Karina Förster

Spring!


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Mir ist, als nehme ich es in meinen Eigenen wahr. Eine rätselhafte Aversion steigt in mir auf, der von ihren flehenden Worten unterbrochen wird.

      »Sag mir, dass du mich liebst!« Ein neues Gefühl mischt sich dazu. Benennen kann ich es nicht.

      Yanick öffnet seine Augen. Die Bernsteine treffen direkt in meine. Ihn erkennend, hebe ich meinen Kopf und sehe ihn an. Ich habe sie schon einmal gesehen und überlege fieberhaft, wo es war.

      Nun weiß ich, warum ich hier wie angewurzelt stehe und mich nicht von der Stelle rühren kann. Es fühlt sich an, als sei es das Selbstverständlichste und Natürlichste von der Welt. So, als sehen wir uns jeden Tag unseres Lebens in die Augen und als wollten wir es auch gar nicht anders. Keine Überraschung, Erstaunen, Schreck oder ob der seltsam komischen Situation, gar Befremden.

      Mein Gesicht entspannt sich zeitgleich mit seinem. Wie an einem unsichtbaren Band fühle ich mich zu ihm hingezogen und nähere mich ihm. Mein Körper scheint sich dabei seltsam gleitend aufzulösen. Ich schwebe auf ihn zu und nur noch wir existieren. Die Welt dreht sich einzig und allein für uns.

      Ganz sicher, ich kenne ihn. Er öffnet seinen Mund und formt die Worte: »Ich liebe dich.«

      Ich sehe sie, höre sie aber nicht, denn mit diesen Worten lässt das Band los und ich schnelle wieder zurück an das Fenster. In die Wirklichkeit. Habe ich eben meine Hand gehoben, damit ich noch eine Weile bleiben kann, um diese innige und intensive Verbindung mit ihm nicht zu verlieren?

      Doch der Augenblick ist ebenso schnell vorbei, wie er entstanden ist. Zurück bleibt eine Leere, die der ähnlich ist, als das Boot sich entfernte.

      Aus der Lähmung befreit, ziehe ich mich aufgewühlt vom Fenster zurück.

      Das muss ich verarbeiten. Kein Zweifel – ich habe das seltsamste Erlebnis in meinem Leben gehabt. Ich kann das absolut nicht einsortieren. Werde ich verrückt?

      Neben dem Fenster lehnend, hole ich tief Luft. Das Herz ist übervoll mit Gefühlen und Denken noch immer unmöglich. Mein Puls rast und ich muss mich beugen, weil ich nicht weiß, was hier mit mir geschehen ist.

      Das muss ein Traum gewesen sein, denn nur im Traum kann so etwas passieren und fühlt sich dann auch noch wie die Realität an.

      Mein erhöhter Herzschlag sagt mir etwas anderes. Ein Traum war das nicht, so viel steht fest. Oder schlägt ein Puls so heftig nach einem Traum, welcher Art auch immer?

      Etwas an ihm war mir bekannt erschienen. Seine Augen, so selten in seiner Farbe und dem intensiven Leuchten darin. Wie mein Bernstein zu Hause.

      Langsam, in Gedanken, bewege ich mich in Richtung Terrasse zurück. Keine Spaziergänge mehr heute Abend!

      »Ella! Ella, wo bist du?«, ruft Lisa aufgeregt und kommt um die Ecke geflitzt. »Oh, da. Ich habe dich gesucht. Gleich beginnt das Feuerwerk. Komm schnell!«

      Sie winkt mich ungeduldig mit der Hand zu sich. »Eine Überraschung!«

      Das wäre für mich dann heute die zweite Überraschung. Die Erste habe ich gerade von ihrem Bruder bekommen. Doch Lisa ahnt das nicht und wie soll ich ihr das erklären? Das könnte ich noch nicht einmal Uta erklären, die an Übersinnliches und all diesem Humbug glaubt.

      An der Terrasse angekommen, stelle ich mich brav zu den anderen Gästen. Ich sehe mit ihnen in den Himmel und warte auf das versprochene Feuerwerk. Egal wie sehr ich mich abmühe, an etwas anderes zu denken, es gelingt mir nicht. Das gibt es doch gar nicht!

      Ich fühle noch einmal, wie ich zu ihm gezogen werde, ohne mich ernsthaft dagegen wehren zu können. Was ist mit mir geschehen?

      Ich schließe meine Lider. Weil sich bei dieser Erinnerung eine Wärme in meinem Herzen ausbreitet, die mich übermannt. Sie breitet sich in mir aus. Warm und angenehm. Sie verzehrt mich. Das ist ein wahnsinnig intensives Gefühl.

      Dabei will ich nichts, als noch einmal entfachen, was dieser Augenblick in mir ausgelöst hat. Und ihn dann ewig bei mir halten.

       Ich liebe dich.

      Und ich habe in diesem Moment nicht daran gezweifelt. Ich muss mich beugen, weil mich sonst etwas niederstreckt, was mir Angst einflößt. Dieses Gefühl ist so sehr intensiv, dass mir schwindlig wird. So urgewaltig, dass ich die Befürchtung habe dem nichts entgegenzusetzen zu können. Ich fühle mich schwach.

      Nach schnellen, kurzen Atemzügen ist es besser und ich richte mich wieder auf. Niemand hat etwas bemerkt. Keiner starrt mich an oder sieht besorgt zu mir. Gut. Alles ist in Ordnung und mein Blick schweift ziellos durch die Menge.

      Und doch …

      Nichts ist in Ordnung. Eben ist meine Welt aus den Fugen geraten. Dies spüre ich am ganzen Körper. Wehren zwecklos.

      Ninette, stolpert dämlich lächelnd auf die Terrasse und wird von Yanick eskortiert. Ich möchte ihr Gesicht zu Brei schlagen. Andererseits aber auch nicht. Ich fürchte, dass ich gleich wahnsinnig werde. Ich finde mich selbst irritierend.

      Interessiert beobachte ich Yannick. Er stellt sich zu den Gästen. Mit einem wechselt er Worte, zum anderen Gast lächelt er. Und ich schmelze. Kann doch nicht wahr sein!

      Das Feuerwerk geht los und ich sehe hinauf in den Himmel.

       Wer veranstaltet ein Feuerwerk bei Tageslicht?

      OH! AH!

      Augen wie Bernstein, die mich vertraut in Augenschein nehmen. Nur ihn habe ich wahrgenommen.

       Ich liebe dich.

      OH! AH! Klatschen. Beifall.

      Was war da am Fenster mit mir passiert?

      OH! AH! Applaus.

      Ich senke den Kopf und denke über meine Frage nach. Das Feuerwerk ist mir egal. Am ganzen Körper richteten sich meine Härchen auf und ich sehe zu der Stelle, an der sich Yanick vorhin mit Gästen unterhalten hat.

      Er steht weiterhin dort und sieht zu mir. Ich erschaudere erneut und weiß sofort, dass er in der Küche, wie ich gefühlt hat. Zaghaft lächelt er und mein Herz stolpert.

      Alle klatschen begeistert in die Hände. Das Feuerwerk ist vorbei. Die Menge setzt sich wieder in Bewegung und die Sicht auf ihn wird versperrt. Vermutlich hätte ich es ohnehin keine Sekunde länger ausgehalten. Gleich wäre ich in die Fluten gesprungen. Benommen suche ich nach einer Erklärung, finde aber keine logische.

      Kais Stimme erklingt. Lautstark ertönt sie über die klatschende Menge.

      Ich stelle ihn mir unter seinen Angestellten vor. Er ist der Boss. Er passt sehr gut zu Lisa, die ebenso wie er eine Selbstsicherheit ausstrahlt, von der so manch einer träumt.

      »So, und gleich im Anschluss verlosen wir einen Lostanz mit jedem Geburtstagskind.« Lisa verteilt schon kleine Zettel und Stifte an alle. »Schreibt euren Namen auf das Papier und faltet es zusammen! Bringt mir eure Zettel und denkt dran, bitte keine Pseudonyme wie Bugs Bunny oder so!«

      Er steht mit zwei schmalen Glasvasen vor seiner Brust inmitten der Menge. Eine Vase ziert eine rosa Schleife, die Andere eine hellblaue. Auf dem Zettel, den mir Lisa reicht, schreibe ich meinen Namen. Doch anders als die übrigen Gäste gehe ich nicht zu Kai und lege ihn in die Vase, die mit der hellblauen Schleife geschmückt ist. Stattdessen suche ich mir einen entlegenen Platz und will dort warten, bis sich die Aufregung legt. Bislang hängen meine Gedanken am Fenster und das Letzte, was ich will, ist jetzt ausgelost zu werden, um mit Yanick zu tanzen. Es würde ohne jeden Zweifel niemanden auffallen, wenn mein Zettel in der Vase fehlt.

      Doch Kai erscheint lächelnd vor mir. Er sieht in meine Hand, in der versteckt der gefaltete Zettel liegt. Lange sieht er darauf.

      »Ella, dein Los!«, fordert er mich leise aber eindringlich auf. Ich sehe ihn an und sein Blick wird durchdringender, weil ich zögere. Zerknirscht, dass ich mich nicht herauswinden kann, beuge ich mich vor und drücke ihm meinen Zettel in seine geöffnete