Hans J. Unsoeld

Querschnitte


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href="#uaa30e233-8ed1-51dd-92e7-e6b91129cda7">Liebe

       Austausch

       Kommunikation

       Demut

       Asymmetrie

       Alles beeinflusst

       Über die Ostsee

       Impressum

       Querschnitte

       Inhalt

       Teil 1 Außenseitergedanken

       Teil 2 Kulturelle Entwicklungen

       Teil 3 Fragmente

       Teil 4 Gereimtes und Ungereimtes

       Vorbemerkung

      Die Essays in dieser Zusammenstellung sollen zunächst die eigene gedankliche Entwicklung etwa der letzten zwanzig Jahre umreißen, sind aber sicher auch ein Spiegel der Zeitströmungen, insbesondere der Rückwirkungen der rasanten Entwicklung auf den verschiedensten Gebieten. Während in den Erzählungen des Buches “101 Nachkriegsnächte” persönliche Erlebnisse berichtet wurden, in denen als Folge des Zweiten Weltkriegs nach einer etwa zwölfjährigen Amnesie der heftigsten Ereignisse noch lange eine multipolare Struktur das beherrschende Bild bleibt, wird hier gezeigt, zu welchen Folgerungen abseits vom Establishment und den Institutionen das geführt hat. Sicher sind die folgenden Beiträge auf den ersten Blick genauso zersplittert wie die in jenem Buch geschilderten Episoden,- das Wort Dekonstruktivismus liegt auf den Lippen,- doch dürfte es durchaus möglich sein, dahinter neue Positionsbestimmungen als verbindenden roten Faden zu erkennen. Bewusst werden diese Essays deshalb in der nur lose verbundenen Form wiedergegeben, wie sie nacheinander geschrieben worden sind. Das beginnt beispielsweise mit einigen einfachen mathematischen Darstellungen, wobei der Leser gebeten wird, sich nicht davon abschrecken zu lassen. Ist die schlechte mathematische Bildung unserer Generation, etwa im Vergleich zu USA, nicht auch ein Anlass zum Nachdenken?

      Es lässt sich hoffentlich deutlich machen, dass eine multipolare (grob gesagt: scheinbar zu vielseitige) Persönlichkeitsstruktur absolut nicht unbedingt etwas krankhaftes ist, was man eigentlich therapieren müsste, sondern dass dahinter eine Anpassung und Schlussfolgerungen aus einer Zeit stehen, deren tiefe Problematik uns selbst damals noch gar nicht völlig bewusst war. Diese Folgerungen können aber in vielen Fällen neue Wege weisen, ohne dabei zum heimlichen Missionar werden zu wollen. Die Art, wie diese Erfahrungen jetzt in unserer konsumwütigen Welt schon wieder verdrängt werden, dürfte viel eher krankhaft sein.

      Bei einigen der anschließenden Schlussfolgerungen, welche Fragen der Kosmogonie berühren, ist inzwischen (2013) klar, dass sie sich in dieser Form nicht aufrecht erhalten lassen. Doch die ins Auge gefassten Ideen bleiben davon im wesentlichen unberührt. Daher und weil es hier auch um die Entwicklungsgeschichte von neuen Vorstellungen geht, werden dennoch die betreffenden Essays meist unverändert wiedergegeben, ohne auf eine aktuelle Richtigstellung Wert zu legen. Die entscheidenden und weiterhin aufrecht erhaltenen Punkte über Naturphilosophie sind im letzten Abschnitt des ersten Teils wiedergegeben.

       Teil 1 Außenseitergedanken

       Das Janusgesicht der Welt

      Uns ein „Bild“ von dieser Welt zu schaffen, ein „Weltbild“, war und ist ein alter Wunschtraum der Menschen. Je nach unserer persönlichen oder gesellschaftlichen Grundeinstellung verhalten wir uns dieser Frage gegenüber entweder eher skeptisch oder aber wir sind von ihr fasziniert. Mancherorts geht diese Polarisierung soweit, dass es entweder unerlaubt scheint oder gemacht wird, uns ein Bild von dieser Welt zu machen. Auch heute noch sind die Bilderstürmer sicher nicht ausgestorben. Andere fordern umso vehementer, dass wir uns mehr damit beschäftigen sollen. Was hat es damit auf sich?

      Wovon man redet, davon soll man klar reden, sagte Ludwig Wittgenstein (1889 - 1951). Was meinen wir mit den hübschen Worten „Welt“ und „Bild“? Wollen wir etwas sinnvolles sagen, so müssen wir klare Definitionen haben..

      Schon befinden wir uns auf gefährlichem Glatteis; denn so einfach ist dies gewiss nicht. Das mag natürlich sofort die Skeptiker bestärken. Doch machen wir es ihnen nicht gleich zu einfach, indem wir sofort aufgeben, sondern setzen uns erst einmal auf den Schlitten von nahe liegenden simplen „Definitionen“ (ja was sind eigentlich Definitionen, - wer liefert uns da mal schnell eine Definition?) und sagen wir folgendes:

      Unter der „Welt“ sei ALLES verstanden, was es gibt. Mit „Bild“ aber sei eine ABBILDUNG im Sinne einer mathematischen Projektion gemeint. Jedem realen Punkt soll möglichst eindeutig ein Punkt in einer Darstellung zugeordnet sein, was für eine Darstellung das auch sein möge. Populär gesprochen läuft das auf eine pure BESCHREIBUNG der Welt hinaus. So soll eine sinnvolle Abgrenzung gegen Fantasieprodukte auf der einen Seite und gegen Ideologien auf der anderen Seite erreicht werden.

      Traditionell beginnen die meisten Versuche, sich ein Bild von dieser Welt zu machen, damit, etwas über ihren Anfang - über die „Schöpfung“ - sagen zu wollen, was aber vielleicht das aller schwierigste oder gar etwas unmögliches ist.

      Über die Entstehung der Welt wurde eh und je und wird auch heute noch viel nachgedacht und geredet und geschrieben. Doch lässt sich, wenn wir uns an die soeben getroffenen Abmachungen und Definitionen halten, schlicht und einfach nichts von Bedeutung darüber sagen. Denn kein Wesen und kein Teil eines solchen kann etwas über seine eigene Geburt sagen. Das gilt für alle Teilwesen dieser Welt genauso für das Gesamtwesen, - eben diese unsere Welt. Jede Schöpfungsgeschichte und jede Kosmogonie wird also nie die Entstehung der gesamten Welt beschreiben können, sondern nur von Teilen der Welt.

      Diese Erkenntnis ist so einfach, dass nur wenige sie bisher verstanden haben. Regen wir uns nicht weiter darüber auf? Bleibt uns doch der Trost, dass wir über die Teilwesen mehr sagen können. Schließlich ist die gesamte Welt die Summe aller Teilwesen. So bleibt die Hoffnung, dass für sie auch gilt, was für alle Teilwesen gilt.

      Von der Entstehung der natürlichen Dinge, der Lebewesen und der Menschen selbst haben Naturwissenschaftler heute recht klare Vorstellungen. Doch wie steht es mit solchen „Dingen“ wie Kultur, Religion, Kunst und Geisteswissenschaften? Sie alle scheinen als Zwilling geboren zu sein. Es gibt, wenn wir uns auf die wesentlichen Grundzüge beschränken und lokale Nuancen außer acht lassen, östliche Kulturen und westliche, östliche Religionen und westliche, östliche (orientalische) Kunst und westliche.

      Nur die Naturwissenschaften scheinen eine Ausnahme zu spielen. Hier fällt es schwer, westliche und östliche Versionen zu finden. Genau sie liefern uns heute im wesentlichen unsere Vorstellungen von der Entstehung und den Eigenschaften der Dinge. Diese scheinen überall dieselben zu sein.

      Fast jeder, der naturwissenschaftliche Methodik kennt, hat das unbewusste Gefühl, dass die Naturwissenschaften im Grunde auch ein Kind des Westens sind. Woran liegt dies? Kommt dies nur daher, dass die Naturwissenschaften mehr oder weniger zufällig eben hauptsächlich im Westen entwickelt worden sind, oder gibt es dafür einen tiefer liegenden Grund?

      Ein ganz entscheidender Punkt war, dass sich im Westen das Denken in Funktionen (“ein funktionelles Denken”) etabliert hat. Die einfachste Form, das mathematisch auszudrücken, lautet:

      y = c0 + c1 * f(x)