Karina Förster

Spring!


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doch er reagiert nicht auf meine Worte, denn er sieht bereits aus dem Fenster, ohne mich weiter zu beachten. Lisa kommt zu mir und legt mir beschwichtigend ihre Finger auf den Arm, den ein silberner Ring ziert.

      »Nimm es ihm nicht krumm. Ich meine, er schippert uns durch die Gegend und kann nicht mit uns feiern. Immerhin hat er angehalten, damit du springen konntest. Nicht wahr Nicky?«

      Gott, denke ich. Hießen nicht die DDR T-Shirts Nicki? Einer, der meinen Bikini langweilig findet, hat den Spitznamen eines DDR-Oberteils. Wie schrecklich!

      Doch Lisa unterbricht meine Gedanken. Sie säuselt die Pudelblondine unüberhörbar scheinheilig an: »Zu schade, dass mir heute meine Wünsche erfüllt werden, Ninette. Ich hätte zu gern gewusst, wie es wäre, wenn es anders herum gekommen wäre.«

      Ich frage mich, was sie damit meint. Was hätte auch anders herum kommen können?

      Ihren Kopf schief legend starrt sie Ninette an. Lisas Augen sind hart und ein wissendes, von Kampfgeist erfülltes Lächeln umspielt ihren Mund. Ninette regt sich daraufhin nervös und für eine Sekunde wandern ihre Augen zu mir.

      Okay, denke ich und es beschleicht mich das ungute Gefühl, dass es etwas mit mir zu tun hat. Noch bevor ich den Gedanken zu Ende führen kann, geschweige nachfragen kann, holt Ninette tief Luft um etwas zu entgegnen.

      Doch aus einer unvermuteten Richtung donnert ein scharfer Ton: »Darf ich mich jetzt bitte wieder konzentrieren ohne, dass ihr euch in die Haare geratet? Zickt euch gefälligst woanders an!«

      Mir scheint, dass die Spannungen, die zwischen den beiden Frauen herrschen, einem tief sitzenden Hass entspringen. Lisas Bruder sieht sie vorwurfsvoll an. Sicher ist er der Einzige, der so an ihrem Wunsch-Geburtstag mit ihr reden darf, denn ihre Augen werden wieder weich. Zweifelsfrei liebt sie ihn abgöttisch.

      »Und nimm deine Tanzmaus mit!«, faucht Ninette nun mutig geworden, weil sie das letzte Wort behalten will.

      Die ist mir tierisch unsympathisch und der Zorn von vorhin wallt erneut auf. Da nannte sie mich auch schon so. Zu genau weiß ich, dass ich alles andere als eine Tanzmaus bin. Dazu habe ich zu viele Preise gewonnen und bin mir meiner Sache zu sicher.

      »Ich«, donnere ich und trete einen Schritt näher, »heiße Ella und nicht Tanzmaus! Merk dir das! Ich nenne dich ja auch nicht Pudel, nur weil deine Haare mich an einen erinnern!« Mein Kopf erhebt sich und selbstbewusst genieße ich ihre Verwirrung über meinen Angriff.

      Und schon ist das blonde Hündchen an der Leine ihres Herrchens zurück.

      Bei den Kindern in der Kindergartengruppe hilft meistens auch ein ernstes Wörtchen, damit sie die Rangordnung wieder beachten. Jeder braucht seine Grenzen.

      Es ist mehr als offensichtlich, dass Ninette ein Problem mit mir hat. Nicht nur mit mir, auch mit Lisa. Für Augenblicke herrscht betretenes Schweigen. Über meine Zurechtweisung. Lisa tauscht mit ihrem Bruder Blicke aus. Deuten kann ich sie nicht.

      Über mich selbst erschrocken, rechne ich mit einem Rauswurf. Schließlich bin ich Gast. Nun lege ich hier einen flotten Start hin und fauche Gäste an.

      Ninette schluckt erschrocken und gafft mich betreten an. Ihr Herrchen sagt kein Sterbenswörtchen. Er macht auch keine Anstalten, Ninette zu unterstützten. Merkwürdig, mir aber mehr oder weniger auch egal.

      Er betrachtet mich aufmerksam und ich zupfe meinen Bikini in Ordnung. Gerade so, als sortiere ich meine feinste Garderobe. Dabei sehe ich Lisas Bruder herausfordernd an. Wenn er mich hinauswerfen will, soll er es gefälligst jetzt tun. Da er schweigt, drehe ich mich zu Lisa um und frage mit Kinn in die Höhe gestreckt: »Wie schau ich aus?«

      Lisas Augen huschen flink zum Kapitän und schweifen dann zu mir zurück. Ein einnehmendes Lächeln überzieht ihren schön gewölbten Mund. Ihr Lächeln stimmt mich milde. Beruhigt stelle ich fest, dass die Party vorerst weitergeht.

      »Sitzt perfekt. Alles da, wo es sein soll. Rundweg hinreißend«, antwortet sie und sieht verstohlen an mir hinab. Vielsagend geht ihre linke Augenbraue in die Höhe.

      Mit der Art ihres Blickes ist mir klar, dass sie Frauen gegenüber nicht abgeneigt ist. Sie sieht mich begehrlich an. Auch wenn ich derartige Komplimente lieber von Männern höre und sehe, lächele ich sie zufrieden an.

      Der Bruder wendet seinen Kopf ab und sieht wieder über das Steuer hinweg.

      »Dann lass uns gehen«, sage ich und hake mich bei ihr unter. »Hier ist es so furchtbar eng und … unleidlich.«

      Auf Deck bei den Partygästen zurück, prustet Lisa laut los und dreht sich zu mir. Sie bekommt kaum Luft, so sehr lacht sie.

      »Unleidlich? Du bist ja echt der Hammer! Wie ist dir das nur eingefallen? Hast du gesehen, wie Ninette geschluckt hat?«

      Sich krümmend vor Lachen steht Lisa vor mir, hält sich ihren Bauch und ich stimme mit ein.

      »Die Pudelfrisur da drin?«, frage ich nach.

      »Pudelfrisur!« Lisa klopft sich auf ihre Schenkel. »Pudelfrisur, ja. Du bist so goldig. Ich mag dich. Oh Mann, du bist ein schönes Geschenk.«

      Lisa umarmt mich und schmatzt mir einen dicken Kuss auf meine Wange. Vorsichtig schiebe ich sie auf Distanz. Ich bin für niemanden ein Geschenk.

      »Um ehrlich zu sein, die ging mir gewaltig auf die Nerven.«

      »Oh, ja. Das Gefühl habe ich auch immer bei der. Die ist so arrogant und eingebildet. Ich weiß nur noch nicht auf was.«

      »Na, wenn es ihre Frisur ist, liegt sie mächtig daneben. Sie sollte dringend mal zu einer Typberatung.«

      »Ehrlich gesagt würde eine neue Frisur daran auch nichts ändern. So was hängt doch nicht an einer Frisur, sondern am Wesen. Es kann sie kaum einer leiden. Darum verkriecht sie sich bei Yanick. Weiß echt nicht, was er an der findet. Vor einem halben Jahr hat sie es geschafft seine Freundin zu vergraulen. Sie versucht nun verzweifelt, seine Neue zu werden.«

      »Ich habe aber leider von deinem Bruder auch keinen guten Eindruck bekommen. Was meinte er eigentlich damit, dass ich hier bin, weil du es wolltest?«, frage ich nach und nehme mir ein Wasser aus der mit Eiswürfeln bestückten Wanne. Erfrischend läuft das kühle Nass meine Kehle hinab. Lisa betrachtet sich einen Tropfen, der danebenging und sich nun meinen Hals hinab wälzt. Eindeutig, sie ist Frauen gegenüber nicht abgeneigt. Ich wische mir dezent den Tropfen weg. Lisa sieht mir dadurch wieder in mein Gesicht.

      »Ninette ist teuflisch eifersüchtig, obwohl die Beiden nicht einmal zusammen sind. Er wollte nicht umdrehen, um dich mitzunehmen. Ich habe mir die Seele aus dem Leib gebettelt, obwohl heute alles nach meiner Nase geht, solange es legal ist – mein Wunsch-Geburtstag. Habe ich ja schon erzählt. Das stört sie. Sie hat nicht umsonst die Ex von meinem Bruder abgesägt. Die hat eindeutig Komplexe!«, Lisa zuckt mit ihren Achseln und schnappt sich ein gekühltes Bier. »Ich bin wirklich froh, dass du gesprungen bist. Scheiß was auf die Platinsouffleuse. Wir sind jung, wir sind hübsch und lassen uns von der den Tag nicht vermiesen, oder? Und uns liegt die Welt zu Füßen!«

      Den letzten Satz hat sie unüberhörbar laut in Richtung Tanzfläche geschrien. Ihre Gäste stimmen ihr lärmend zu. Ein Mann in blauen Shorts und freiem Oberkörper, den ich vorhin Salsa-Schritte zeigte, kommt auf Lisa zu und bleibt vor ihr stehen. »Ich definitiv«, sagt er.

      Er grinst sie erregt an, befingert ihr Bikinioberteil und Lisa zieht ihn zu sich. Ein Kuss der beiden und ich vermute mal sie sind ein Paar. Sie wirken sehr vertraut. Ebenso erregt und gierig sieht sie ihn auch an. Eindeutige Bewegungen verstärken meinen Eindruck.

      »Gleich legen wir bei Kai an, Leute!«, ruft Lisa in die tanzende Menge und sieht den Mann vor ihr leidenschaftlich an. Ihre Lippe hat sie dabei zwischen ihren Zähnen eingeklemmt und blickt nun zu mir herüber.

      Ein Test, ob ich anspringe. Sie scheint das Leben zu genießen und erfüllt das Klischee einer reichen und verwöhnten Tochter, die alles bekommt, was sie möchte. Sie lacht und zieht den Mann auf