Karina Förster

Spring!


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Kai und Yanick mussten sich abgesprochen haben. Anders kann ich mir das nicht erklären.

      Wie schon vorhin beim Lostanz hatten beide unter einer Decke gesteckt. Dachte ich mir doch so etwas. So viele Zufälle kann es doch gar nicht geben.

      Nach einer Weile kommt Yanick zurück zur Sitzecke und unterbricht das Raunen dort. Er bleibt vor dem Tisch stehen und sieht alle in der Runde an.

      »Die letzte Fuhre zum Festland geht in fünf Minuten. Wer dann noch hier ist, bleibt oder schwimmt«, sagt er und sieht zu mir. Ich senke meinen Blick scheu zu Boden und höre, wie er davongeht. Gewiss ist er sauer auf mich und ich könnte ihm das nicht einmal verübeln. Harry und der Gast gehen. Kurz darauf ertönt das Motorengeräusch, das sich schnell entfernt. Das Boot fährt sie zum Hafen.

      Ruhe kehrt ein. Jo und Lisa küssen sich und liegen bald schon quer auf der Sitzfläche. Ich gehe zu Kai, der den Beiden zusieht. Er dreht sich bei meiner Berührung um und lächelt mich an.

      »Klasse Show! Egal, wie sehr ihr Ninette hasst, das fand ich nicht in Ordnung«, sage ich so laut, dass Lisa aufhorcht. Sie starrt verwundert zu mir.

      »Mir kommen gleich die Tränen. Du magst sie doch selbst nicht«, blafft sie mich gehässig an. Mein Kopf geht in ihre Richtung. »Mag sein. Aber das eben, war doch wohl auch nicht viel besser, als das, was ihr Ninette vorwerft!«

      Bei meinem Satz ging mein Arm in die Höhe, denn mir ist es fremd, Mitmenschen zu benutzen, um einen eigenen Vorteil aus der Situation zu ziehen. Es sind Menschen. Sie haben Gefühle und Stolz, den sich niemand anmaßen sollte zu verletzen. Egal wie gut das Bankkonto gefüllt ist. Es ist respektlos und zeugt von keinem guten Charakter.

      »Sie ist endlich weg und ja, das finde ich gut«, zischt Lisa wutschnaubend, erhebt sich und kommt angriffslustig zu mir. Kai stellt sich schnell zwischen uns und hebt seine Hände. Dabei sieht er mich an und sagt: »Was ich sah, habe ich gesagt. Wenn du sagst, ich hätte das als Vorwand benutzt, um Ninette loszuwerden, dann liegst du falsch.«

      »Es sieht für mich aber so aus.«

      »Du liegst falsch!«, faucht Lisa und geht verärgert über mich zu Jo, um sich ihm zu widmen. Kai sieht mich ratlos an und seufzt. Ich sehe in den Himmel hinauf, der begonnen hat, die Farbe zu verlieren, weil die Dämmerung bald anbrechen wird.

      »Ella. Ich mag dich zu sehr, um dich für niedere Motive zu missbrauchen«, flüstert Kai, der ganz dicht an mich herangetreten kommt. Ich senke meinen Blick. Er sagt es in einem Ton, dass ich ihm vertrauen kann, aber ich kann die Spielchen nicht nachvollziehen, die hier gespielt wurden. »Ich bin jetzt etwas durcheinander. Egal was du sagst«, sage ich ehrlich und drücke damit meine Verwirrung aus. Ich erwäge, mich zurückzuziehen.

      »Ella. Ich mag dich«, flüstert er jetzt und seine Augen sehen mich wohlwollend an..

      »Ich mag dich auch.«

      »Behalte mich im Herzen, kleine Springerin. Geh und finde dein Glück«, er nimmt meine Hand und küsst zärtlich den Handrücken. Seine Augen sehen mich traurig an und ich will mich ihnen jetzt schnell entziehen. Also nicke ich, ohne aber verstehen zu können, was er genau damit meint. Dafür bin ich zu durcheinander und will irgendwo in Ruhe meine Gedanken sortieren. Hier bin ich überflüssig. Will ich überflüssig sein.

      »Ich gehe um die Ecke. Möchte etwas nachdenken«, presse ich hervor und zeige in Richtung Ruderboot. Der Ort scheint mir jetzt der zu sein, an dem ich mit meinen Gedanken sein kann.

      Kai nickt und ich drehe mich zum Gehen.

      Am vertäuten Ruderboot finde ich die Stille, die ich brauche. Ich setze mich und halte die Beine ins Wasser.

      Das war ein ereignisreicher Tag heute. Die Spaßkurve hat rasant abgenommen. Gefühlt befinde ich mich auf dem Tiefpunkt. Besser, wenn ich mich jetzt auf den Heimweg mache.

      Kurzentschlossen gleite ich in das dunkle Wasser und schwimme los. Nach Hause. Dort werde ich mich in mein Bett legen und alles vergessen, was sich seit dem Blick durch das Fenster ereignet hatte. Schlafen und diese Menschen aus den Augen verlieren.

      Montag gehe ich wieder zu den Kindern in den Kindergarten. In meine Welt, die ich gewohnt bin.

      Ich höre, wie sich ein Boot nähert. Als ich aufsehe, erkenne ich das Boot. Yanick steuert auf mich zu. Ich schwimme einen Bogen, damit ich nicht in die Schiffsschraube komme. Das ist unnötig, denn er hat mich schon gesehen. Er fährt zu mir, bremst das Boot ab und ich schwimme dessen ungeachtet weiter.

      »Das ist gefährlich!«, ruft er mir zu und hat das Boot gestoppt.

      »Und wenn schon!«, gehe ich ihn an und es klingt gereizter als beabsichtigt.

      »Warum bist du dann nicht mitgefahren vorhin? Wäre zumindest bequemer«, lacht er amüsiert und ich beginne mich wieder über ihn zu Ärgern. Er hat doch selbst gesagt, wer nicht mit ihm mitfährt oder schwimmt, bleibt auf dem Hausboot. Ich schwimme, also was will er? Im Wasser rudere ich mit meinen Armen und sehe zu ihm hoch. »Lass mich in Ruhe! Du hast doch selbst gesagt, wer dann noch da ist, bleibt oder schwimmt. Nach was sieht das also für dich aus, was ich hier mache?«

      »Das war ein Witz und es ist obendrein gefährlich. Wenn du bei drei nicht an Bord bist, dann springe ich rein und hole dich raus!«, droht er. »Eins … zwei …«

      Er zieht sein Shirt über den Kopf und knöpft sich seine Hose auf. Als ich ihn darunter unbekleidet erkenne, drehe ich mich schnell und schwimme den Weg zum Hafen unbeirrt weiter.

      Ja, er wirkt anziehend, aber im Großen und Ganzen werde ich das Gefühl nicht los, dass er weiß, wie er es gezielt einsetzen kann.

      »Drei!«, ruft er hinter mir und kurz danach ertönt ein Platschen. Meine Arme bewegen sich hektischer, doch ich höre, wie sich seine Schwimmzüge schnell nähern.

      Zeitgleich wird es lauter, weil sich ein Boot aus der Müggelspree nähert.

      Ich durchkreuze bei Dämmerung die Fahrtrinne. Das Motorboot sieht mich zu spät, weicht aber in einer James-Bond-Szene noch rechtzeitig aus. Beunruhigt halte ich an und Yanick erreicht mich. Er ist sehr schnell geschwommen und keucht hektisch. Seine Augen sehen mich wenig amüsiert an.»Bist du lebensmüde?«, schreit er mich an und klingt echt sauer. Das Motorboot wendet und kommt mit gedrosseltem Tempo zurück. Ich tauche ab und sehe in Yanicks Richtung.

      »Du bist nackt!«, schreie ich an der Oberfläche angekommen, obwohl ich in der trüben Brühe und dem schwachen Licht kaum irgendetwas erkannt habe. Ich will schlicht und einfach etwas schreien, weil mir der Schreck im Nacken sitzt. Und er ist mein Opfer.

      »Das ist alles, was du zu sagen hast, wenn dich in der Fahrtrinne fast eine Schiffsschraube zerhäckselt? Du bist nackt? «

      Das Motorboot bremst ab und ich sehe zu einem Pärchen auf, das sich zu uns hinab beugt. Ihre Mienen sind finster. Sie sind sauer.

      »Geht’s noch?«, fragt der Mann mich erzürnt und wischt wie ein Scheibenwischer mit seiner Hand vor dem Gesicht hin und her. »Das hier ist kein Strandbad! Verdammt, fast hätte ich dich überfahren!«

      »Я не понимаю - Ya ne ponimayu (Ich verstehe nicht)«, stammele ich dreist und sehe erschrocken hoch, weil mir jetzt klar wird, dass es wirklich riskant war.

      »Gibt es doch gar nicht! Назад - Nasad! Nasad!«, schreit er und deutet in Richtung des Bootes von Yanick. »Scheiß neureiche Russen! Machen sich überall breit. Прочь PROCH! NASAD!«

      Ich drehe mich um und schwimme langsam zurück. Hinter mir fährt das Boot wieder geräuschvoll an. Ist ja typisch! Dickes Boot, russische Sprache, schon sind alle Russen neureich. Alle Deutschen rennen ja auch nicht mit Lederhose und jodelnd durch die Gegend. Immer diese blöden Vorurteile!

      »Ya ne ponimayu?«, fragt Yanick erheitert, der in der Zwischenzeit neben mir schwimmt und dabei lacht. »Du kannst Russisch?«

      »Als Tochter einer Russin liegt das doch im Bereich des Möglichen, oder?«, gebe ich barsch zurück und