Dennis Blesinger

Eine Idee macht noch keinen Roman - Wie entwickle ich eine Geschichte?


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vierte Schritt notwendig sein.

      Sinn dieser ganzen Übung ist nicht, die Fertigstellung des Buches hinauszuzögern, sondern man macht das, um sicherzustellen, dass die Geschichte wirklich Hand und Fuß hat. Und zwar von vorne bis hinten. Das ist zugegebenerweise sehr zeitaufwendig, keine Frage. Es lohnt sich aber.

      Nichts ist schlimmer, als beim Schreiben von Kapitel 14 von 27 zu merken, dass man zwischen Kapitel 9 und 10 eigentlich noch was einbauen müsste, weil einem da gerade eine super Idee gekommen ist.

      Da sich diese unglaublich tolle Idee leider oftmals auf die komplette vorherige und zukünftige Handlung auswirkt, oder auch nur schlicht und ergreifend an der richtigen Stelle entsprechend erwähnt werden muss, damit die Geschichte keinen unnötigen Bruch erfährt, muss jetzt im schlimmsten Falle das halbe Buch noch einmal neu geschrieben werden.

      Genauso blöd ist es, wenn einem, nachdem das Buch fast schon fertig ist, auffällt, dass eine andere Handlungsentwicklung doch viel besser gewesen wäre. Je nachdem, wo diese Änderung denn dann eintritt, muss man auch einiges davor und alles danach anpassen. Da verzettelt man sich im Endeffekt fast immer und es macht echt keinen Spaß. Schließlich will man ja weiter schreiben und nicht das gerade Geschriebene noch einmal komplett verändern müssen.

      Der Grund dafür, dass diese super Idee bisher noch nicht aufgetaucht ist, liegt meistens daran, dass Schritt 3) nicht oder nur sehr halbherzig durchgeführt wurde. Deshalb noch einmal: Was in dem Exposé nicht drin ist, sollte auch in der endgültigen Geschichte nicht auftauchen, und sei es aus rein praktikablen Gründen. Erstens wird das Buch sonst irgendwann 3000 Seiten lang und zweitens wird es immer irgendwas geben, das einem gerade durch den Kopf geht. Man muss da irgendwann mal eine Grenze setzen.

      Bei solchen Rückwärtsarbeiten verliert das Ganze darüber hinaus zwangsläufig an Konsistenz, Stringenz und der rote Faden zeigt erste bis mittelschwere Auflösungserscheinungen.

      Wenn man sich schon die Arbeit gemacht hat, die Punkte 1-3 und vielleicht auch 4 durchzuführen, sollte man auch bei dem Ergebnis bleiben. Wenn man andere Ideen hat, kann man die gerne getrennt vom jetzigen Buch festhalten und in etwas Neues einfließen lassen.

      Sollte man sich jetzt dazu entscheiden, dass diese neue Idee aber unbedingt noch in die gerade im Werden begriffene Geschichte einfließen soll, dann muss man im Prinzip die komplette Geschichte noch einmal neu entwickeln, je nachdem, was für Auswirkungen diese neue Idee hat. Das kann man machen, keine Frage. Ob es sonderlich intelligent und effektiv ist, ist eine andere. Auf diese Weise dauert beispielsweise die Fertigstellung des Romans nämlich nicht ein, sondern zwei bis drei Jahre.

      Alternativ zu dieser Vorgehensweise kann man das Pferd auch von hinten aufzäumen. Diese Methode wird auch gerne als 'Wie ist es dazu gekommen?' - Methode bezeichnet. Diese Methode bedingt allerdings, dass man das Ende kennt, und zwar im Detail. Die Geschichte muss also noch viel klarer im eigenen Kopf herumspuken als bei der Synopsis - Exposé - Methode.

      Wenn man das Ende kennt, fragt man sich, wie es dazu gekommen ist.

      Ich nehme mal das allererste Buch der Narnia-Chroniken als Beispiel.

      Am Ende zimmert der Professor aus dem Holz eines Apfelbaumes, der vom Blitz gefällt wurde, einen Schrank.

      Frage: Warum hat der Professor die Überreste des Baumes mitgenommen und wie ist der Baum da überhaupt hingekommen?

      Antwort: Der Baum ist aus dem Knust des magischen Apfels gewachsen, den der Professor als Kind aus Narnia mitgebracht und seiner kranken Mutter gegeben hat, um sie zu heilen. Nachdem die Mutter ihn gegessen hatte, wurde sie gesund und der Junge hat den Knust eingepflanzt und einen Apfelbaum daraus gezogen.

      F: Was hat dazu geführt, dass der Junge den Apfel aus Narnia mitgebracht hat?

      A: Aslan hat dem Jungen den Apfel geschenkt, damit er diesen seiner Mutter geben kann.

      F: Wie kam es dazu, dass Aslan dem Jungen den Apfel geschenkt hat?

      A: Aslan hat eine magische Frucht eingepflanzt, aus der ein Apfelbaum gewachsen ist. Einer der Äpfel fiel herab und Aslan hat diesen Apfel dem Jungen geschenkt.

      F: Woher hatte Aslan die magische Frucht?

      A: Der Junge hat mit seiner Freundin und dem Pegasus die Frucht aus dem verbotenen Garten für Aslan geholt.

      F: Wie kam es dazu, dass der Junge mit seiner Freundin und dem Pegasus die Frucht für Aslan geholt hat?

      A: Aslan hat dem Jungen erklärt, dass es in Narnia einen Baum mit magischen Heilungskräften gibt. Allerdings ist es verboten, einen dieser Früchte für sich selbst zu pflücken. Der Junge kann also nicht losgehen, eine Frucht pflücken und sie seiner Mutter geben. Entsprechend bittet Aslan ihn darum, ihm eine Frucht zu bringen. Der Hintergedanke dabei ist, dass Aslan dem Jungen einen der Äpfel schenken wird. Dies erzählt er ihm jedoch nicht, um seine Loyalität zu testen.

      Und so weiter.

      Das Ganze hört bei der ersten Szene auf, die erzählt, dass um und bei 1900 n. Chr. ein Junge und ein Mädchen in England lebten und sich aus Zufall kennenlernten.

      Ich persönlich habe diese Methode noch nicht erfolgreich angewendet, weil ich nie genau weiß, wie die Geschichten bei mir im Detail enden werden. Wenn man dies jedoch weiß, hat diese Methode einen enormen Vorteil, sofern man sie konsequent durchzieht. Man muss sich nämlich bei jedem Absatz, bei jeder Kleinigkeit der Handlung fragen, ob es stimmig ist, ob gewisse Handlungsverläufe überhaupt möglich sind, ob es logisch ist und hat, wenn man am Ende ist (bzw. am Anfang), eine ziemlich wasserdichte Kette von Ereignissen, die die Handlung der Geschichte darstellt.

      Dieses Spiel macht man vorzugsweise sowohl mit der Haupt- als auch der Nebenhandlung. Diese beiden Handlungen kreuzen sich ja irgendwann. Wann und wie das im Einzelnen geschieht, kann man dann später festlegen.

      Diese Methode hat ebenfalls den Vorteil, dass man nicht auf die Idee kommt, das erste Kapitel vorschnell auf den Markt zu werfen, weil das überhaupt noch nicht existiert. Bei dieser Methode entsteht der Anfang ja schließlich ganz zum Schluss. Auf die Idee, das Ende vorschnell zu präsentieren, wird keiner kommen. Erstens wird es keiner verstehen und zweitens will man ja nicht verraten, wie es ausgeht.

      5) Der Klappentext kommt zum Schluss.

      Im Idealfall ist der Klappentext die 5-Satz-Synopsis vom Anfang, aber das ist selten der Fall. Klappentexte kommen zum Schluss. Weil erst da, ganz am Ende, weiß man meistens erst, was in dem Buch wirklich passiert und kann das dann auch besser zusammenfassen. Darüber hinaus ist das eine Wissenschaft für sich. Es existieren Menschen, die damit ihren Lebensunterhalt verdienen.

      Mir ist irgendwann mal aufgefallen, dass Klappentexte selten das eigentliche Buch beschreiben. Das geht auch gar nicht. 345 Seiten in 2 Absätzen so zusammenzufassen, dass die gesamte Handlung abgedeckt wird, ist ein Ding der Unmöglichkeit.

      Was aber funktioniert, ist den Geist des Werkes einzufangen. Wenn es eine Komödie ist, sollte man das auch anhand des Klappentextes erkennen. Bei Dramen und Thrillern gilt dasselbe. Hier helfen Schlüsselwörter sehr häufig.

      Brutal, Angst, Grauen und schrecklich wären gute Wörter, wenn man einen Psychothriller beschreiben möchte. Bei einer Romanze wären diese Wörter vielleicht nicht so ganz angebracht.

      Sex and the City - Folgen lassen sich zum Beispiel treffend beschreiben mit: Sex, One-Night Stand, große Liebe, Schuhe, Zickenkrieg, Großstadt und Schönheitswahn.

      Diese Worte muss man jetzt nur in zwei Absätzen verpacken, dabei die Handlung der Folge andeuten und man hat einen richtig schönen Klappentext. Und zwar für jede Folge.

      Was in den einzelnen Folgen oder auf der anderen Seite im Roman im Detail wirklich passiert, ist völlig nebensächlich. Klappentexte sind Werbesprüche. Das mag ernüchternd klingen, ist