Dennis Blesinger

Eine Idee macht noch keinen Roman - Wie entwickle ich eine Geschichte?


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2) Essay

      Diese Synopsis baut man jetzt aus, und zwar auf ungefähr ein bis zwei Seiten. Jedes Wort, jeder Satz der Synopsis wird genommen und ein wenig ausgewalzt. Aus jedem Satz wird schnell mal ein ganzer Absatz.

      Hier werden im Gegensatz zur Synopsis auch die Charaktere erwähnt, die wichtig für die Geschichte sind. Natürlich nicht in aller Ausführlichkeit, aber zumindest namentlich.

      Am Ende des Ganzen sollten folgende Dinge klar werden: Was passiert da grob, wer ist involviert und wohin führt das Ganze? Das Ergebnis sollte man nicht nur selber verstehen, sondern dies gilt auch für alle, die das Ergebnis lesen könnten und von der eigentlichen Idee noch nie etwas gehört haben.

      Das Ergebnis wird dann das, was man gerne mal als Essay oder auch Pitch bezeichnet. Man kennt das vielleicht noch aus Englischunterricht in der Schule. Und wie auch damals gilt hier: So lang wie nötig, so kurz wie möglich. Oder auch: Fakten! Fakten! Fakten!

      Alles, was wirklich wichtig für die Story ist, muss hier auftauchen. Nebenhandlungen eher nicht, das würde den Rahmen dieser Zusammenfassung sprengen. Wichtig ist hier, sich einmal zu überlegen, was denn wirklich wichtig für die Geschichte ist. Nebenhandlungen sind eine tolle Sache und im Endeffekt wichtig für die Dramaturgie, aber ohne eine funktionierende Haupthandlung nützt die beste Nebenhandlung nichts. Entsprechend wird sich hier auf die Haupthandlung konzentriert.

      Wenn man jetzt schon Schwierigkeiten hat, zu bestimmen, was denn die Haupt- und die Nebenhandlung ist, wird man später ernsthafte Schwierigkeiten bekommen. Und auch ohne die Nebenhandlungen kriegt man die beiden Seiten schneller voll, als einem lieb ist.

      Das Ergebnis ist das, was die meisten Verlage und auch Agenturen haben möchten, wenn man bei ihnen vorstellig wird. Dort wird es meisten Exposé genannt, aber der Definition nach sind Exposés länger. Auf den entsprechenden Internetseiten stehen eigentlich immer die gewünschten Längen des Exposés. Daran sollte man sich halten.

      Da dieses Essay/Exposé das ist, wonach die Verantwortlichen entscheiden, ob sie dem Werk überhaupt eine Chance geben, sollte es also wirklich aussagekräftig sein, den Geist des Werkes widerspiegeln und kurz und knackig sein. Die Lektoren dieser Verlage kriegen jeden Tag Dutzende dieser Zusammenfassungen auf den Tisch und wollen und können einfach keine 30 Seiten pro Buch lesen. Das kommt später, wenn das Essay gefällt.

      Dasselbe gilt für Drehbücher. Romane haben gerne mal 400 Seiten, Drehbücher gerne 150. Selbst wenn man das querliest, dauert es Stunden, sich so etwas durchzulesen. 2-3 Seiten, die die Handlung ordentlich zusammenfassen, sind hingegen eine ganz andere Nummer.

       3) Exposé

      Dann nimmt das Essay und baut es wiederum aus.

      Jeder Satz, jeder Absatz, der eine Szene oder ein Kapitel beschreibt, wird detaillierter beschrieben. Da kommen noch keine Dialoge vor. Wenn überhaupt, macht man sich die als Anmerkungen. Das passiert in der Phase aber meist von selber und ist auch gut so. Die ersten Szenen gewinnen auf diese Weise an Substanz und man kann sich schließlich nicht an alles erinnern, was einem beim Schreiben jemals durch den Kopf geschossen ist.

      Jetzt kommen auch die Nebenhandlungen ins Spiel und werden in die Haupthandlung eingeflochten. Damit man nicht den Überblick verliert, werden hier gerne mal die ersten Querverweise innerhalb des Dokumentes angelegt.

      Dabei heraus kommt dann meistens etwas in der Länge von 10-20 DinA4 Seiten, je nach Länge und Komplexität des endgültigen Buches, und das nennt man dann bei Büchern oft Exposé, bei Drehbüchern Treatment. Wohlgemerkt, diese ca. 15 Seiten beziehen sich nur auf das eigentliche Dokument. Bei meinen Vorfassungen zum Buch OMMYA haben die gesammelten Anmerkungen am Rand ungefähr noch einmal knapp 10 Seiten eingenommen. Wohlgemerkt bei Schriftgröße 8.

      Die Geschichte steht jetzt. Alles, was auch nur ansatzweise wichtig für die Handlung ist, wurde hier zumindest schon einmal angerissen. Was hier nicht drin ist, schafft es auch meistens nicht ins Buch. Und daran sollte man sich halten. Mehr dazu unten.

      Manche Verlage nehmen auch diese Kurzform des Romans, um sich einen ersten Eindruck zu verschaffen, aber wie oben schon gesagt, für eine erste Vorstellung ist es eigentlich schon zu lang.

      Ganz hilfreich sind bei dieser Phase verschiedene Methoden. Man kann die Geschichte schlicht und ergreifend der Reihenfolge nach aufschreiben. Das hat den Vorteil, dass die Struktur sehr schnell klar wird, weil man sich nämlich ernsthafte darüber Gedanken machen muss, was als Nächstes passiert.

      Zettel und Stift sind für viele eher ungeeignet für diese Methode, es sei denn, man ist extrem konzentriert und methodisch bei der Sache und schreibt erst dann weiter, wenn man sicher ist, dass zwischen Kapitel 1 und Kapitel 2 nichts mehr passieren wird.

      Auf dem PC kann man die Reihenfolge der verschiedenen Szenen und Elemente recht schnell umstellen oder auch mal etwas hinzufügen, ohne das komplette Dokument noch einmal von vorne beginnen zu müssen. Dafür ist es im Vergleich mit der Papiervariante schnell unübersichtlicher.

      Man kann die einzelnen Szenen entsprechend auch unabhängig voneinander entwickeln, sollte dann aber schon irgendwo (siehe oben, Exposé/Essay) eine Struktur der Geschichte haben, nach der man dann die einzelnen Bausteine zusammenfügt. Diese Methode birgt das Risiko, dass man zum Schluss mit lauter Füllszenen da sitzt, die man schreiben muss, um die einzelnen Szenen miteinander zu verbinden.

      Da ich persönlich in dieser Phase gerne mit Zetteln arbeite, weil ich auf dem PC irgendwann die Übersicht verliere, bin ich immer ganz gut mit der Karteikartenmethode gefahren.

      Für jede Szene nimmt man eine Karteikarte und schreibt drauf, was passiert. Allein aufgrund des Platzes muss man sich jetzt schon mal konzentrieren. Haupt- und Nebenhandlungen kriegen vorzugsweise verschiedene Farben.

      Diese Karten bzw. Szenen klebt man dann neben- und untereinander an eine Wand und kriegt so einen guten Überblick darüber, wie denn z.B. so die Mischung zwischen Haupt- und Nebenhandlung ist und und kann bei Bedarf die Reihenfolge relativ einfach ändern, überflüssiges raus nehmen oder neue Szenen dazu schreiben.

      Wie auch immer man arbeitet: Während dieser Phase überlegt man sich, ob eine einzelne Szene, diese spezielle Nebenhandlung oder auch nur dieser eine Aspekt der Haupthandlung überhaupt wichtig für die Geschichte ist. Das ist bei Drehbüchern noch viel wichtiger als bei Büchern, aber allgemein gilt: Wenn man eine Szene raus nimmt und die Geschichte funktioniert immer noch genauso gut, dann sollte man sich fragen, warum die Szene / der Handlungsstrang überhaupt drin ist.

      Das klappt bei der Karteikartenmethode besonders gut, wenn man irgendwann eine dieser Karten in der Hand hat, nicht genau weiß, wo man sie hin kleben soll und feststellt, dass das ganze Gebilde auch so funktioniert.

      Ganz brutal gesagt: Was die Handlung nicht weiter bringt, fliegt raus. Ganz häufig sind Szenen in Büchern oder Filmen zu finden, von denen zumindest ich denke, dass sie völlig überflüssig sind. Wahrscheinlich hat der Autor es jedoch nicht übers Herz gebracht, diese tolle Idee einfach auf den Müll zu werfen.

      Ein, wie ich finde finde, hervorragendes Beispiel hierfür – und ich liebe die Bücher – ist der fünfte Band von Harry Potter. Mal abgesehen davon, dass ich finde, dass das ganze Buch viel zu lang ist: Allein die Szenen zum Schluss, in denen Harry und Co. durch die verschiedenen Abteilungen für experimentelle Magie laufen sind zu viele, sie sind zu lang und wären überhaupt nicht notwendig gewesen, um zu zeigen, dass Harry und seine Freunde gerade mächtig in Gefahr schweben. Sie bringen die Geschichte in keiner Form weiter. Ich vermute einfach mal, dass in diesem Falle der Lektor / der Verlag bei Ms Rowling ein bis fünf Augen zugedrückt hat.

      4) Idealerweise macht man das Ganze jetzt noch einmal und heraus kommt dann ungefähr der halbe Roman bzw. 30-50 DinA4 Seiten.

      Jede Szene ist jetzt detailliert beschrieben worden, das Dokument strotzt nur so von Anmerkungen, die Dialoge, Szenenbeschreibungen oder auch schon mal ganze Textpassagen beinhalten.

      Ob man Schritt 4) unbedingt machen muss, sei dahin gestellt. Es hilft aber ungemein,