Hansjürgen Blinn (Hrsg.)

Bella Italia


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      Lass dir aber vom Führer berichten, wie Alles entstanden,

      Und das phantastische Bild lös’t in Vernunft sich dir auf!

      Friedrich Hebbel

      Auf dem Canal Grande

      Auf dem Canal grande betten

      Tief sich ein die Abendschatten,

      Hundert dunkle Gondeln gleiten

      Als ein flüsterndes Geheimnis.

      Aber zwischen zwei Palästen

      Glüht herein die Abendsonne,

      Flammend wirft sie einen grellen

      Breiten Streifen auf die Gondeln.

      In dem purpurroten Lichte

      Laute Stimmen, hell Gelächter,

      Überredende Gebärden

      Und das frevle Spiel der Augen.

      Eine kurze, kleine Strecke

      Treibt das Leben leidenschaftlich

      Und erlischt im Schatten drüben

      Als ein unverständlich Murmeln.

      Conrad Ferdinand Meyer

      [An der Brücke stand]

      An der Brücke stand

      jüngst ich in brauner Nacht.

      Fernher kam Gesang;

      goldener Tropfen quolls

      über die zitternde Fläche weg.

      Gondeln, Lichter, Musik –

      Trunken schwamms in die Dämmrung hinaus . . .

      Meine Seele, ein Saitenspiel,

      sang sich, unsichtbar berührt,

      heimlich ein Gondellied dazu,

      zitternd vor bunter Seligkeit.

      – Hörte jemand ihr zu?

      Friedrich Nietzsche

      San Marco

      Venedig

      In diesem Innern, das wie ausgehöhlt

      sich wölbt und wendet in den goldnen Smalten,

      rundkantig, glatt, mit Köstlichkeit geölt,

      ward dieses Staates Dunkelheit gehalten

      und heimlich aufgehäuft, als Gleichgewicht

      des Lichtes, das in allen seinen Dingen

      sich so vermehrte, dass sie fast vergingen – .

      Und plötzlich zweifelst du: vergehn sie nicht?

      und drängst zurück die harte Galerie,

      die, wie ein Gang im Bergwerk, nah am Glanz

      der Wölbung hängt; und du erkennst die heile

      Helle des Ausblicks: aber irgendwie

      wehmütig messend ihre müde Weile

      am nahen Überstehn des Viergespanns.

      Rainer Maria Rilke

      Spätherbst in Venedig

      Nun treibt die Stadt schon nicht mehr wie ein Köder,

      der alle aufgetauchten Tage fängt.

      Die gläsernen Paläste klingen spröder

      an deinen Blick. Und aus den Gärten hängt

      der Sommer wie ein Haufen Marionetten

      kopfüber, müde, umgebracht.

      Aber vom Grund aus alten Waldskeletten

      steigt Willen auf: als sollte über Nacht

      der General des Meeres die Galeeren

      verdoppeln in dem wachen Arsenal,

      um schon die nächste Morgenluft zu teeren

      mit einer Flotte, welche ruderschlagend

      sich drängt und jäh, mit allen Flaggen tagend,

      den großen Wind hat, strahlend und fatal.

      Rainer Maria Rilke

      Siehst du die Stadt?

      Siehst du die Stadt, wie sie da drüben ruht,

      Sich flüsternd schmieget in das Kleid der Nacht?

      Es gießt der Mond der Silberseide Flut

      Auf sie herab in zauberischer Pracht.

      Der laue Nachtwind weht ihr Atmen her,

      So geisterhaft, verlöschend leisen Klang:

      Sie weint im Traum, sie atmet tief und schwer,

      Sie lispelt rätselvoll, verlockend bang . . .

      Die dunkle Stadt, sie schläft im Herzen mein

      Mit Glanz und Glut, mit qualvoll bunter Pracht:

      Doch schmeichelnd schwebt um dich ihr Widerschein,

      Gedämpft zum Flüstern, gleitend durch die Nacht.

      Hugo von Hofmannsthal

      Venedig

      Im Norden

      Frieren die Götter.

      Hier

      Strahlt jeder Gauner: ein heisser Gott.

      Seines Tempels Stufen

      Steigen aus dem Canale grande.

      Er opfert

      Sein südliches Herz sich selbst.

      Die Sbirren schleichen

      Zur Dämmerung.

      Am Himmel segelt

      Eine Gondel.

      Die Adria

      Brandet an meine Brust.

      Der Markusplatz

      Tönt wie eine Harfe.

      An vergitterten Fenstern,

      An freigelassenen Menschen vorbei:

      Auf einer weissen Piazza

      Entfaltet sich wie eine rote Mantille dein Lächeln.

      Ists Tag? So ist die Sonne,

      Ists Nacht? So ist der Mond

      Am Herzen

      Aufgegangen.

      Klabund

      Karneval

      Freudiger und lichter

      Wird mir mit jeder Wiederholung

      Dieses bunte Getümmel.

      Wohltuend, befreiend,

      Wirkt so die Torheit

      Froh und ungestört geübt,

      Sie löset