Gabi Scheren

Der Schrei eines Untieres


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gibt es einen gewaltigen Unterschied zwischen den Folteropfern und mir: Niemand zwingt mich dazu! Ich quäle mich aus freien Stücken. Weder Frau Müller noch sonst jemand hat mir befohlen hierher zu kommen. Außerdem hätte ich aufstehen und durch die Tür ruhig herausgehen dürfen. Stattdessen bleibe ich wie zugenagelt sitzen im Ring der Verzweifelten und Fürchtenden, die immer noch hoffen. Weswegen sonst hätten sie sich das hier angetan?

      Dennoch irrt gewaltig derjenige, der meint, ich sei eine wehleidige Mimose, die mehr zeigt, als sie tatsächlich leidet. Im Zusammenbeißen der Zähne hätte ich ziemlich große Chancen auf einen prämierten Platz. Eine der wenigen Disziplinen, in der ich vorne läge. Ich musste einiges einstecken, was weit über das durchschnittliche Maß hinausreichte; das Leben ging nicht besonders zimperlich mit mir um.

      Die Stunde läuft scheinbar besonnen ab; rein äußerlich präsentiert sie sich friedvoll: eine stumme Gruppe von Frauen, die sich beugen und strecken zur bizarren Musik. Die Qual spielt sich sowohl unter der Haut auf der physischen wie auch auf psychischen Ebene und tastet sich an meine existenziellen Grenzen heran. Soll mich das Yoga schaffen? Ich schaue mich flüchtig um und forsche erfolglos nach Zeichen einer ähnlichen Verzweiflung. Später erfahre ich von Beata, dass sie genauso litt und in sich flüsterte in Richtung Frau Müller: „Ich bringe dich um“.

      Es liegt nicht am Schweregrad der Übungen, sie sind in sich erträglich. Die Folter wird erst durch das unendliche Wiederholen oder das ewige Ausharren in einer Position erzeugt. Das ist die wirkliche Tortur. Ich werde zu einer Yoga-Fackel!

      An der Schwelle zum Losbrüllen vor Schmerzen, kommt das erlösende Ende. Ich bleibe noch eine Weile sitzen, übermannt von einem beinahe Glücksgefühl, dass es endlich vorbei ist. Die Welt erscheint mir ein wenig erträglicher. Wenn ich diese Stimmung festhalten könnte! Sie fließt ins Herz und besänftigt seinen chaotischen Rhythmus. Ich stütze mich zittrig mit beiden Händen und hieve mich schwankend zum aufrechten Gang.

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