einem anderen offenbarst, als mir. Daher bleibt mir leider nichts anderes übrig ... «
Mit jenem halb gesprochenen Satz holte der Magier aus und warf das Buchwerk hinein in die züngelnden Flammen. Mit Genuss beobachtete er, wie jene sich durch ihr Opfer fraßen und es von innen heraus verbrannten, bis jenes in sich selbst zerfiel, dabei zahlreiche Funken aufstiegen.
Sein Gesicht war unergründlich, als er weiter die Szenerie vor sich, den Kampf um das Leben selbst, betrachtete. Noch lagen zehn Tage vor ihm und er wusste, dass jene sich für ihn endlos anfühlen würden.
Kapitel IX
21.03.2017 | 21:12 Uhr – Eschenweg 5, 2.OG
Elisabeth fühlte sich zerschlagen. Müde steckte sie dabei den Schlüssel in das Schloss ihrer Wohnungstüre. Was war nur los mit ihr? Hatte sie sich auf der Arbeit doch erfolgreich ablenken können. Der erste Schritt jedoch, aus dem Büro hinaus, hatte alles wieder zurückgebracht.
So kamen die Erinnerungen des verstörenden Morgens mit denen des Mädchens einher. Während der folgenden Busfahrt nach Hause hatten die seltsamen Bilder nicht mehr von ihr abgelassen, sie so gezwungen, darüber nachzudenken. Dennoch war sie keinen Deut klüger daraus geworden. Die plausibelste Antwort von allen schien ihr jedoch der mangelnde Schlaf zu sein, welcher seit einigen Wochen die allnächtlichen Alpträume begleitet hatte. Sie traute sich kaum mehr, ihre Augen zu schließen, aus Angst vor den darauf folgenden Träumen.
Erschöpft fuhr sie sich über das bleiche Gesicht, bevor sie die Tür restlos aufschloss, hindurch schritt und hinter sich zufallen ließ.
Der blauschattige Flur erstreckte sich lang gezogen vor ihrer Person und teilte sich in jene wenigen Räume, die sie sich hatte leisten können. Es war ein kleiner Preis für ihre Freiheit, die sie damit erlangt hatte. Sollte der damalige Umzug doch ein Entkommen aus ihren alten Gewohnheiten und festen Mustern sein und so eine Chance bilden, von vorn zu beginnen. Geändert hatte sich allerdings nichts. Sie war immer noch dieselbe.
Elisabeth fühlte sich weiterhin beschnitten ihrer eigenen Person von jenen Grenzen, die ihr Bewusstsein schon im Kindesalter aufrecht gehalten hatten. Sie war unzufrieden mit jeder Faser ihres Körpers, während das Herz sie immerfort auf die Suche schickte nach jenem, das sie glücklich machen konnte. Sie wollte etwas in ihrem Leben leisten, etwas kennen lernen und eine Liebe finden, die sie bis hin in den kleinsten Winkel erfüllte. Ja, sie wollte das haben, was sie tausendfach zwischen den Seiten ihrer Bücher gelesen hatte. Keine leere Hülle mehr sein, als die sie sich immer noch sah. Jene Wünsche waren es, die den Impuls gaben, kurz nach der Probezeit im Spielwarengeschäft zu kündigen und die angebotene Stelle in der Spedition anzunehmen. So hatte sie die aktive Arbeit gegen das Büro in der Hoffnung getauscht, dass jener Wechsel sie näher hin zu ihrer Bestimmung führen würde, doch dies war genauso ein Trugschluss gewesen. Weiterhin fühlte sie sich leer, unvollkommen und nutzlos.
Mühsam schleppte sich Elisabeth den Flur hinauf ins Schlafzimmer, wobei sie ihren Rucksack im schmalen Gang zurückließ. Dabei begrüßte sie jene Dunkelheit, die ihre Wohnung im festen Griff hielt.
Die dumpfen Stadtgeräusche, welche durch die doppelt verglasten Fenster drangen, hüllten kaum hörbar den Moment, als sich Elisabeth auf das harte Bett fallen ließ und sich darauf auf die Seite rollte. Blind tastend, griff sie nach der grauen Wolldecke und zog jene über ihren Körper. Es war nicht kalt in ihrer Wohnung, eher eine angenehme Wärme, dennoch fröstelte es sie.
Die langsam auf sie abgefärbte Ruhe legte sogleich eine ungeahnte Schwere auf ihre zarten Lider, die gegen ihren Willen, bereits hin und wieder zu fielen. Ihre Gedanken kreisten dabei um die feuchte Wäsche in ihrer Waschmaschine, jene Zolldokumente, die fertig auf ihrem Schreibtisch lagen und das kleine Mädchen, während die aufgekommenen Bilder zusehends mehr ineinander verschwammen.
Eine graue Masse an ungreifbaren Erinnerungen, Gedanken und Hoffnungen zogen an Elisabeths Geist vorüber, der sich bereitwillig aus seinem Gefängnis löste und sich den herannahenden Träumen, einem goldenen Kelch den Wein empfangend gleich, öffnete.
Langsam erhoben sich auch schon zahlreiche Stimmen zu einem lauten Wehklagen, während der Geruch nach Rauch Elisabeths Gesicht zu einer Grimasse verformte und ihren Körper unruhig auf die andere Seite rollen ließ. Ein ersticktes Stöhnen dran ihr aus der Kehle, als sie die Beine enger an den Körper zog und die Decke von ihren Schultern rutschte.
Der Alptraum begann von Neuem.
Kapitel X
16. des Ankh 534 | Dorf Auenbach an der Awe
Auf seiner krampfhaften Suche führte das Schicksal Merin über zahlreiche Trampelpfade hinweg in das kleine Dorf Auenbach. Schief gebaute Lehm- und Strohhütten säumten die matschige Hauptstraße, auf der sich der Magier augenblicklich seines Einzugs wiederfand. Als jener den Geruch nach Abfällen und Unrat wahrnahm, zog sich seine Nase augenblicklich kraus. Dabei unterbrach er den trabenden Hengst und hielt die Zügel des Halfters fest in den Händen. Er lauschte, war ihm doch, als hätte er Stimmen gehört. So spitzte er seine Ohren.
Um seine Sinne zu schärfen, schloss Merin die goldgelben Augen und drehte seinen Kopf, den er hierbei bewusst schief hielt, in die verschiedensten Richtungen. Nachdem er den Ursprung der Geräusche ausfindig gemacht hatte, öffnete er seine Lider und zwang den unruhig scharrenden Hengst in eine der engen Seitengassen hinein. Jene Dunkelheit, die im starken Kontrast zum vorherigen, sonnenbeschienenen Pfad stand, machte es dem Magier augenblicklich schwer, etwas zu erkennen. Als dessen Augen sich jedoch den neuen Lichtverhältnissen angepasst hatten und er erstmalig scharfe Umrisse ausmachen konnte, trat sein Tier bereits auf den offenen, kleinen Dorfplatz.
Angewidert der plötzlichen Helle, welche den Gestaltwandler just erblinden ließ, legte dieser seine behandschuhte Hand vor die Augen. Das Pferd kam dabei durch einen unwirschen Zug an den dünnen Lederzügeln zum Stillstand.
Die Augen des blonden Magiers brannten bei jedem der zahlreichen Versuche, seine Lider zu öffnen und ließen ihn wilde Verwünschungen ausspeien.
Just wurde es still, da die versammelten Dorfbewohner in seine Richtung gedreht, den Neuankömmling auf dem hochragenden Pferd stumm und abschätzend musterten. Nach einigen, sich ziehenden Sekunden rückten diese von Merin ab und versuchten dabei so viel Platz zwischen dem Fremdling und sich zu gewinnen, wie es ihnen dabei möglich war.
Merin, der seine Augen für einen kurzen Augenblick öffnen konnte, winkte nach vorne zum erstarrten Geschehen. Die dort in ihrer Handlung verweilenden Personen, musterten seine Gestalt missbilligend, reagierten jedoch nicht weiter. So winkte der Magier erneut, diesmal mit mehr Nachdruck.
Nur schleppend nahm die Gesellschaft vor dem Podest ihre Geschwätzigkeit wieder auf. Der blonde Magier jedoch war bereits genervt vom einfachen Volk der Menschen. Was hatten diese denn schon Großartiges vorzuweisen, nichts. Waren sie unbedeutend für die Geschichte und würden es in ihrer Beschränktheit auch immer bleiben.
Er war bereits im Begriff gewesen, sein Pferd zu wenden, als eine eskortierte, in Ketten gelegte Frau auf das Podest gezogen wurde. Er erstarrte und verfolgte diese mit seinem noch immer feuchten Blick. Seine Neugier war erwacht und größer gewesen, als der Schmerz selbst. Mit dem Rücken seiner behandschuhten rechten Hand wusch er sich das Nass von seinen Wangen, ohne die Schönheit vor sich aus den Augen zu verlieren.
»Wir haben uns heute hier versammelt, um den Anschuldigungen von Maria, der Tochter des Gerbers, Gehör zu schenken. Maria, kommst du bitte zu uns herauf?«
Das umher stehende Dorfvolk raunte wildeste Spekulationen und bildete dabei eine kleine Gasse, durch die ein junges, hübsches Mädchen mit braunem Haar unsicher nach vorne trat. Merin lehnte sich dabei neugierig auf seinem Hengst nach vorne und lauschte gespannt. Seine Pupillen waren geweitet vor Aufregung. Das würde interessant werden, davon war er überzeugt.
»Sag, Maria, was hast du gesehen?« Die hübsche Erscheinung, welche am Bandende ihrer Schleife spielte, schaute unsicher aus braunen Augen hinaus. Angst lag in ihrem