Milena Himmerich-Chilla

534 - Band I


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wutschnaubende Wache beobachtete, die kurz davor stand seiner Emotion nachzugeben und drohend die Hand gegen das blondgelockte Weib erhob. »Lass das! Ich will nicht, dass ihr etwas geschieht. Das mindert ihren Wert. Wir können eh froh sein, dass sich jemand für das Weibsbild interessiert.«

      »Bin ich der Einzige, dem dieser Fremdling seltsam erscheint?«, kritisierte einer der Mitglieder, welcher genau dem Richter gleich, in Rot gehüllt war.

      »Das kann uns doch egal sein. So haben wir zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Wir sind das da los, wie die Dorfbewohner es wollten und wir erhalten darüber hinaus noch drei Goldstücke.«

      »Meinst du, er zahlt so viel?«

      »Für weniger wird er sie nicht bekommen. So einfach ist die Sache«, gab der Richter wieder, dessen Verschlagenheit sich nunmehr ungehemmt in seinem Blick darbot. Hierbei musterte er ein letztes Mal abwertend die Frau neben sich, welche seinen Blick unter ihren verklebten Strähnen kalt erwiderte.

      »Miststück!«, kam es über seine Lippen, als er vor Merin innehielt. Noch immer saß dieser auf seinem Hengst und überragte die sieben Gestalten vor ihm um ein weites.

      Das Leder seiner Handschuhe knarzte, als er die Zügel in seiner Hand vor Erregung fester schloss. Ja, sie war die perfekte Wahl.

       Kapitel XI

      01.04.2017 | 08:18 Uhr – Gleis 105

      Elisabeth saß auf dem kühlen Metallstuhl und lehnte sich erschöpft nach hinten. Es war schon einige Zeit her, dass sie ihre Eltern besucht hatte. Ehrlich gesagt, war sie auch an diesem Tag nicht in der Stimmung, dennoch gab es keine andere Wahl. So harrte sie, den kleinen Reisekoffer mit ausgezogenem Griff vor sich stehend, auf dem ruhig da gelegenen Bahnsteig aus.

      Ein Lufthauch ließ sie frösteln und veranlasste sie, ihre graue Jacke enger, um den Leib, zu ziehen. Hierbei beschloss sie, den verlassenen Steig auf und ab zu schreiten, um die begonnene Kälte aus ihren Knochen zu vertreiben. Lange würde es eh nicht mehr dauern. Wie zur Bestätigung ihrer Annahme ertönte eine blecherne Frauenstimme. »Achtung, es fährt ein: ICE 521 Richtung München Hauptbahnhof über ...«

      Elisabeth seufzte, während sie in der Ferne die weiß-rote Zugmaschine erblickte. Ein unerwartetes Geräusch jedoch, welches hinter ihrem Rücken aufkam, forderte just ihre Aufmerksamkeit. Dabei traf ihr Blick auf einen gehetzt wirkenden Mann. Dieser rannte eilig die steinernen Stufen herauf und kam nicht unweit von ihr zum Stehen. Das weiße Poloshirt hing locker von seinen muskulösen, breiten Schultern herab, während die eng anliegende Jeans den athletischen Körper darunter ohne Weiteres erkennen ließ.

      Beinahe hätte Grindelwald sie im Gedränge der morgendlichen Pendler verloren. Als er sie jedoch nach kurzem Suchen, mit dem Gepäck an ihrer Seite stehend, erspäht hatte, war es ihm leichter geworden. Er hatte sie wieder, dennoch ärgerte er sich über seine eigene Nachlässigkeit. Hatte er sich doch geschworen, das Mädchen nicht mehr aus den Augen zu lassen und doch war es ihm passiert.

      Er presste den Unterkiefer weit nach vorne und knirschte mit den perlweißen Zähnen, während er aus dem Augenwinkel bemerkte, dass Elisabeths Blick auf seiner Person ruhte. Schnell zwang er sich, neutral zu wirken, und erwiderte ihre Geste. Als sie auf seinen Blick hin errötete und wegsah, grinste er wölfisch. Wie dumm sie doch war, auf ein Äußeres so offensichtlich zu reagieren. Jeder Blinde hätte erkennen können, was sie in jenem Moment dachte. Kam es ihm doch gerade recht. So lächelte er verführerisch.

      Noch immer schaute Elisabeth in die entgegengesetzte Richtung, darauf bedacht, ihr Gesicht vor dem Blick des Fremden zu verbergen. Ihre Wangen zierte weiterhin ein saftiges Rot.

      Erpicht darauf, das Augenmerk zurückzuerlangen, trat Grindelwald fester auf, als es nötig gewesen wäre, während er sich in ihre Richtung in Bewegung setzte. Seine Bemühung trug sofortig Früchte.

      Elisabeth wandte sich ihm erneut zu und betrachtete seine Gestalt mit hochgezogenen Brauen. »Oh Kind, du machst es mir aber einfach«, dachte er und schritt, übertönt des einfahrenden Zuges, immer noch lächelnd auf sie hin.

      »Wohin führt Sie diese Reise, wenn ich fragen darf?«, säuselte Grindelwald, der ihr gegenüber hinter dem schmalen Tisch Platz genommen hatte und sich seit ihrer Abfahrt vor gut einer Stunde angeregt mit Elisabeth unterhielt. »Ich besuche meine Eltern.«

      Der Magier stützte sein, noch immer von einem Dreitagebart überzogenes Kinn auf dem Handrücken ab und hielt Elisabeth fest in seinem Blick. Sie hingegen war nicht willensstark genug, um den dunkelbraunen Augen zu begegnen, und hielt Ihre verlegen aus dem Fenster gerichtet. Grindelwald beobachtete dabei die zuckenden grauen Pupillen, bevor er ihr rundliches Gesicht mit dessen ausgeprägten Zügen studierte. War er doch durch und durch enttäuscht. Hatte er sich in all den Jahren seiner Suche eine vollbusige, junge Schönheit vorgestellt. Der offensichtliche Bauchansatz Elisabeths jedoch, der sich über den abgenutzten Gürtel schob, ließ ihn verbittert die Zunge gegen den Gaumen pressen. Mit dieser Erscheinung hatte er ganz und gar nicht gerechnet. Jedoch nicht nur ihr Äußeres trug zu seinem Unmut bei, auch der Charakter. Keiner ihrer Züge war hierbei von Zorn dominiert oder gekennzeichnet eines tragischen Verlustes. Dennoch konnte er eine Traurigkeit erkennen, die hinter ihren müden Augen lag, als würde sie etwas vermissen.

      Er seufzte, als er müde in den Ansatz seiner Nase mit Daumen und Zeigefinger kniff und kurzzeitig die Augen schloss. So lehnte er sich zurück und schaute, es Elisabeth gleich tuend, aus dem ausladenden Fenster zu seiner Rechten. Die Welt zog in grauen Schlieren an den beiden Reisenden vorbei, während das Rauschen des Zuges beider Gedanken ertränkte. Schweigend starrten sie in die Welt, suchend nach etwas, das sich doch direkt vor ihrer Nase befand.

      Grindelwald hielt Elisabeth auffordernd die Hand hin, während diese am oberen Ende der zwei schmalen Stufen stand, welche sie vom Bahnsteig trennten. Nur zögerlich, mit geröteten Wangen, ergriff sie seine helfende Hand. Dabei durchschoss sie ein starkes Gefühl. War ihr doch mit einem Mal, dass sie den Mann, der mit einem Lächeln unter ihr wartete, schon lange kannte.

      Mit aufgerissenen Augen, die Grindelwald fixierten, schritt sie betäubt die wenigen Stufen hinab, den Reisekoffer eng an sich gepresst.

      Auf dem, von unzähligen platt getretenen Kaugummis verzierten Stein angekommen, führte Grindelwald sie sogleich einige Schritte in die Mitte des Steigs und schaute sich neugierig um. War er selbst doch noch nie in München gewesen. Dabei fixierte Elisabeth weiter sein Gesicht, das im Profil neben ihr lag. »Kennen wir uns? Mir ist, als ob wir uns schon einmal begegnet sind.«

      Grindelwald straffte sich unweigerlich und erwiderte ihren festen Blick. Ihm wurde heiß, während ein Engegefühl seinen sehnigen Hals ergriffen hielt. »Vielleicht.« Gab er tonlos von sich. Hierbei tat Elisabeth einen Schritt auf diesen zu und senkte ihre Brauen, während ihr Blick von Faszination zu einer ausgeprägten Skepsis wechselte. Sie begann langsam ihren Kopf zu schütteln. »Ich kann mich aber nicht daran erinnern.« Grindelwald lächelte und umschloss fahrig den Handgriff ihres Koffers. »Ich sagte ja auch nur vielleicht.« Sein entwaffnendes Lächeln riss Elisabeth augenblicklich aus ihren Gedanken.

      »Puh, das war knapp«, dachte er, als sein Blick zur Seite glitt. So schritten sie stumm nebeneinander den schmalen Steig entlang, während Elisabeth den jungen Mann an ihrer Seite verstohlen aus dem Augenwinkel betrachtete. Sie kannte ihn, doch woher, vermochte sie nicht sagen zu können. Dennoch war sie sich sicher.

       Kapitel XII

      21. des Ankh 534 | Hinter der westlichen Grenze

       – Festung Nimro

      Als die Sonne schon im Begriff war, hinter der hohen Bergkette zu verschwinden und dabei lange Schatten auf die vereiste Erde trafen, konnte Grindelwald endlich jene sich zahlreich nähernden Hufschläge durch das Fenster vernehmen, welche von der bevorstehenden Ankunft seiner Anhänger zeugten. Der Griff seiner rechten Hand umschloss den darin liegenden, schiefen Holzstab fester, während das Lächeln, welches bisweilen auf seinen Lippen gethront hatte, sich nunmehr durch sein Gesicht