Karina Förster

Spring!


Скачать книгу

      Yanick musste mich überaus verzückt angesehen haben. Sein Blick verändert sich und wird ernst. Fast schon beängstigend und ich möchte mich jetzt besser aus seiner Umklammerung lösen. Doch das geht nicht. Er hält mich an sich gedrückt und engt mich damit ein. Je mehr ich versuche, von ihm abzurücken, desto fester wird sein Griff. Seine Augen mustern mich dabei vergnügt. Unmöglich auch nur eine Handbreit von ihm abzurücken.

      »Was sagst du? Du stammst aus dem gleichen Gestüt wie Ninette?«, raunt er mir zu:

      Jetzt hat er meine Aufmerksamkeit, denn ich stehe still und spitze meine Ohren. Er legt seinen Kopf leicht schief, als ob er skeptisch ist. Eine Ewigkeit sieht er mir so an und sucht in meinen Augen etwas.

      Mir wird flau, denn ich weiß, dass er gleich etwas sagen wird, was einem Faustschlag gleichkommt. Ich halte still. Gut. Augen zu und durch. Ich bemühe mich, ihn freundlich anzulächeln, habe aber eher das Gefühl, dass ich mir das nur einbilde.

      »Mag sein. Wer aber genau hinsieht, erkennt, dass deine Nuancen sehr viel eher aus einem Edelgestüt stammen.«

      Ich spüre förmlich, wie mir alle meine Gesichtszüge entgleiten. Obwohl sich sein Griff um mich löst, kann ich mich nicht bewegen. Es ist unglaublich! Mit allem habe ich gerechnet, damit nicht.

      Er hat mit mir gespielt, als wäre ich eine dumme kleine Göre. Er hat mich ertappt, mich durchschaut und mein Spiel gegen Ninette sogar noch mitgespielt! Wollte sogar mitspielen.

      Wer war hier auf wen hereingefallen?

      Ich will ihn von mir wegstoßen. Aber er bewegt sich keinen Zentimeter. Stattdessen katapultiere ich mich einen Schritt zurück. Irritiert sehe ich ihn an. Er lächelt nach wie vor. Dreist wie vorhin auf der Brücke sehen mich seine flammenden Augen an, als wäre ich ein Lustobjekt.

      »Dein Platinpudel ist sauer«, belle ich in sein gebräuntes Gesicht. Ich bin mir ganz sicher, auch er bekommt immer das, was er sich wünscht. Das Problem bei Menschen, die Geld besitzen, ist, dass sie Kriecher und Schmeichler gewöhnt sind, die alles für einen kleinen Anteil am Reichtum tun würden.

      »Ja«, antwortet er sehr gedämpft.

      »Na, dann lauf nur schnell hinterher! Sie ist sicher in der Küche und wartet dort mit gespreizten Beinen auf der Arbeitsplatte«, zische ich ihn an und trete seitlich an ihm vorbei. Ich rempele ihn absichtlich an und verleihe damit meiner Verachtung Ausdruck.

      Kapitel 5

      Verärgert lasse ich ihn hinter mir stehen und gehe zu Lisa, die mit einem hochgezogenen Bein an der Hauswand gelehnt steht und mit Kai flirtet. Er lächelt, als er mich kommen sieht.

      »Das war ja mal ne Einlage, kleine Springerin.«

      »Ja«, stimmt Lisa schmunzelnd zu, »Und um einiges grandioser, als auf dem Steg. Alle hatten Stielaugen.«

      »Na ja«, säuselt Kai und lacht erheitert auf, »wenn du das so umschreibst.«

      Lisa stößt ihn wegen seiner Anspielung liebevoll an. Im selben Moment wird nach ihr gerufen. Sie sieht uns entschuldigend an, eilt zu ihren Gästen und lässt mich mit Kai stehen, der noch immer breit grinst.

      Wie kann er so unschuldig aussehen und es doch so faustdick hinter den Ohren haben?

      »Hallo Kuppler, äh Kai«, beginne ich.

      »So garstig. Meinetwegen? Nein!«

      Ne, klar. Er ist die Unschuld vom Lande!, verfluche ich ihn innerlich.

      »Warum hast du das gemacht?«

      »Lisa mag Ninette nicht.«

      Verächtlich schnaube ich aus und stelle mich von einem Bein auf das Andere. Hat er echt keine bessere Ausrede? »Das ist sicher nicht schwer. Aber was hat das mit mir zu tun? Benutzt ihr mich, Kai?«

      »Nein Ella. Ich kenne Nicky und Lisa, seit ich denken kann«, beginnt er zu erklären und führt mich zu einem freien Platz. Dort setzen wir uns. »Ich kenne die ganze Familie. Mit Nicky und Lisa bin ich zur Schule gegangen. Wie du sicherlich bemerkt hast, ist die Familie nicht gerade … unvermögend. Ninette weiß das und kreist wie ein Geier über Nicky. Sie ist so skrupellos, dass sie es sogar geschafft hat, seine Freundin abzusägen. Nun will sie auf die vakante Position und ist dabei sehr unbeirrt und kontinuierlich.«

      »Wo ist da das Problem?«, entgegne ich spitz, weil es doch genau genommen Yanicks Sache ist, mit wem er zusammen ist. Irgendetwas muss er doch an dieser Pudeldame finden, weil er sich auf eine schnelle Nummer in der Küche mit ihr einließ. »Vielleicht mag er Ninette ja!«

      Kai lacht schallend auf und es klingt weit mehr als vergnügt.

      »Ella. Glaub mir, er mag sie nicht. Er vögelt sie, mag sein. Aber er mag sie nicht.«

      Sein Gesicht wird ernst und er sieht über die Terrasse. Ich folge zögernd seinem Blick und sehe Yanick. Er unterhält sich mit einem Gast. Sein Lachen dringt bis hier herüber.

      Es klingt nicht unsympathisch oder aufgesetzt, eher echt und entspannt. Er ist wie alle anderen Gäste hier auf dem Hausboot. Und doch … vorhin in der Küche …

      Kai nimmt meine Hand und ich sehe wieder zu ihm. Seine Lider sind geschlossen und eine kleine Falte um den Mund zuckt. Verzückt hebt er eine Augenbraue, als er sagt: »Du arbeitest mit Kindern?«

      »Ja. Sieht man mir das an?«

      Kai antwortet nicht, sondern spricht leise weiter: »Sie sind für dich der Inbegriff von Leben und Liebe.«

      Ich sehe zu unseren Händen und denke, dass wir da einer Meinung sind. Es gibt wenige Menschen, die es anders finden und so schätze ich Kai nicht ein.

      »Ella«, sagt er und öffnet die Augen, »du bist das perfekte Geschenk.«

      Er legt theatralisch seine Hand an sein Herz und ich vermute, dass Lisa ihm von meiner Abfuhr erzählt hat. Sie betrachtet mich ja als ihr Geschenk.

      »Es tut mir sehr leid, dass du deinen Großvater verloren hast und er diese zweite Lücke in deinem Leben hinterlassen hat.«

      »Woher …«, stottere ich und setze mich aufrecht. Er spielt mit mir und nun kennt er den Punkt, bei dem ich anspringe. Fast hätte ich ihm geglaubt und ich entreiße ihm schnell meine Hand.

      »Höre auf! Das ist nicht lustig.«

      »Nein, hilfreich. Nützlich manchmal. Und manchmal sogar bequemer.«

      »Inwiefern?«

      »Liebes, dir das zu erklären, würde mich Stunden kosten. Und selbst dann würdest du es aller Voraussicht nach nicht begreifen. Also lassen wir das Thema. Okay?«

      Ich bin dabei.

      »Du und Lisa, seid ihr … zusammen?«, wechsele ich das Thema.

      »Ich sage es mal so: Wir teilen einige Lüste. Aber zusammen sind wir nicht. Wir lassen uns offen für verschiedene Menschen«, erwidert er.

      »Ihr seid komplett schräg, aber irgendwie mag ich euch«, antworte ich. »Schön, dass ich gesprungen bin und hier sein kann.«

      »Ja. So ist es, liebe Ella. Schön, dass du gesprungen bist. Schlicht und einfach nur schön. Ich gehe mal zu Lisa und werde sehen, ob ich ihr etwas helfen kann.«

      »Gut«, sage ich nickend und Kai steht auf. Er greift mein Kinn und sieht mir mit seinen grauen Augen in meine. Er streichelt meine Wange und das fühlt sich wie in aller Selbstverständlichkeit an, als wären wir seit Ewigkeiten Freunde. Danach schlenderte er zu Lisa, die am Buffet steht und Teller sortiert. Helfend nimmt er einen Stapel Teller und trägt sie in seine Küche.

      Die Reihen der Besucher lichten sich schon und unschlüssig erhebe ich mich ebenfalls. Ich möchte ungern die Letzte sein, die dieses Boot verlässt. Yanick hat den Shuttle zum Festland übernommen, legt im Augenblick wieder an und holt die nächsten Gäste ab, die sich herzlich