Karina Förster

Spring!


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Jahre meines Lebens gekostet. Zwei verdammte Jahre, in denen ich mit Yanick hätte glücklich sein können. Ganz zu schweigen von dem Unrecht, das ich ihn angetan habe. Und das, nur das, wiegt schwer wie Blei an mir.

      Ich habe seine Gefühle getreten, wo ich nur konnte. Ich habe ihm immer miese Absichten, Dekadenz und Arroganz unterstellt. Dabei übersah ich, dass er mich aufrichtig liebt und es auch gezeigt hat. Er wollte mit mir zusammen sein und hat immer vergeblich versucht mir zu zeigen, wo mein Dorn sitzt. Zur Krönung für seine Bemühungen habe ich meine Schwangerschaft erschlichen, verschwiegen und ihm jede Möglichkeit einer Beziehung zu seinem Sohn beraubt.

      Und dennoch …

      Trotz allem …

      Er hatte mich gebeten zu ihm zu kommen.

      Das Arschloch von und zu.

      Der Mann, der mich trotz meiner Schwächen, Eitelkeiten und Sturheit aufrichtig liebt, wie einen edlen, raren Tropfen, der einmalig ist und genossen werden muss, will mich. Egal wie exorbitant der Preis für ihn ist. Yanick hat der Preis nie gereut, den ich ihm in Form von Unrecht, Schmerzen und Leid zugefügt habe. Dornen über Dornen.

      Wie soll ich je wieder in seine Augen sehen können?

      Wie?

      »Ella! Verdammt. Was machst du?«, fragt Uta.

      Aus meinen Gedanken gerissen, drehe ich mich um und schlurfe in die Küche. »Ich suche mir jetzt ein dunkles Loch und versinke vor Scham darin«, murmele ich.

      Uta springt hoch und holt mich ein. Sie hält mich am Arm und in ihrem Gesicht steht Sorge.

      »Was?«, schreie ich. »Ich will jetzt sofort im Erdboden versinken! Ich suche mir jetzt verdammt noch mal eine tiefe Stelle, an der das möglich ist!«

      Über meine Stimmgewalt selbst erschrocken, sehe ich in Utas weit geöffneten Augen. Sie werden weich. Seit zwei Jahren bin ich praktisch stumm. Und nun stehe ich hier und schreie, wenn auch heiser.

      Mir verschwimmt alles vor lauter Tränen. Meine Nase läuft. Der Mund zittert. Ich habe unendliche Scham dem Mann gegenüber, dem ich so viel Unverzeihliches angetan habe.

      »Gut. Mach das«, flüstert Uta besänftigend. Sie berührt mich an den Armen und schaut mich an. Mit beängstigend ruhiger Stimme fügt sie an: »Ich helfe dir beim Suchen. Aber erst erzählst du mir alles!«

      Ich keuche und wische mit meinem Handrücken die Tränen aus der Nase fort. Nickend lächele ich meiner Freundin ins Gesicht. Sie freut sich, dass ich ruhig bleibe. Sie freut sich, dass ich wieder spreche. Mit ihrer besonnenen und liebevollen Art hat sie geschafft, mich wach zu küssen, ohne mich für meine Emotionen zu tadeln. Eine klasse Erzieherin.

      Gemeinsam stehen wir in meinem Flur und lachen uns schlapp. Vor Schmerzen halten wir uns unsere Bäuche. Endlich wieder miteinander zu lachen ist ein sehr überwältigendes Gefühl. Ehrlich gesagt, ich habe es sehr vermisst.

      »Komm! Wir sehen mal nach, ob klein Yanick sich über seine laute Mama erschrocken hat oder ob er wie ein braves Baby schläft. Danach mache ich uns was zu essen und du erzählst mir alles. Okay?«

      Ich steuere auf das Schlafzimmer zu, öffne die Tür und gucke durch den Spalt in das Kinderbett. Alles ist still. Ich schlüpfe durch die Tür und schleiche zum Bettchen. Babygeruch steigt in meine Nase, als ich mich über das hübsche Kind beuge, dass ich so sehr liebe. Vorsichtig berühre ich ihn am Bauch und fühle, wie sich sein Brustkorb hebt und senkt.

      Uta erscheint neben mir und sieht ebenfalls durch die Dunkelheit zu Yan hinab.

      »Ein Goldkind«, stellt sie fest und zieht sich leise zurück.

      »Ganz der Vater«, murmele ich und decke ihn zu.

      Kapitel 16

      In der Küche treffe ich Uta an, die begonnen hat zu kochen. Ich setze mich an den Tisch und helfe bei den Schneidearbeiten. Dabei erzähle ich Uta von den Ereignissen, nachdem ich vom Steg gesprungen war. Aufmerksam hört sie zu. Einiges ist ihr bereits bekannt und sie nickt dann. Jetzt erzähle ich im Zusammenhang und immer wieder sieht Uta verblüfft von ihrer Arbeit hoch.

      »Du dachtest also, er erzählt dir was von neu anfangen, um dann … bei sich zu Hause … mit dir …?«

      Einmal Zwinkern.

      »Und wenn er dir von der Wette mit Lisa gesteht, bekommt er dich schneller rum, weil er ja so ein Netter ist. Um zu gewinnen?«

      Einmal Zwinkern.

      »Komm schon! Das dachtest du vielleicht im ersten Moment. Doch aber nicht im Zweiten?«

      »Jein. Ich meine, alle Ereignisse waren so komisch. Ich ging davon aus, dass sie sich abgesprochen haben.«

      Uta lässt Fett in einer Pfanne zerlaufen und rührt mit einem Holzlöffel die Zwiebeln ein. Es brutzelt und riecht aromatisch würzig in der ganzen Küche.

      »Er erzählte mir, wie Kai ihm mein Los für den Tanz sichtbar in die Vase gelegt hat und es seine Wahl wäre, ob er mich losen will. Dann das Channeling, welches ich als abgekartetes Spiel deutete. Was hättest du gedacht?«

      »Ich hätte gefragt, Ella. Moment, im ersten Video hat er doch auch zu Yanick gesagt: Deine Wahl.«

      Ja, ich habe nicht gefragt. Dabei klingt es so einleuchtend, was Uta sagt. Ich hätte gefragt. Vor mir liegt der Schreibblock, den ich heranziehe.

       Genau genommen hat Yanick sich gefreut, dass ich nicht mit Lisa und den Anderen rum machen wollte.

      Uta beugt sich über meine Zeilen und nickt. Ich schreibe weiter. Dann bin ich quer über den Rasen, weil ich über die gestandene Wette so außer mir vor Wut war. Dabei war sein erster Kuss so …

      Uta liest und knickt ihren Kopf kurz zur Seite. Sie lächelt mich an. »Wie eine Furie, was? Ich stelle mir das gerade bildlich vor. Du in einem Bikini quer über den Rasen latschend auf einem noblen Villengrundstück.«

      Ihre Hand hebt sich theatralisch und durch die Luft bewegt sieht es aus, als zitiert sie einen Werbeslogan. Ich werfe meinen Kopf in den Nacken. Ja, so absurd sah es sicherlich aus. Heute kann ich auch darüber lachen.

      »Und Yanick hinterher«, ergänze ich.

      Uta prustet los und rührt die Zwiebeln weiter um.

      Wenn ich so nachdenke, verstehe ich, was er im Brief damit meinte, als er sagte, ich habe ihn nicht einmal zu Wort kommen lassen. Ich habe ihn sogar als Kabjel beschimpft , schreibe ich und schiebe Uta die Zeilen zum Lesen hin. Die kommt zum Tisch und sieht auf den Block.

      »Ich bin total durchgedreht«, flüstere ich und sehe ihr zu, wie sie nun das Gemüse in die Pfanne legt.

      »Wer will dir das Verübeln?«

      »Blind vor Zorn?«, frage ich leise.

      »Das passiert. Ich kann es mir nur so erklären, dass es für dich wie ein tiefer Fall gewesen sein muss. Ich meine, erst Party, alles schick. Dann so was. Ich hätte auch gedacht, dass die so was von versnobt sind.«

      Ja, das dachte ich , schreibe ich auf das Papier. Ich warte geduldig, bis Uta sich wieder zum Tisch umdreht und die neuen Zeilen entdeckt. In den zwei vergangenen Jahren habe ich gelernt zu akzeptieren, dass meine Kommunikation zeitverzögert stattfindet.

      Uta liest. »Aber soweit ich weiß, ist er dir nachgelaufen.«

      Sie grinst und hebt den Löffel hoch, der zu mir zeigt. Ich nicke einmal, erinnere mich und lege eine Pause ein. Auf dem Stuhl lehne ich mich zurück. In meinem Blickfeld taucht der gegenüberliegende Stuhl auf.

      Dort habe ich Yanick zugesehen. Genau dort habe ich mich in ihn verliebt. Unsere Herzen schlugen im gleichen Takt und ich habe es gespürt. Ab hier war es Liebe. Doch ich wehrte mich dagegen. Wegen der Wette.

      Seine Augen waren voller Tränen