Karina Förster

Spring!


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einem Glas Wein in der Hand schlendert sie auf mich zu und reicht es mir. Sie lehnt sich neben mir an die Wand und sieht zu Yanick, der mit dem Boot auf den Hafen in Friedrichshagen zusteuert.

      »Du bleibst doch aber noch?«, fragt sie.

      »Wozu? Ich habe meine Meinung über deine private Party nicht geändert und möchte nicht stören. Es war ein sehr amüsanter Nachmittag.«

      »Bitte geh noch nicht! Es ist doch schließlich früh. Ich würde mich freuen, wenn du eine Weile mein Gast bleibst. Wenigstens eine kurze Zeit. Kai hat mir eben erzählt, dass er etwas für uns geplant hat. Danach fährt die S-Bahn doch auch noch.«

      Da sie akzeptiert hat, dass ich an ihrer Party nachher kein Interesse habe, willige ich ein. So sitzt der klägliche Rest der Party auf der Terrasse zusammen. Wir reden miteinander, bis Kais Begabung Thema wird.

      »Das gibt es überhaupt nicht«, meint einer der Gäste, dessen Namen ich vergessen habe. Er schnaubt verächtlich durch die Nase und wirft einen Blick in der Runde. Yanicks und Lisas Mienen sind ernst und unbeweglich. Da sieht er zurück zu Kai. Auch der verharrt regungslos. Erst nach einer Weile reckt er sich. »Doch«, antwortet er gelassen.

      »Beweis es mir, dann glaube ich es!«

      »Gut. Wer will?«

      Keiner meldet sich. Selbst der Zweifelgeist sieht unschlüssig auf seine Hände hinab. Vermutlich hatte er mit einer so schnellen Antwort nicht gerechnet. Oder er will nicht.

      Zuhören scheint ihm zu genügen. Ich mutmaße, dass er es zwar erfahren möchte, auf der anderen Seite aber auch die Hosen voll hat.

      Ich erhebe mich, da ich diejenige in der Runde bin, von der alle Anwesenden am wenigsten wissen. Und da ich kaum etwas aus meinem Leben preisgegeben habe und ohnehin nicht an das glaube, was Kai vorgibt zu sein, melde ich mich. Alle sehen überrascht zu mir. Auch die Augenpaare von Yanick ruhen auf mir.

      »Ella kennen wir erst seit heute. Wie soll sie für deinen Leumund sorgen?«, fragt der Skeptiker und hebt genervt seine Hand in meine Richtung. Erst will er wissen, was mit Kais angeblichen Fähigkeiten ist und jetzt mokiert er sich?

      »Eben. Genau dadurch«, antworte ich und sehe Kai an. Der nickt zufrieden.

      »Ella trifft den Nagel auf den Kopf«, ergänzt er mich. »Wir wissen wenig von ihr, weil wir sie erst seit heute kennen. Sie wird ein perfekter Leumund sein, Harry. Vertrau mir oder verschwinde!«

      »Okay, okay«, nuschelt der Skeptiker kleinlaut. Da er keine Unterstützer für sein Argument gefunden hat, schweigt er jetzt besser. Er lehnt sich zurück. Misstrauisch sieht er dennoch zu mir. Kai sieht zu mir und hebt seine Hand einladend hoch. Ich kann mich sehr gut an vorhin erinnern und lasse sie unbeachtet, folge ihn aber in die Mitte der Terrasse.

      »Ella, also dann.«

      Ich nicke zustimmend. Ein Blick auf die Anwesenden, sagt mir, dass alle neugierig sind und gespannt auf das warten, was Kai gleich erzählen wird. Bis auf Ninette scheinen sich alle gut zu amüsieren. Sie sitzt neben Yanick und sieht mich gelangweilt an. Kai atmet durch.

      »Dann los!«, sagt Kai und stellt sich hinter mir auf. »Bereit?«

      »Bereit«, antworte ich und sehe über die kleine Gruppe hinweg, bevor ich die Augen schließe. Das wäre jetzt etwas für Uta. Kai berührt meine Schultern.

      »Wir haben uns vorhin über deinen Großvater unterhalten.«

      Ich nicke. Klar, er hatte schon gerade eben den Finger in seiner Wunde und hat es eindeutig an meiner Reaktion gemerkt. Er stellt es richtig schlau an. Gewieft setzt er an, wo er mehr vermutet.

      »Er hat dich sehr geliebt und wollte, dass du dich nie zu schnell für etwas entscheidest. Er sagte immer: Geh es ernsthaft an und prüfe stets dein Herz dabe i. Du folgst seinem Rat.«

      Ich nicke und sehe ihn gedanklich vor mir an einem grünen Ufer sitzen. Mit seiner Angel in der Hand. Neben ihm stand ein Eimer mit Wasser, in dem er den Tagesfang hineingegeben hatte. Der Eimer roch, wie die Wanne bei uns zu Hause.

      Und ich sah den gefangenen Fischen zu, wie sie zappelten. Sie hatten Angst, ging es mir durch den Kopf.

      Ich sah zu Großvater hoch, der mir eben eine Lebensweisheit sagte. So machte er das immer. Ein neuer Fisch war eine neue Lebensweisheit. Die gab er mir gerade preis. Er lächelte mich mit seinen gütigen Augen an, die in der gleichen Farbe schimmerten, wie meine. Blau wie ein Meer. Da hatte der Krebs ihn schon angefressen, nur wusste ich es in dem Moment nicht.

      »Auf dem Steg heute Mittag wolltest du auf das Boot, noch bevor sie angehalten haben, damit du springen kannst«, holt mich Kai aus der Erinnerung.

      Ich fühle mich wieder am Steg, wo ich mich an meinem Opa erinnerte, als ich das Brackwasser roch. Ich nicke zum wiederholten Male.

      »Dann … Dein Bikini war sicher preiswert, aber du bist alles andere als billig, so wie Ninette es in der Küche gesagt hat. Dort hat sie sich wie eine billige Nutte vögeln lassen und hat nicht einmal gemerkt, dass er dabei zu dir gesehen hat.«

      Ich werde innerlich steif und fühle mich wieder am Fenster. Erst Abscheu, dann dieses Gefühl … Vertrautheit.

      »Keine Sorge Leute! Meine Arbeitsplatte ist bereits desinfiziert« ruft er hinter mir und es klingt aufgeregt. An eine Desinfektion der Arbeitsplatte habe ich auch gedacht, als ich die beiden in der Küche sah. Würde wohl jeder denken. Fast jeder.

      Ich nicke wieder, halte aber die Augen geschlossen. Kai kann gut schlussfolgern und jemand hat ihn mit Infos gefüttert. Wer das ist, kann ich mir an fünf Fingern abzählen. Yanick.

      Aber dennoch will ich jetzt meine Augen nicht öffnen und in giftgrüne sehen die mich auch so schon hassen.

      Das ist doch jetzt ganz sicher demütigend für Yanick und Ninette. Den Blick in die Augen spare ich mir.

      Aus der Sitzecke dringt undeutliches Gemurmel an meinem Ohr. Wenn Tumult ausbricht, wird Kai mir gewiss ein Signal geben. Da fühlen sich bestimmt zwei nicht wohl in ihrer Haut. Wer möchte schon, selbst in einem kleinen Rahmen, laut diese Details verkündet bekommen? Ich ganz sicher nicht.

      Kai fährt mit seinen Händen meine Seiten hinab und hält nun eine Hand auf meinem Unterleib. Ich spüre seinen Atem am Hals. Leiser als alles zuvor sagt er: »Der Vater deiner Kinder liebt … Nein, er vergöttert dich. Ein Junge. Dann … später ein Mädchen.«

      An meinem Ohr flüstert er noch leiser: »Schade Ella, dass du mich nicht liebst.«

      Zärtlich küsst er meinen Nacken. Es ist nur ein Hauch.

      Ich öffne meine Augen und nehme wahr, dass Ninette aufgesprungen ist und stürmisch auf mich losgeht. Für mich ist leicht nachvollziehbar, dass sie keinen Grund hat, sich über das Gesagte zu freuen. Verständlicherweise. Es ist eine arge Bloßstellung.

      Sie wirkt auf mich sehr ungehalten. Yanick hält sie am Arm zurück. Ninettes Augen sprühen Gift in meine Richtung, aber sie sieht ein, dass sie nicht zu mir gelangen wird. Ich selbst habe Yanicks festen Griff vorhin gespürt. Er hält sie am Handgelenk fest und sie müsste sich den Arm abbeißen, um zu mir gelangen.

      Sie dreht sich zu ihm und schreit ihn an: »Fahr mich auf der Stelle weg hier! Sofort!«

      Er zieht sie zur Seite und jeder hier atmet erleichtert aus. Vor allen Dingen ich.

      »Krass, Alter! Is das wahr?«, fragt der Skeptiker mich. Mit erfüllten Augen voll Spaß sieht er mich groß an. Ich nicke stumm, fühle mich aber angewidert und angeekelt. Mit Menschen darf man nicht spielen. Jeder, selbst Ninette hat eine Würde.

      »Echt krass. Und Ninette flippt total aus. Ich werd nicht mehr!«

      Der Skeptiker von vorhin ist nun überzeugt von Kais Fähigkeit und will sich auch zur Verfügung stellen. Kai lehnt ab.

      »Es ist genug Spannung dadurch entstanden, dass ich Ella gelesen habe. Mehr verträgt mein Magen heute nicht«,