Milena Himmerich-Chilla

534 - Band I


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humpelte, sein rechtes Bein nach ziehend, in Richtung jener Wendeltreppe, welche die Bibliothek mit dem Hof verband. Stöhnend presste er hierbei seinen Körper an der Wand entlang, um auf die breitesten Stellen der Stufen treten zu können, während sein Stab unabsichtlich, doch in regelmäßigen Abständen, gegen das gefrorene Gestein prallte. Jene daraus entstandenen Schläge hallten von den Wänden wider und drangen vor ihm abwärts auf den sich füllenden Hof.

      Um Atem ringend erreichte Grindelwald, entzückt vom Anblick der sich ihm sogleich bot, den Ort des Geschehens. Die braun gewandeten Männer fielen just ehrfürchtig vor seiner Gestalt auf die Knie und senkten ihre Häupter.

      Mit etwas Verspätung traf auch Merin endlich ein, der seine Schultern stolz zurückwarf und sein behaartes Kinn in die Höhe reckte. Grindelwald war augenblicklich neugierig und kam auf den ewig jungen Magier zu. »Was hast du mir mitgebracht, mein Freund?«, säuselte der bucklige Magier bittersüß, als jener nun auch mit der linken Hand seinen Stab festhielt und sich darauf stützend nach vorn lehnte.

      Merins Hengst trabte mit Anmut an den dunklen Gestalten vorbei, welche seinem Ritt mit den Augen gefolgt waren. Vor Grindelwald zum Stehen kommend, hob er wortlos seinen Mantel an. Unter jenem kam ein bäuchlings liegender Frauenkörper zum Vorschein. »Ach Merin, ich wusste, dass auf dich Verlass ist.« Auf den Lippen des blonden Magiers legte sich jenes Grinsen, welches Grindelwald mit einem anerkennenden Nicken erwiderte, bevor er sich nun auch an die übrigen Personen des Geschehens wandte.

      »Meine treuen Freunde!« Grindelwald verstummte und ließ die Pause für sich sprechen, während leichtes Gemurmel unter den vermummten Gestalten aufkam. Erst dann sprach er weiter.

      »Diese Nacht wird in die Geschichte eingehen, denn jene wird es sein, die unsere jahrelangen Anstrengungen belohnt.« Wieder hielt Grindelwald inne in seiner Rede und wandte sich jedem einzelnen seiner Treuen zu, nickte anerkennend um dessen Bemühen.

      »Ich habe nun die letzte Passage der alten Schriften studieren können und jene wird unseren Siegesweg ebnen. Lilith wird wiederauferstehen und das heute!«

      Ein Jubel legte sich über den Hof, bevor jener langsam ausklang und sich erneut Stille herabsenkte. Diese wurde jedoch just durch Grindelwalds dröhnende Stimme zerschnitten. »Lasst uns gemeinsam diese letzte Stufe nehmen! Der Sieg wird diese Mal unser sein!«

      Die versammelten Gestalten spien ihre Zuversicht in einem lauten Schrei aus, bevor sie ihre Reittiere anbanden und mit Grindelwald in die Tiefen der Katakomben hinab stiegen um ihr Werk endlich zu vollenden.

      Merin, der sich am Ende der Kette befand, hatte alle Mühe den schwerer werdenden Körper der jungen Frau geschultert durch die schmalen Gänge zu tragen. Dabei verlor er immer weiter an Anschluss, bis er sich an einem Punkt angekommen, alleine in dem feuchten Tunnel zurückgelassen fand. Erschöpft ließ er das filigrane Wesen auf den Boden gleiten und schlug mit seiner Faust missbilligend gegen die nebst stehende Wand.

      Seine Hand brannte, doch dies verklang nur langsam, während er den regungslosen Körper Amiras mit seinen Augen streichelte. Ihr von Lehm durchzogenes, blondes Haar lag verklebt über den feinen Zügen.

      Merin lächelte schief und ließ sich in die Hocke gleiten. So strich er ihr väterlich eine Strähne aus dem Gesicht. Sie hatte ihn schon etwas gekostet. Dabei waren drei Goldstücke ein kleiner Preis für jene Liebe, die er im Gegenzug erlangen würde.

      Beflügelt der aufgekommenen Erinnerungen an Lilith, schob er seine behandschuhten Hände unter Amiras noch immer regungslosen Körper und schulterte jenen unter einem Stöhnen auf. Das Folgende würde sie nicht mit bekommen, hatte er sie doch kurz vor ihrer beider Reisebeginn in tiefen Schlaf gehüllt.

      Der Duft nach Erde und Sonne, welchen Amira ausdünstete, sog der Gestaltwandler durch die Nase, während seine angestrengten Muskeln in den Beinen brannten.

      »Wo bleibst du denn? Grindelwald ist nicht erfreut, dass er auf dich warten muss«, grollte die tiefe Stimme Bardurs, der um die Ecke auf den Magier zu trat. Dessen hünenhafte Gestalt wirkte im starken Kontrast zur Drahtigkeit des Angesprochenen, der jenen sogleich ob der Worte mit goldgelben Augen unerwünscht anblitzte.

      Bardur, dem Merin gleichgültig war, stemmte seine tellergroßen, zu Fäusten geballten Hände in die Seite, während dessen Brustkorb sich weitete und seine Gestalt den Durchgang versperrte.

      »Anstatt große Reden zu schwingen, könntest du mir ja helfen, dann würde das hier vielleicht schneller gehen.« Bardur musterte den blonden Magier abschätzend, bis er schulterzuckend nach Amira griff, um sein Gegenüber von ihrer Last zu befreien. »Ich tue das nicht für dich, damit das klar ist.«

      »Was anderes hätte ich von dir auch nicht erwartet.« Merin presste seine Zähne aufeinander und taxierte Bardurs breitschultrigen Rücken mit bohrenden Blicken. »Beeil dich!«, gab die dröhnende Stimme von sich, welche von den Wänden widerhallte, bevor der Hüne seinen Weg in die Katakomben fortsetzte und die schmale Gestalt des Magiers hinter sich zurückließ.

      Merin presste, ungeachtet der aufwallenden Schmerzen, seine Zähne aufeinander und fuhr sich mit der Hand über den gewachsenen Bart. Sein Stab, der hörig neben ihm schwebte, stupste ihn in einer Geste der Aufmunterung an und taumelte in sein Blickfeld. Seine Augen verengten sich, als er das kühle Holz umfasste und sich auf in Richtung des Kuppelsaals machte. Schnell musste er handeln, um sein Versprechen einhalten zu können. Auch wenn es ihm verboten war, sah sich Merin gezwungen, in jener Nacht eine Reise durch die Schatten wagen. Er musste rechtzeitig dort sein. Wollte er doch unter keinen Umständen das Öffnen ihrer Augen verpassen.

      Als Merin den steinernen Saal betrat, blickte er durch die schmale Öffnung im Zentrum der Kuppel über ihm. Diese ragte hoch hinauf und durchstieß den gefrorenen Boden, so dass sein Blick sich auf die funkelnden Sterne am Himmel legen konnte. Jene wirkten unwirklich auf den blonden Magier. „Die Nacht ist bezaubernd“, dachte Merin, als er wehmütig die Augen auf das Geschehen vor sich richtete. Amira lag bereits im Zentrum des neu gezeichneten Kreises, während die geschäftigen Braunmäntel die restlichen Striche nach Vorgabe Grindelwalds malten. Dieser hielt sich gestützt auf seinen Stab. Jene Art der Magie, welche der Bucklige praktizierte, war dem Gestaltwandler seit jeher falsch vorgekommen. Hatte dieser sich doch bei seiner Ausbildung vor über 400 Jahren dazu entschlossen, die Kräfte, die ihm geschenkt worden waren, als Verbündete anzusehen und nicht als Untertanen. Zu verbissen war sein Bruder in Merins Augen gewesen. Dadurch hatte er im Laufe der gemeinsamen Zeit sich diesem nicht weiter als nötig im Denken genähert. Ihre Zusammenarbeit war alleine dem gemeinsamen Ziel geschuldet. Nichts weiter als Lilith hielt sie zusammen.

      Merins Blick legte sich auf den Hünen, der breitbeinig neben Grindelwald gestanden war und die von Muskeln überzogenen Arme vor der Brust verschränkt hielt. Hierbei bemerkte er dessen pechschwarze Hände. Augenblicklich überzog ihn eine Gänsehaut. Er schüttelte sich. Mit einem Mal war Merin froh, dass er damals erwählt worden war und nicht wie Bardur einen Pakt eingehen musste, um die Magie zu erlangen. Der Unterschied war einfach. Grindelwald und ihm war es stets möglich, ohne Hilfe, alleine mit ihrer geschenkten Kraft, zu wirken, so mussten Kontrakter erst einen gebundenen Patron heraufbeschwören, um durch jenen ihr Interesse magisch umsetzen zu können. Der Preis für solch einen Vertrag jedoch war nicht unerheblich.

      Der Gestaltwandler fragte sich im Geheimen, was die Gegenleistung Bardurs gewesen sein mochte, als sich der Hüne just ihm zuwandte und mit kühlem Blick zu mustern begann. Augenblicklich fühlte sich Merin beschmutzt und blickte hektisch zu den Braunmänteln hinüber, welche kurz vor der Vollendung ihres Werkes standen. Es würde nicht mehr lange dauern. Seine Fingerspitzen prickelten bereits.

       Kapitel XIII

      01.04.2017 | 15:15 Uhr – Begonienpfad 6

      Das Fleisch war zäh und der Wein schmeckte wässrig, jedoch wunderte es Elisabeth kein Stück. Die Grillkünste ihres Vaters, gepaart mit dem unglücklichen Händchen ihrer Mutter beim Einkauf, ergaben doch regelmäßig ungenießbare Genüsse. Wolfgang nahm es gelassen, während sich seine Grillschürze über dem ausgeprägten Bauch in Falten zog und er an seinem warm gewordenen