer loderte unterdessen, getrieben des eingeströmten Sauerstoffes auf.
Auriel betrachtete mit belegtem Blick das wilde Flammenspiel vor sich. Ein Windhauch trieb dabei den Rauch weiter in das Innere der Bibliothek und eröffnete beiden Betrachtern einen Blick auf das einzig brennende Regal im hinteren Bereich des Raumes.
Andrey, der sich vor seinem Sohn von der Szenerie abwenden konnte, riss an dessen Arm. »Beeil dich!« Nur langsam erwachte Auriel aus seiner Trance und richtete sich ungelenk auf. Erst als seine Gedanken wieder in Gang gekommen waren, griff er eilig nach dem Eimer neben ihm und rannte auf den Dorfbrunnen zu. Dieser lag nur wenige Meter von der Bibliothek entfernt inmitten der angrenzenden Wegkreuzung.
Hier und da trat bereits heller Schein hinter die benachbarten Fenster, als auch schon das Leuten der Kirchenglocke warnend erklang. Nun strömten weitere Helfer herbei, allesamt mit ihren hauseigenen Eimern bewaffnet und brüllten sich lautstark Befehle zu. Kurz darauf hatte sich bereits eine effiziente Lebendkette gebildet. Ihre alljährlichen Übungen hatten etwas Gutes in jener Nacht.
Auriel, der an der Spitze der Kette stand und dem die Hitze auf der Haut stach, presste die Zähne zusammen. Nur langsam erstickte das Wasser die Flammen, dennoch war der Sieg auf ihrer Seite.
Auriel schritt barfuß über den nassen, von Asche überzogenen Steinboden. Seine Zehen versanken dabei in den Überresten eines ihrer Bücher. Nur ein Teil des Titels war noch zu erkennen. »Fichten und Tannen«, wusste er instinktiv, als er sich in die Hocke begab und danach griff. Just seiner vorsichtigen Berührung des zerstörten Einbands, blitzte ein Gegenstand am Rande seines Blickwinkels auf und erlangte seine Aufmerksamkeit.
Seine Brauen schoben sich enger zusammen, während er seine Hand danach ausstreckte. Als er den fremden Gegenstand meinte, ertastet zu haben, schloss er die Finger darum und hob die Kette neugierig vor seine Augen. Schwarz verschmiert, schimmerte der pulsierende Stein vor seinem eisblauen Augenpaar. Erneut tat sich das Bild saphirblauer Augen vor seinem Geist auf, während er die feingliedrige Kette interessiert musterte. Auriel hatte jene zuvor noch nie gesehen. Wo also kam sie so plötzlich her?.
»Ich habe den Nachbarn unseren Dank ausgesprochen. Dem Himmel sei Dank, ist … » Andrey versteinerte in seiner Bewegung, als er den Gegenstand in Auriels Hand wahrnahm. Sein Sohn unterdessen nahm den Saum seines, von Asche überzogenen Nachthemdes und wischte damit sorgsam über das langsam pulsierende Schmuckstück.
»Auriel, bitte gib mir das.« Der angesprochene Alb richtete sich auf und wandte sich in Richtung seines ernst dreinblickenden Vaters, welcher mit finsterer Miene den Arm ausgestreckt hielt. Auriel fühlte sich mit einem Mal beklemmt. Wollte er seinem Vater den Stein übergeben, wehrte sich jedoch etwas in ihm gegen die Vorstellung, dies wirklich zu tun. Andrey tat währendessen einen Schritt auf seinen Sohn zu und hob seine Augenbrauen bedeutungsvoll. »Auriel, gib mir den Stein, hörst du?«
Langsam schüttelte der Angesprochene seinen Kopf, als ein Stöhnen am Eingang der Bibliothek erklang und beide aus ihrem Disput riss. »Was ist denn hier passiert?«, keuchte Dendayar, der mit weit aufgerissenen Augen die verwüstete Bibliothek musterte und darauf folgend seinen Blick auf die beiden, im Zentrum stehenden Personen legte. »Und was ist mit deinen Haaren passiert?«
Andrey saß seinen Söhnen gegenüber auf dem harten Holz des Stuhles und presste sich die kurzen Fingernägel in die Handballen. »Das ist also der Anhänger unseres Großvaters? Warum hast du uns nie davon erzählt?«, hakte Auriel nach, der seinen Blick kaum von dem blau leuchtenden Stein abwenden konnte. Als hätte ein nicht endend wollender Sog seinen Geist ergriffen, trieb es ihn zu dem pulsierenden Gegenstand, der nur eine Armlänge von ihm entfernt, inmitten des Küchentisches lag. Er schien auf seine Berührung zu warten.
Dendayar, der seinen Blick aus dem Fenster neben ihm in die Dunkelheit gerichtet hielt, war wenig begeistert über das Erbstück. Sein Unterkiefer schob sich weit nach vorne. »Hast du eine Ahnung, warum es so reagiert?«, fragte Auriel, in dessen Augen sich das blaue Licht spiegelte. Andrey zuckte auf die Frage seines Sohnes hin zusammen und schaute stumm auf seine zusammengepressten Oberschenkel.
Dendayar, welcher das Schweigen seines Vaters für sich interpretierte, lehnte sich nach vorne und fixierte diesen mit festem Blick. »Antworte schon!«
Auriels Interesse war geweckt, so tat er es seinem Bruder gleich. »Es begann mit dem Violinenspiel«, nuschelte der Alte. »Welches Violinenspiel?«, fragte Dendayar verständnislos und zog seine dunklen Brauen tief herab. Sie verschmolzen mit seinen Augen zu einer undurchdringbaren dunklen Masse, während Auriel sich in seinem Stuhl straffte und den Stein vor ihm erneut beobachtete. War er es gewesen, auf den der Stein reagiert hatte, oder war es einfach nur ein Zufall gewesen, dass er genau in jenem Moment gespielt hatte, als der Stein zu erwachen begann?
Als Dendayar endlich den Zusammenhang verstand und seinen Bruder misstrauisch musterte, zogen allerlei Gedanken an ihm vorüber. Was sollte er von dieser Entwicklung halten? Wie darauf reagieren? War er doch versucht, strategisch vorzugehen, doch solch eine Situation hatten sie auf der Akademie niemals durchgespielt. Sein Kopf war leer, als er die Arme vor der breiten Brust verschränkte und den Gegenstand vor sich ansah. Plötzlich hatte er den unbändigen Drang, diesen zu berühren. So stürzte er ohne jegliche Vorwarnung auf die Kette zu. Auriel stöhnte überrascht auf. Sein Vater tat es ihm gleich.
Dendayar, der mit seiner rechten, grobgliedrigen Hand die Kette umschlossen hielt, zog diese geräuschvoll über das Holz auf sich zu. Erst als er seine Finger wieder öffnete, konnten die Beteiligten erkennen, dass dessen Leuchten verklungen war. Seine Brauen zogen sich hoch und er schaute in verständnislose Augenpaare, die darauf folgend den Gegenstand in seiner Hand misstrauisch musterten.
Andrey, der seine Angst herunter schluckte, hielt seinem Sohn just die Hand hin. In diese legte Dendayar, mit zuckenden Schultern, die Kette samt Stein ab. Nichts. Er schien tot zu