Karina Förster

Spring!


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hat, sind nun verschwunden. Das Wasser ist wieder glatt, das Kichern von uns verstummt. Jeder hängt seinen Träumen nach und lässt den Blick über das Wasser gleiten.

      »Danke, dass du mit mir hergefahren bist. Es war eine gute Idee. Die beste seit Wochen. Ich finde es immer so schön hier«, sage ich leise und sehe dankbar zu meiner Freundin, die mich verschwörerisch angrinst.

      Ich inhaliere tief den Geruch von Fisch und Brack. Er erinnert mich an meinen Großvater, der leidenschaftlicher Angler war und oft seinem Fang, in seiner Badewanne wässerte. Das rief meine Babulya auf den Plan, die das zutiefst verabscheute. Der Geruch hing monatelang im Bad und war durch nichts zu vertreiben. Sie schimpfte immer, dass wir eines Tages selbst noch wie Fisch riechen würden.

      Manchmal durfte ich mit ihm angeln gehen. Es war immer besonders still und roch wie jetzt. Was haften blieb von diesen Tagen war die Nähe zum Großvater. Die liebevolle Geduld, die er aufbrachte und die gemeinsame Zeit. Er erklärte leise einige Anglerweisheiten. Warum es besser war beim Angeln zu flüstern und nicht laut hin und her zu laufen. Welcher Fisch auf welchen Köder anbeißt und weshalb.

      Viele seiner Anglerweisheiten habe ich heute vergessen, aber nie die Liebe, seine subtile Beharrlichkeit und seine unendliche Güte. Er war geduldig mit mir und mit dem Krebs, der ihn Jahre später von innen zerfraß und letzten Endes tötete. Er hatte sich bis in seine letzten Minuten gewehrt und sich seine Liebe tief in seinem Herzen bewahrt. Eines seiner letzten Sätze zu mir war, dass er der reichste Mann der Welt sei und das letzte Hemd keine Taschen hat. Mit so viel Liebe in seinem Herzen würde er nirgendwo Not leiden und sich erst Recht nicht vor dem Tod fürchten.

      Er prägte maßgeblich mein Idealbild eines Partners. Bis heute vergleiche ich alle Kandidaten mit ihm. Er ist der Maßstab, an dem ich alle potenziellen Bewerber messe und bewertete. Die Latte ist hochgesteckt. Mein Sieb ist sehr grobmaschig, aber ich will eben keine halben Sachen.

      Ich verachte Männer, die oberflächlich sind und nur nach Äußerlichkeiten sehen. Von denen könnte ich zwanzig an jedem Finger haben. Aber so einen will ich nicht. Ich habe keine Sorge, dass ich unangetastet sterbe. Es gab da mal jemanden...

      Ein unsanfter Stupser reißt mich aus meinen Gedanken. Und als ich empört darüber aufsehe, bemerke ich, wie Uta aufgeregt in eine Richtung starrt. »Da kommt die nächste Gelegenheit für deine Tanzeinlage. Sie kommen zurück.«

      Überrascht blicke ich in die Richtung, in die Uta starrt.

      »Tatsächlich«, flüstere ich. Im Magen hämmert wieder der Bass. Verhalten erst, aber immer heftiger und drängender. Er kommt näher.

      »Sie kommen echt noch mal vorbei!«, entfährt es mir leise und ich springe im Nu auf. Wummernd nähert sich der Bass und die ersten Töne dringen an mein Ohr.

      Jetzt ist alles zu spät, denn das, was ich höre, ist mein Lieblingslied. Freudig strahlend zerre ich an Utas Arm, die ebenfalls steht und ihre Augen vor Spannung geweitet hat.

      »Schau mal, Ella! Sie kommen dichter zu uns ran. Das ist ja irre!«

      Uta winkt freudig.

      Rhythmisch und mit klatschenden Händen stampfe ich das Lied mit und bin außer mir vor Freude, als das Boot auf Höhe des Steges ankommt und seine Geschwindigkeit verringert. Tanzend biete ihnen jetzt eine kleine Show.

      Soweit der Steg es erlaubt, tanze ich ausgelassen mit und drehte mich dabei. Meine Hüfte erzeugt gekonnt die eine oder andere aufreizende Geste.

      Den Refrain singe ich laut mit und vom Boot werde ich angefeuert. Es fährt nun noch dichter heran, hält aber in weniger als fünf Meter Entfernung. Zum Greifen nah. Ich kann einige Gesichter erkennen. Das Boot bekommt beinahe Schlagseite, denn alle stehen Steuerbord und hängen weit über die Reling oder hüpfen rhythmisch mit.

      Das finde ich sogar noch sagenhafter als vorhin und es feuert mich zusätzlich an. Ich beziehe das Publikum mit ein. Es herrscht Begeisterung und Freude auf beiden Seiten. Mit erhobenen Händen rufe ich die ersten einschlägigen oh Töne und deutete auf die Zuschauer. Die antworten mit den la Tönen. Dann deute ich wieder auf mich und ergänze die aje Laute. Dieses Schäkern kommt an und die Leute machen begeistert mit.

      Die sind in grandioser Stimmung. Wie ein DJ, der seine tanzenden Gäste mit hoch erhobenen Zeigefingern anfeuert, tanze ich und hoffe, dass die Zeit stehen bleibt.

      Zeitgleich zum Typhon im Lied, ertönt das Typhon auch vom Boot. Die Leute flippen aus. Genial und ich lache mich darüber schief.

      Mit beiden Händen einladend, winke ich und fordere wieder zum gemeinsamen Singen auf, was diesmal sogar noch besser klappt. Hüpfend applaudiere ich dem Publikum und mir zu. Das Typhon ertönt erneut. Gleich ist das Lied zu Ende.

      »Kommt rüber!«, ruft eine Frauenstimme von Bord und winkt heftig. Sie ist kaum zu übersehen, denn sie hängt weit über die Reling.

      »Ja! Los! Kommt her!«, stimmen andere ein und ich kann es kaum glauben. Das ist doch das, was ich mir vorhin so sehr gewünscht hatte. Schnell sehe ich zu Uta, die auch neben mir hüpft und mit ihren Armen in der Luft wirbelt.

      »Kommt!«, ertönt es erneut und bildet nun einen hektischen Chor. Alle hüpfen zu diesem Takt und mein Mund grinst breit vor Freude. Ich mustere Uta fragend.

      »Ich nicht«, sagt sie entschlossen. »Das Auto und die Sachen. Aber du. Du wolltest doch vorhin so gerne dort auf dem Boot sein.«

      Unschlüssig drehe ich mich zu den begeistert rufenden Partygästen. Das ist eine tolle Einladung. Kann ich die ablehnen? Vorhin wagte ich davon nur zu träumen. Ich habe nicht geglaubt, dass das passieren könnte. Aber kann ich Uta denn hier zurücklassen?

      »Spring!«

      »Los! Spring!«

      Ich höre Uta neben mir, die sagt: »Los! Bevor sie es sich überlegen. Hab Spaß und erzähle mir alles, hörst du?«

      Dankend sehe ich sie an und ziehe meinen Mund zu einem breiten Lachen, denn das ist zu irre. Mit einem Satz springe ich in das hellgrün schimmernde Wasser und fasse es in diesem Moment selbst kaum.

      Das Lied endet genau in dem Augenblick, als ich den höchsten Punkt meines Sprunges erreiche. Vom Boot dringen Freudenschreie an mein Ohr. Mit den Armen nach oben tauche ich ein, gespannt auf ein Abenteuer.

      Kapitel 2

      Während des Sprunges geht mir durch den Kopf, wie absonderlich das ist, was ich hier mache.

      Laut rauschend wird das Wasser um mich herum verdrängt. Tausend kleine Bläschen bilden sich, die schnell nach oben aufsteigen. Ich warte unter Wasser auf den Stillstand, der sich wie Schwerelosigkeit anfühlt. Das ist kurz bevor der Körper, durch den Auftrieb, nach oben gedrückt wird.

      Die Bässe dröhnen in meinem Magen oder es ist Aufregung? Wie vermutet, sind die Fische geflohen. Ich bin allein im trüben Wasser. Eine Verrückte, die springt, weil sie an Bord will.

      Der Bootsrumpf liegt vor mir und ich rudere mit meinen Armen an die Oberfläche. Als ich an der Wasseroberfläche auftauche, schnappe ich nach Luft. Ich schwimme die wenigen Meter zum Boot, begleitet von tosenden Jubelschreien und Pfiffen.

      Dort angekommen, greifen sofort Hände nach mir, um mir beim Einsteigen zu helfen. Ich nehme Stimmengewirr wahr. Dann ist da noch die alles übertönende Musik.

      Schnell bin ich hinauf gezogen. Vor Nässe triefend stehe ich vor lächelnden Gesichtern, die mich voller Neugier und unverhohlen mustern.

      Auf dem Steg steht Uta, die mir zum Abschied winkt. Ihr Gesicht ist mit einem strahlenden Lächeln überzogen und ich bin froh, dass ich eine so gute Freundin habe. Sie freut sich für mich und ist wie ich sehr aufgeregt. Der Mund von ihr bewegt sich, weil sie etwas ruft, aber ich verstehe hier kein Wort davon. Das Boot fährt nun an. Ich hebe meine Hand und lächle zaghaft dem hinterher, was ich kenne. Hier kenne ich niemanden und bin jetzt zugegebenermaßen etwas nervös. Was mache ich hier? Total irre!

      Jemand