Karina Förster

Spring!


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Du entschuldigst mich sicher. Ich bin gerade dabei, meine familiäre Angelegenheit zu klären. Und wenn du meinen Sohn noch einmal als Balg bezeichnest …«, er hebt er seine Stimme um eine weitere Lautstärke. Die Gäste horchen auf und sehen neugierig zu Yan, der von seinen Großeltern gehätschelt wird. Er sucht die Stimme und reckt den Kopf, um sie zu orten.

      Yanick senkt seine Stimme, spricht wieder leise und bedrohlich: »… Dann wahre dir Gott!«

      Zornig tritt eine Ader an seiner Schläfe hervor. Sein noch zornigerer Blick lässt die Kinnlade von Ninette sinken. Yanick strafft sich und streicht die Krawatte glatt. Er hat das giftgrün dreinblickende Pudelchen mit einem Tritt aus seinem Leben befördert und dreht sich wieder zu mir.

      Mein strahlend weißer Ritter in seiner strahlend weißen Rüstung.

      Kurz bevor er bei mir ankommt, strecken wir unsere Hände zueinander aus. Wir fliegen uns entgegen. Dann berühren sich unsere Hände und er steht vor mir.

      »Ich bringe dir ein Geschenk zu deinem Geburtstag! Eigentlich zwei. Das eine kam schon zu Weihnachten. Es gehört uns beiden, wie du schon weißt«, sage ich und deute zu Yan. Seine Eltern sehen zu uns. Ihre Gesichter strahlen. Yanick sieht von Yan zu mir.

      Ich ziehe ein Schächtelchen hervor und reiche es ihm. »Das ist das zweite Geschenk und es ist von mir.«

      Er sieht zu meinen Händen und nimmt die Schachtel in Ringgröße entgegen. Bewegt sieht er hinab und öffnet vorsichtig den Deckel. In der kleinen Schachtel liegen zwei Rosendornen und die Träne rollt aus seinen Augen, als er zu mir sieht.

      »Alles Liebe zum Geburtstag, Yanick. Das sind meine. Du kannst deine hundert mit dazu legen«, flüstere ich. In einem Satz ist er bei mir und umschlingt mich für einen hingebungsvollen Kuss.

      An meinem Ohr flüstert er atemlos: »Die perfekten Geschenke!«

      »Es tut mir so unendlich leid, was ich dir angetan habe. Ich habe meinen Maßstab zur Überprüfung in die Werkstatt gegeben. Er war falsch eingestellt und einseitig nummeriert. Bitte bleib. Bleib bei mir an der Kapelle. Bleib bei mir in meiner Wohnung. Bleib bei mir in Warnemünde und für eine gemeinsame Zukunft bei mir.«

      »Du bist gesprungen und ich wäre ein Narr, wenn ich das nicht auch wollen würde. Es bedeutet mir alles, dass du gekommen bist, Ella.«

      Er besiegelt seine Worte mit einer festen Umarmung und zieht mich zu Yan.

      Der sitzt mittlerweile bei seiner Großmutter auf dem Arm. Sie zieht mich sofort zu sich und begrüßt mich freundlich: »Du musst Ella sein. Ich habe schon so viel von dir gehört und ich freue mich, dich zu sehen. Ich bin Henriette, Yanicks Mutter.«

      »Hallo, freut mich sehr. Ihr habt euch schon bekannt gemacht?«

      »Ja«, sagt sie und sieht zu Yan. »Er ist so allerliebst. So aufgeweckt und freundlich. Ich mag ihn gar nicht hergeben.«

      »Hallo, klein Yanick! Komm mal zu Papa!«

      Yan lächelt und lässt sich ohne Protest hochheben. Stolz betrachtet er sich seinen Sohn, der ihn immer wieder anlächelt und sein Köpfchen dabei verschämt dreht.

      »Ich sagte doch, dass du eines Tages wunderschöne Kinder haben wirst«, schmunzelt Yanick stolz. Er sieht verliebt zu mir. »Er ist schöner, als ich ihn mir immer vorgestellt habe.«

      Ich betrachte beide und mein Herz schwillt mir über, sie zusammen sehen. Augen sagen mehr als tausend Worte und ich fühle mich im Herzen so voll und reich wie noch nie in meinem Leben. Das ist das Gefühl, dass mir mein Großvater beschrieb. Er schaut ganz sicher auf uns herab und freut sich. Ich schwöre an dieser Stelle inbrünstig, diesen Mann nie wieder auch nur einen Dorn in sein Herz zu stechen. Bis an meine Lebensende.

      »Komm, ich stelle euch vor!«, sagt Yanick und zieht mich zu einer Stelle, von der aus jeder im Saal uns sehen kann. Seine kleine Familie.

      Dort positioniert stellt er mich neben sich. Alle sehen zu uns. Er umschlingt mich und spricht freudestrahlend zu seinen Gästen: »Liebe Familie, liebe Freunde! Ich möchte euch jemanden vorstellen.«

      Lisa unterbricht ihn und kommt eilig zu uns. Kai neben ihr erhebt sich ebenfalls. »Entschuldige bitte Yanick. Wenn du erlaubst, würde ich das gerne übernehmen. Kai und ich haben etwas vorbereitet«, sagt sie.

      Yanick nickt.

      Lisa ist nun bei uns und beugt sich für einen Wangenkuss zu mir. Liebevoll sieht sie zu Yan, streichelt über seinen Arm und besieht sich seine Fingerchen. Dann wendet sie sich an die Gäste.

      »Yanick und ich haben an jedem unserer Geburtstage ein kleines Spiel gespielt. Das Spiel hieß: Wunsch-Geburtstag. Das ging so: Wer das lange Stäbchen gezogen hatte, der war an diesem Geburtstag die Nummer eins. So eine Zwillingssache. Einige von euch können sich sicher an dieses blödsinnige Spiel erinnern«, sagt sie und Ich sehe in nickende und lachende Gesichter. Besonders ihre Eltern stimmen bejahend zu.

      »Seit 2010 ist dieses Spiel Geschichte. 2010 trafen wir Ella, die euch Yanick vorstellen wollte. Auf einem Steg tanzte sie zur dröhnenden Musik, die auf unserem Boot lief. Ich sah sie tanzen und habe so lange gebettelt, bis er umdrehte. Wir waren auf der Stelle verknallt. Na ja und wie ihr seht, hat er sie sich geangelt.«

      Sie deutet mit ihrem Arm auf Yanick und strahlt ihn an. Einige Gäste klatschten begeistert.

      »Was soll ich sagen? Er hat es sogar zum Papa gebracht«, sie streichelt Yan. Der wedelt mit seinem Tuch und schmeißt es Lisa auf den Boden, damit sie es aufhebt. Sie beugt sich elegant und reicht es ihm. »Lange Rede, kurzer Sinn. Ella! Kai und ich haben etwas vorbereitet.«

      Sie nickt Kai zu, der mit einer Fernbedienung das Licht im Saal dimmt und per Beamer ein Video an eine Leinwand projiziert.

      Alle sehen gespannt hin. Die Leinwand zählt von fünf auf null. Dann erscheint mein Name.

      Elisa Eleonora Schmitt.

      Und gleich darauf bin ich zu sehen. Ich stehe im Bikini und mit geöffneten Haaren, auf dem Steg neben Uta. Ich stapfe mit meinen Füßen im Takt. Meine Hände klatschen. Bis zu beiden Ohren strahle ich. Die Bewegungen sind anmutig. Die Hüfte bewegt sich, als ob sie an einer Perlenkette aufgefädelt ist im Kreis. Unglaublich geschickt. Ich bin schön, trotz ollem Bikini. Das ist nicht der springende Punkt. Es ist meine Ausstrahlung. Mein Großvater drückte sich immer so aus. Dein Herz ist zu sehen. Lauthals singe ich den Refrain mit und tanzte vor und zurück, seitlich und vorwärts, wo auch immer Platz ist. Der Steg gehört mir, ist meine Bühne. Ich baue Salsa-Schritte mit ein, die sehr anmutig sind und die Leute auf dem Boot vor Begeisterung ausflippen lassen. Das Typhon ertönt und ich werfe lachend meinen Kopf in den Nacken. Mit wippenden Fingern feuere ich jetzt die Leute auf dem Boot an. Und sie tanzten. Die Kamera vibriert, weil alle auf dem Boot hüpfen und johlen. Ich hopse und hebe meine Hände, woraufhin die Menge noch frenetischer jubelt. Meine überlangen Haare sind offen und wenn ich mich drehe, sieht es aus, als sei eine lächelnde und tanzende Eva eben erst dem Paradies entsprungen. Das Typhon ertönt erneut und ich deute auf das Boot. Von dort ist eine brüllende Horde zu hören, die die ehs und ohs schreit. Dann zeigt mein Finger zu mir und ich ergänze mit aufgerissenen, lachenden Augen die las . Meine Hand schnellt wieder zum Boot. Dort wiederholen alle im Chor die ehs und ohs . Die tanzende Eva spendet klatschend Beifall. Ich habe die Menge in der Hand und mir springt purer Spaß aus den meerblauen Augen.

      Lisa ist vor der Kamera zu sehen, wie sie sich über Bord beugt und ruft: »Kommt rüber!«

      »Ja! Los! Kommt her!«, schreit die hüpfende Menge ihr nach.

      Ein kurzer Blick zu Uta, die neben mir steht.

      »Komm!«, rufen die Leute auf dem Boot immer lauter. Sie übertönen beinahe die Musik. Ich rede mit Uta, die zum Boot zeigt und nickt. Dann drehe ich mich um und setze zum Sprung an.

      Das Bild bleibt stehen. Es zeigt mich, wie ich mit erhobenen Händen, wehenden Haaren, leuchtenden Augen und lachenden Mund vom Steg abhebe und … springe.