Karina Förster

Spring!


Скачать книгу

ja nicht runter purzelt und sich sein nobles Genick bricht.

      Als Sitzplatz dienen mehrere Europaletten, die wie sein Bett geschliffen und weiß lackiert sind. Auf ihnen liegen Auflagen. Ich gehe zum Geländer und sehe auf die untergehende Sonne.

      Ich löse mein Haargummi und entwirre den feuchten Zopf, aus dem ungeordnet Haare hängen. Ich beginne ihn zu kämmen.

      Das wollte er mir zeigen? Die Abendsonne leuchtet längst golden. Bald wird sie nur noch ein schmales, beige goldenes Band am Horizont hinterlassen, bevor es dunkel wird. In diesen Anblick versunken, flechte ich mir meinen Zopf erneut.

      Das Grün der Natur glänzt in durchscheinenden Herbstfarben, das vom leichten Wind ein wenig zerzaust wird. Die goldenen Lichter der Sonne spiegeln sich im bewegten Wasser des Sees und glitzern lebhaft. Monet hätte seine Freude daran.

      Die letzten Vögel huschen schnatternd zu ihren Nestern. Die Nacht beginnt. Hier ist die Sorge scheinbar weit weg, die Existenzängste und die Gedanken, die ich mir um einige meiner Kindergartenkinder mache.

      Wie schön wäre es, wenn sie nur eine kleine Weile teilhaben könnten. Für einen Moment, ein Lächeln in ihre jungen Gesichter zu zaubern. Einen Augenblick ohne Nöte. Ohne Sorgen. Musik ertönt leise.

      Neben mir erscheint Yanick und prüft mein Gesicht. Ich sehe kurz lächelnd zu ihm. In seiner Hand hält er ein riesiges Handtuch, das er mir sanft um meine Schultern legt. Er wickelt mich darin ein und hält mich umschlungen. Das ist ein guter Neuanfang. Ich fühle mich in seinen Armen geborgen.

       Erde, die den Sarg bedeckte, bis er vollständig verhüllt war. Aus dem Sarg höre ich etwas schlagen, das nur ich allein hören kann und es löst sich ein rostiger Nagel …

      »Weißt du, dass es Kinder gibt, die nicht auf der Sonnenseite des Sees geboren wurden? In ihren Kinderzimmern scheint der Mond und es ist kalt und einsam dort.«

      Unter seinen Armen und dem Handtuch löse ich meinen Zopf und drehe mich zu ihm.

      »Soll ich mich entschuldigen, dass ich bei diesen Eltern geboren wurde? Auch für reiche Kinder scheint in einigen Familien der Mond in das Zimmer. Schau dir Kai an!«

      »Mag sein, doch sehe ich jeden Tag in Kinderaugen, die nah genug an der Hölle wohnen.«

      »Ich habe dir, das hier zeigen wollen«, raunt er, dreht mich zum Sonnenuntergang und spricht leise an mein Ohr: »Ich kenne nichts aus deiner Hölle. Du bist jetzt hier und schaust dir den Abendhimmel mit mir an. Ob du dich nun auf dem Grundstück meiner reichen Eltern oder von deinem Balkon fühlst, ist mir einerlei. Stell dir vor, dass du bist, wo du sein willst! Wäre dort der Sonnenuntergang weniger ansprechend anzusehen?«

      »Nein«, gestehe ich. Er liegt richtig und ich versuche, mich zu beruhigen, denn er hat wahr gesprochen.

      »Wenn ich mal etwas erbe, kann ich es verschenken, wenn du willst. Wohin du willst! Aber du weißt genau, dass Geld alles andere als glücklich macht, oder?«, höre ich Yanick neben mir und ich nicke stumm. »Ist doch also egal, wo wer wohnt, ob jemand Geld hat, die Hölle kann überall sein.«

      Er hat sein Gesicht in Falten gezogen. Es wirkt traurig.

      »Was ist Kai passiert?«, will ich wissen und sehe ihn an..

      »Jetzt nicht!«

      Ich sehe wieder zur sinkenden Sonne und kreise ein wenig meine Hüfte und bewege mich minimal zum Takt.

      »Das hat mir Spaß gemacht«, schmunzelt Yanick neben mir. Verlegen sieht er zum Sonnenuntergang. Das macht ihn direkt wieder sympathisch.

      »Was?«

      »Der Tanz.«

      Ich lege meinen Kopf in den Nacken und berühre damit seine Schulter. »Mir auch«, gestehe ich lachend.

      »Wo hast du so tanzen gelernt?«

      »Ich habe mal auf Leistung getanzt.«

      »Aha. Na ja, da muss ich mich ja nicht wundern. Das war ne richtige Show.«

      »Du tanzt steigerungsfähig. Die Armbewegung über den Kopf hat mir imponiert«, lobe ich und beiße mir auf meine seitliche Lippe. Ich werde mir bewusst, dass ich ihn mein erstes Kompliment mache und mich in seiner Nähe wohlfühle. »Soll ich dir noch eine zeigen?«

      Er nickt und wir rücken von der Brüstung ab. Jetzt kann ich ihm beibringen, wie er in wenigen Drehungen seine beiden Hände über den Nacken der Tanzpartnerin gleiten lassen kann.

      Er lernt schnell, ist begeistert und mein Herz rast, als er innehält. Mit seinen Händen in meinen Nacken bleibt er stehen. Seine reizvollen Augen sehen mich intensiv an.

      Verlegen rutsche ich ab und stelle mich wieder an die Brüstung. Mit dem Handtuch trockne ich unnötigerweise mein Haar und Yanick geht hinein.

      Kapitel 6

      »Was heißt Entschuldigung auf Russisch?«, ruft er von drinnen. Türen klappern. Sicher ist er in der Küche.

      »Es gibt für jeden Anlass eine andere Art sich zu entschuldigen«, sage ich versonnen und kämme meine Haare mit den Fingern.

      »Sag etwas. Egal was!«

      »Du magst russisch?«, frage ich.

      »Ich hatte mal eine russische Freundin. Ja, ich höre die Sprache gern.«

      »Und ich erinner dich an sie?«

      Er lacht wieder bezaubernd. Es klingt sehr dicht. In Gedanken bin ich an einem anderen Ort. Zu unwirklich ist meine Anwesenheit hier.

      » Я хотел жениться на тебе - Ya khotel zhenitsya na tebje«, sage ich ganz leise und sehe ihn an der Terrassentür stehen.

      »Warte! Sag nicht, was es heißt! Ich werde JA sagen.« Ich verfolge seine hastigen Schritte auf mich zu. Er überwindet hastig den letzten freien Raum zwischen uns.

      Ehe ich mich versehe, liegen seine Lippen auf meinen. Er wartet zurückhaltend ab, wie ich reagiere. Ich berühre mit meiner Hand seine Wange und erwidere fordernd. Für wenige Millimeter öffne ich den Mund dabei. Er nimmt es wahr, drängt sich an mich und küsst drängender, bis ihm die Luft fortbleibt.

      »Ich werde Ja sagen«, wiederholt er leise und umarmt mich erneut für einen schönen, innigen Kuss. Ich zerfließe wie Eis in der Mittagssonne und schmiege mich in seine Arme.

      Er hat mich sicher hergebracht um mit mir … Meine Gedanken sind still, denn ich wäre eine schlechte Lügnerin, wenn ich es bestreiten würde.

      »Du weißt nicht, was ich dich gefragt habe und sagst ja?«, erkundige ich mich mit weichen Knien und hämmernden Herzen. »Du bist entweder mutig oder leichtsinnig. Das könnte dir doch auch zum Verhängnis werden.«

      »Du wolltest doch eine Antwort. Die hast du bekommen. Ob du sie mutig oder leichtsinnig findest, ist deine Sache.« Wieder sucht er meinen Mund, doch er kommt nicht so weit. Unmöglich mit meinem Kopf voller Unruhe zu schweigen.

      »Wie habt ihr euch mit den Losen abgesprochen?«, frage ich.

      »Gar nicht. Kai hatte deins in der Hand, als er die Lose in der Vase gemischt hat und legte es anschließend oben auf. Hätte ich es nicht gewollt, hätte ich anderes greifen können«.

      »Hast du aber nicht.«

      »Habe ich aber nicht«, sagt er und sein warmer Atem streift über meine Wange. Ich muss meine Augen schließen. Es fühlt sich so unwirklich in seiner Nähe an. Ganz sicher hatte er mich mitgenommen um …

      »Wie hat er das aus der Küche erfahren?«, frage ich an seine Stirn gelegt. Er riecht spektakulär und betört schließe ich meine Augen. Gleich würden wir …

      Yanick rückt meinen Oberkörper an. Seine Augen wandern über mein Gesicht. Ich betrachte es mir. Er antwortet nicht und